Willkommen, Sahra Wagenknecht
Ein Beitrag der Harzgruppe*
In unserer feministischen Diskussionsgruppe besprechen wir u.a. die diversen Partei-Programme für die Berlin-Wahlen.
Was uns an der LINKEN gefällt, wenn es auch wenig mit der Berlin-Wahl zu tun hat, ist die Ablehnung der vielen todbringenden Rüstungsgeschäfte, mit denen die Bundesrepublik prosperiert. Da steht die LINKE mit Abstand allein da.
Aber „Unser Programm für das soziale Berlin“ reißt uns nun wirklich nicht vom Hocker. Es ist „Ein Sack gefüllt bis obenhin, doch ist gewiss was Schönes drin“. Bis zum Abwinken fallen die Worte: „demokratisieren, ökologisieren, kooperieren, teilhaben, stärken“ usw. ohne irgendein Beispiel, wie das denn alles zu realisieren wäre.
Wenn nun jemand wie Sahra Wagenknecht ein Problem wahrnimmt, das sich durch das hohe Flüchtlingsaufkommen gestellt hat, dann ist erschreckend zu sehen, wie viele in ihrer eigenen Partei sie mundtot machen wollen und sich nicht scheuen, ihr die übelsten Verbindungen zu unterstellen, anstatt darüber zu nachzudenken, ob das von ihr angesprochene Problem in der Form oder einer anderen existiert und wenn ja, welche Lösungsmöglichkeiten gedacht und umgesetzt werden könnten. Dass namhafte Leute aus der Führungsriege bei diesem Bashing gedankenlos mitmachen, stellt ihnen ein Armutszeugnis aus und regt mit Sicherheit nicht dazu an, diese Partei auch zu wählen.
Was im Programm der LINKEN vollkommen fehlt und uns doch anspringt, wenn wir nur das Haus verlassen, ist die Auseinandersetzung mit Problemen, die durch die zunehmende Patriarchalisierung - verbrämt und legitimiert durch die sogenannte Religionsfreiheit – hierzulande bei hauptsächlich türkischen und arabischen Einwanderern sichtbar geworden sind. Die werden zwar auch nicht durch Frau Wagenknecht konkret benannt, gehören aber in diesen nur vage beschriebenen Problemsack. Wir wollen uns im Folgenden nur auf diesen einen Aspekt begrenzen und das Ganze etwas unterfüttern. Der sichtbare Ausdruck sind die vielen vermummten Frauen und zunehmend immer kleinere Mädchen, von denen nur Bösartige vermuten können, dass sie bei 35 Grad im Schatten die langen Hosen, Pullover und Mäntel unter den doppelten Tüchern immer freiwillig tragen.
Genau mit dieser Behauptung der Freiwilligkeit aber werden die Probleme wegdiskutiert.
Es mag Frauen geben, die sich aus unterschiedlichsten Gründen freiwillig vermummen: weil sie zu einer religiösen Tradition gehören, die das von ihnen erwartet, weil sie sich vom Westen absetzen wollen, weil sie es für Selbstbestimmung halten, weil sie gegen was auch immer protestieren wollen oder weil sie ein modisches Interesse am Kopftuch und seinen vielfältigen Einsatzmöglichkeiten haben.
Diese sich in vielen Talkshows äußernden Frauen sind oft Akademikerinnen, die auf die ihnen hier grundgesetzlich garantierte freie Meinungsäußerung pochen, sich aber nie dazu äußern, welche drakonischen Strafen in vielen Ländern die Frauen erwarten, die das Kopftuch mit allen entsprechenden einschränkenden Varianten nicht tragen wollen. Im Iran, in dem nach der Machtübernahme durch Chomeini die Vermummung rigoros durchgesetzt wurde, gibt es eine mutige Frauenbewegung, die es trotz massiver Gegenwehr durchgesetzt hat, die Auflagen zumindest zu lockern, so dass viele Frauen nur noch mit locker übergeworfenem Tuch zu sehen sind und neuerdings unterstützt werden – zum ersten Mal! - durch Männer, die sich mit Kopftüchern fotografieren lassen und diese Fotos im Internet verbreiten, weil sie sich wohl so noch nicht auf die Straßen trauen. (Men in Iran are wearing hijabs in solidarity with their wives who are forced to cover their hair). Einen vergleichbaren kollektiven Protest gegen die Verhüllung durch türkische und arabische feministische Frauengruppen gibt es in Deutschland nicht. Dieses offenbar vollkommene Fehlen einer feministischen türkisch/arabischen Opposition in einem westlichen Land sollte zu denken geben. Es ist vermutlich weltweit einmalig. Auch wenn manchen deren Politik missfallen mag, ist das Fehlen solcher Gruppen ein Indiz für einen schwerwiegenden Demokratiemangel, was ein Zeichen von Angst sein muss. Es sind immer nur einzelne mutige Frauen, wie z.B. Necla Kelek, Seyran Ates und Mina Ahadi, die für die Denkfreiheit, die sie sich nehmen, von den eigenen Leuten bedroht werden und von der allgemeinen Linken keinerlei Unterstützung erfahren.
Abgesehen von den Frauen, die behaupten, sich freiwillig zu verhüllen, gibt es vermutlich sehr viel mehr Frauen, denen das Kopftuch und die anderen Vermummungsmittel von ihren Familien, bzw. den Vätern befohlen wird. Das Internet ist voll von Fragen und Klagen muslimischer Mädchen, die Rat suchen. Zwar ist in Deutschland garantiert, dass Menschen ab 14 Jahren religionsmündig sind, das heißt aber nicht, dass sie dieses Recht auch ausüben können, wenn der Vater, die Imame oder die Scharia-Propagandisten das Kopftuch befehlen, was häufig der Fall ist. Die Töchter können sich nicht wehren, weil die Alternative ist, die Familie zu verlieren, weil sie Angst vor Gewalt haben oder berechtigte Angst, zwangsverheiratet zu werden, wenn sie sich aufmüpfig zeigen. Nicht ohne Grund gibt es diverse anonyme Wohnungen für misshandelte türkische Frauen und Mädchen.
Das sind keine zu übergehenden Einzelfälle, sondern das ist grundgesetzwidrige Praxis in Deutschland. Gerade eine LINKE Partei sollte sie zur Kenntnis nehmen und alle Anstrengungen unternehmen, diesen Mädchen und Frauen zu helfen. Das ist ein wesentliches der von Sahra Wagenknecht aufgeworfenen, wenn auch nicht detailliert beschriebenen Probleme.
In der Kölner Demonstration für Erdogan am 31. Juli 2016 haben ca. 20.000 (und offenbar 20.000 weniger als angenommen) in Deutschland lebende Türken und Deutschtürken lautstark bejubelt, dass in der Türkei die Pressefreiheit abgeschafft wird, dass Tausende Lehrer und Richter entlassen oder ins Gefängnis geworfen wurden, dass Bürgerrechte massiv abgeschafft werden und die islamischen Vorschriften sich Geltung verschaffen, was automatisch den Status der Frauen weiter mindert, und sie haben den Plan bejubelt, die Todesstrafe wieder einzuführen.
Die Teilnehmer der Demonstration waren wohl mehrheitlich die gleichen Leute, die niemals demonstrieren, wenn türkische minderjährige Mädchen und auch junge Männer zwangsverheiratet werden, die sich keine Gedanken darüber machen, warum so viele junge türkische Mädchen Selbstmord verüben, die nicht als Gemeinde demonstrieren, wenn wieder eine junge Frau ermordet worden ist oder wenn wieder ein Mädchen an der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehindert wird (u.a. Klassenfahrten). Es waren die gleichen Leute, die in den Moscheen Hassprediger dulden und ihren Töchtern eine Freundschaft oder gar eine Ehe mit einem (Bio)-Deutschen verbieten (wobei den Männern durchaus Verhältnisse mit deutschen Frauen gestattet werden und auch Ehen zwischen türkischen Männern und deutschen Frauen häufig sind). Die Demonstranten haben einer Politik zugejubelt, die vergewaltigte Frauen dazu bringen soll, den Vergewaltiger zu heiraten, um ihre Ehre wieder herzustellen und Empfängnisverhütung für muslimische Frauen nicht akzeptiert, wie Erdogan.
Die Demonstration in Köln schien weitgehend ein Pendant zu Pegida-Demonstrationen zu sein. Allerdings gibt es bei einer Demonstration von 100 Neonazis in Deutschland immer mindestens 200 Gegendemonstranten. Nach allem, was man hört, trauen sich potentielle türkische Gegendemonstranten aus Angst sogar in Deutschland nicht auf die Straße.
Es ist nicht die deutsche Gesellschaft, die die neuen Bürger nicht akzeptiert, wie zunehmend fälschlich behauptet wird, sei es von den Türken selber oder von Parteien, die es besser wissen könnten: Bei allen Ungerechtigkeiten, mit denen die ersten Gastarbeiter zu kämpfen hatten: damals gab es keine Frauen mit Kopftüchern und wenn, dann waren es die bäuerlich vorne gebundenen, wie sie auch hier noch bei älteren Frauen üblich waren. Es gab feministische türkische Frauengruppen, nach denen heute vergeblich ausgeschaut wird. Dieses Fehlen ist einmalig in einem westlichen kapitalistischen Land, was erklärungsbedürftig ist. Es stellt sich die Frage, ob diese Gruppen nicht entstehen, weil die Frauen Angst vor ihrer eigenen Gesellschaft haben. Wie schon gesagt, es sind immer nur einzelne mutige Frauen, die sich in Opposition begeben. Diese durch die Religion legitimierte Unterdrückung der Frauen hat weitreichende Folgen auch für die Männer. Sie verschärft sich zur Zeit durch die hohe Anzahl überwiegend männlicher Flüchtlinge aus diesem Kulturkreis.
Zwar schreibt die Partei der LINKEN in ihrem Programm – undeutlich genug:
Für Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit
Rassismus abbauen – Gleichberechtigung herstellen
Diskriminierung bekämpfen
Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt fördern – Gegen Homo- und Transphobie
Aber tatsächlich sorgt sie für das Gegenteil, indem sie hartnäckig die Probleme ignoriert und auf diesem Gebiet gewissermaßen mit den GRÜNEN gleichzieht, die ebenfalls konsequent in dieser Frage den Kopf in den Sand stecken.
Ein Teil der Überforderung betrifft die aufnehmende Gesellschaft, die schon ohne Flüchtlinge mit folgenden Mängeln zu kämpfen hatte:
Zu wenige und marode Schulen und Kindergärten, zu wenige Lehrer, zu viel Unterrichtsausfall, eine überforderte Verwaltung, zu wenig Wohnraum, Arbeitslosigkeit, Reduzierung der Polizei u.a.m.
Das verschärft sich naturgemäß und soll nicht als Problem benannt werden dürfen?
Flüchtlinge, die hier Sicherheit und Freiheit suchen, sollen diese auch hier finden, was sehr viele Menschen durch ihr fortwährendes Engagement in der von ihnen selbst bestimmten Willkommenskultur deutlich machen.
Wir wissen auch von der Überforderung vieler Flüchtlinge: Die Realität des gelobten Landes ist anders als erträumt: die aufnehmende Gesellschaft ist nicht das erwartete Paradies, über das nur unklare Vorstellungen beim Aufbruch aus der Heimat vorlagen. Es ist kalt hier, das Essen schmeckt nicht, die Großfamilie fehlt, vielfach gibt es vollkommene Verständnislosigkeit über die hiesige Geschlechternormalität, zum großen Teil haben die Asylsuchenden keinerlei Ausbildung und wenn überhaupt, nur Hoffnung auf Hilfsjobs. Das allgegenwärtige Handy verursacht neue Probleme: Flüchtlinge vor der Handy-Zeit waren ohne Verbindung zu ihrer Heimat. Allenfalls funktionierten bisweilen Briefe, von denen niemand wusste, ob sie jemals ankamen. Das zwang die Flüchtlinge, sich auf die Gegenwart ihrer Umwelt zu konzentrieren. Heute sind sie durch das Handy ununterbrochen gleichzeitig in der alten wie der neuen Welt und müssen sich selbst und ihren Angehörigen vermitteln, wie es hier wirklich zugeht. Es gibt über das Handy tägliche Verbindungen in die Heimat und selbst ausgeübten oder von dort ausgeübten Druck, nun endlich einen Beweis für das Schlaraffenland zu bringen. Die Angekommenen wissen nicht, wie sie ihren Daheimgebliebenen die Wahrheit schildern sollen. Sie sind nicht in der Lage, evtl. versprochene Gelder hinzuschicken oder die Familie nachkommen zu lassen, eine Familie, die möglicherweise alles, was ihnen gehörte, verkauft hat, um ihren Sohn als Vorhut in das gelobte Land zu schicken.
Und überall mischen alle möglichen religiösen und politischen Einpeitscher mit: Imame, Salafisten, deutsche Rechte usw. mit gefährlich vereinfachten Erklärungen.
Dazu kommen die Gewaltausbrüche unter den Flüchtlings-Männern, sei es weil sie verschiedenen Religionen oder Sekten angehören oder einfach durchdrehen und vermutlich vielfach gar keine anderen Arten der Auseinandersetzung mehr kennen durch die jahrelangen Kriege und Brutalisierungen. Wir sehen hier nur die Spitze des Eisbergs, weil die vielen Frauen, die hier Gewalt erfahren und auf der Flucht erfahren haben, lieber schweigen und sich nur sehr schwer offenbaren. Wenn sie es aber tun, was auch immer wieder vorkommt, hören wir die entsetzlichsten Geschichten.
Weder dauernde Schuldzuweisungen, mit denen sich die Führungskräfte der Parteien übertreffen, noch das Integrationsversprechen als ein Kessel voll Buntes wird den Problemen gerecht. Wir als Wählende in Berlin wollen von den Parteifunktionären Lösungen zu folgenden Problemen hören:
Was machen wir praktisch, um in allen notwendigen Sprachen die Ankommenden darüber aufzuklären, welche Gesetze hier herrschen und was, um nachdrücklich auf die Gleichberechtigung hinzuweisen und sie durchzusetzen?
Was machen wir praktisch, um für Frauen und Kinder in den Flüchtlingsheimen einen sicheren Zugang zu den Dusch- und Toilettenräumen zu gewährleisten?
Was machen wir praktisch, um Zuwiderhandlungen sofort zu ahnden?
Was machen wir praktisch, um Mädchen, die sich nicht vermummen wollen, dies zu ermöglichen?
Was machen wir praktisch zugunsten eines Ethikunterrichts für alle statt eines Religionsunterrichts für die jeweils verschiedenen Religionen?
Was machen wir praktisch, um dem Vitamin-D-Mangel (der Folgekrankheiten nach sich zieht) der verhüllten – und dadurch auch schlecht hörenden - Frauen abzuhelfen?
Wie setzen wir praktisch durch, dass alle Mädchen an Klassenfahrten teilnehmen und - in normalen Badeanzügen - am Schwimmunterricht?
Diese Liste kann endlos fortgesetzt werden.
Die Einwände dagegen können auch wir schon singen.
Die vielen halbnackten Deutschen bei Hitze in der Großstadt finden auch wir unästhetisch, ekelerregend und unattraktiv. Sie werden aber nicht dazu gezwungen, halbnackt herumzulaufen.
Das ist der Preis der Freiheit. Leider.
Es gibt auch in Deutschland zu viele Männer, die gewalttätig sind.
Doch immerhin haben Frauen dies thematisiert. Gesetze wurden geändert, Vergewaltigung, auch in der Ehe, ist strafbar. Frauen haben das durchgesetzt. Es hat lange gedauert. Es gibt auch keine deutschen Familienverbände, die Frauen zwangsverheiraten oder gemeinsam beschließen, Frauen zu ermorden.
Frauen, die sich Sorgen machen, vorzuwerfen, sie machten sich gemein mit den Rechtsradikalen, wie jüngst Götz Aly in seiner Kolumne in der Berliner Zeitung vom 2. August gegenüber Sahra Wagenknecht mit dem Satz behauptet hat, sie griffe „immer wieder zum neonationalistischen Vokabular der AFD“, ist so simplistisch wie die Haltung der Rechten, die immerzu jene attackieren, derer sie zur eigenen Entlastung vom Nachdenken habhaft werden können. Mit ein wenig Empathie wäre es nicht schwer zu verstehen, dass die zunehmend verhüllten Frauen auf unseren Straßen uns daran erinnern, dass es auch bei europäischen Frauen noch nicht allzu lange her ist, unterdrückt, verfolgt, ermordet zu werden, wenn sie auch nur ein wenig von der ihnen vorgeschriebenen Rolle abwichen. Oft war nicht einmal das nötig. Es genügte, Frau zu sein. Die Macht der Ideologie durch Religion wurde nur langsam durch jahrhundertelangen Widerstand gebrochen, und nun sehen wir mit Erschrecken, dass diese Zeiten sich auf neue Weise in vielen Weltgegenden wiederholen. Aber diese anderen Weltgegenden sind uns inzwischen sehr viel näher gerückt, als sie es jemals waren. Darum begegnen wir unseren alten verhüllten Altersgenossinnen, die in ihren langen braunen, beigen, schwarzen langen Mänteln und bleich unter ihren Kopftüchern auf den Straßen schlurfen, mit Erschrecken, mit Mitgefühl und mit Wut.
Also, Partei der LINKEN, hören Sie auf mit den Schuldzuweisungen, nehmen Sie die Probleme zur Kenntnis und tun Sie etwas!
© Harzgruppe* c/o misalu@t-online.de
*Der Name „Der Harz gehört zu Deutschland“ ist ein Protest gegen die Behauptung, der Islam oder das Christentum, Voodoo, Buddhismus usw. gehöre zu Deutschland. Mit gleichem Recht könnte man dann auch sagen, Pegida gehört zu Deutschland. Die Religionsfreiheit gehört zu Deutschland und das bedeutet auch Freiheit von Religion, laut GG.
21 Kommentare
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15.08.2016 um 15:00 Uhr Amy
Nein, wir dürfen das (religiöse) Patriarchat NICHT in Ruhe lassen. Sich nicht einzumischen, keine Kritik oder Anmerkungen vorzutragen, bedeutet, all die subtilen Unterdrückungs-Mechanismen zu ignorieren und dem Patriarchat alle Befugnisse zu überlassen. Das westliche (u.a. religiöse) Patriarchat durfte und darf ruhig kritisiert werden, das muslimische aber nicht? Ich sehe darin ein Wiedererstarken des Duckmäusertums. Sowohl der sexistische Nacktkult, ob in Pornografie, Prostitution, Werbung, Medien usw. wird zu Recht von der Frauenbewegung beim Namen genannt und somit auch erfolgreich westliche patr. Standards kritisiert. Wir beschäftigen uns mit dem Jugend- und Schönheitswahn, dem Magerwahn, mit dem Sexismus in der Werbung, der Homophobie, Lesbophobie . Ginge es nach den religiösen Vorgaben der kath. Kirche , dürften heute noch die Frauen nicht selbst über ihren Körper bestimmen oder andere Lebensentwürfe planen , die im Gegensatz zu religiöser Auffassung gelebt werden wollen.
Die Burka mit dem Hinweis auf echte Religiosität zu verharmlosen, ist ja wohl äußerst naiv ! Ist bei manchen Frauen eigentlich nicht angekommen, dass die Verhüllung bzw. die o.a. genannten Bekleidungsvorschriften ausgerechnet nur Frauen betreffen? Und wenn Mädchen schon ab dem 9. Lebensjahr gezwungen werden, sich zu verhüllen, dass das eine äußerst sexistische Vorgehensweise ist, schon Kleinkinder sexualisiert , stigmatisiert werden, indem sogar die Mädchen im Genitalbereich verstümmelt werden können ? In den Religionen gibt es eine Menge Vorschriften, die mit den Menschenrechten nicht vereinbar sind. Das betrifft wohl alle Religionen! Das Private ist politisch, daran hat sich nichts geändert, denn auch mit den Flüchtlings-Frauen, die auf der Flucht vor Gewalt bei uns Zuflucht suchen (die meisten verhüllt) kommen auch Männer , die sich keinen Deut darum scheren, dass Menschenrechte auch für Frauen gelten. Frauen also wiederum geschlechtsspezifische, häusliche Gewalt erleben .
Ich lese , dass in der Bundesrepublik ca. 1000 Kinderehen geschlossen werden. Ein weiteres misogynes Kapitel im Auftrag einer religiösen, patr. Logik. Sollen wir dazu schweigen? Einfach deshalb, weil es um Andersdenkende (Männer) geht, die keine Skrupel haben, Frauen, Mädchen im Auftrag der Männerherrschaft zu domestizieren und wie Freiwild zu behandeln?
Gerade die Frauenbewegung - so meine ich - hat eine Vorbildfunktion und das Recht dazu , die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern sichtbar zu machen und zu kritisieren. Denn das und unsere Initiativen bestärken vor allem auch diejenigen Frauen, Mädchen , die sich dieser Ungleichheit bewusst sind und sich - auch gegen den Willen der Anderen - widersetzen wollen.
14.08.2016 um 20:51 Uhr Ethel
Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Wer regt sich auf, wenn ein indischer Mann einen Turban trägt? Niemand. Können wir wissen, ob die Burka aus echter Religiosität getragen wird, oder weil es sich so gehört, oder weil der Ehemann darauf besteht? Nein.Ich mag nicht diese Aggressivität, denn sie wird irgendwann zu Handgreiflichkeiten gegenüber Frauen führen, die eine irgendwie geartete Verhüllung tragen. Als Feministin wünsche ich mir Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Anders-sich-Kleidenden.
Mich stört an dem Schluss des Textes die Aussage, dass man den verhüllten Frauen mit “Wut” begegnet. Wut kann sich in Diskriminierung (hasserfüllte Bemerkungen, später dann Gewalt) äußern. Lasst bitte die Frauen in Ruhe, manche von ihnen finden high heels und nackte Haut genauso unpassend wie ihr die Verhüllungen.
14.08.2016 um 18:54 Uhr anne
einfach mal den spiess umdrehen - männer in burkini, hijab, burka, niqab, tschador, schleier, kopftuch - für ihre demonstration und anti-verschleierungstaktik müssen auch iran. männer mit bestrafung rechnen . ja, muslim. feministinnen mit kopftuch verweisen b.d. thema beständig auf das selbstbestimmungsrecht, anstatt all diese frauen im fokus zu haben, die sich von kleinauf verhüllen müssen. es gibt keine solidarität z.b. mit den schwestern im Iran ? wer freiwillig ein kopftuch trägt, könnte es auch freiwillig abnehmen , ob beim schwimmen oder im lehramt oder im sportunterricht oder bei einer demonstration etc. - wie gross wäre wohl die gesellschaftl. empörung, wenn dieses patr. zwangs-bekleidungs-diktat nur für männer gelten würde? insbesondere für Salafisten, Islamisten und andere Ultrakonservative gehört dieses zu ihrem symbol , die flagge der trennung der geschlechter und der andersartigkeit, minderwertigkeit der frauen - schon deshalb wäre es ein wichtiger grund, dass sich die angeblich freiwillig verhüllten frauen davon distanzierten und aus solidarität mit den zwangsverhüllten ihre kopftücher abnehmen.. aber es geht ja eigentlich mancher um viel mehr , um macht , abgrenzung oder um die scham, sich ohne kopftuch in der öffentlichkeit nackt zu fühlen oder aus angst, aus der muslimischen `gemeinschaft` ausgeschlossen zu werden? Seyran Ates hat recht, wenn sie sagt,das kopftuch ist zur waffe geworden ; sie beklagt die einengung durchs kopftuch, die markierung von frauen und die doppelmoral der befürworterInnen. wenn frauen das nicht mehr bekunden dürfen und dafür zur rechenschaft gezogen werden, ergeht es ihnen im prinzip nicht anders als den frauen im Iran ..
14.08.2016 um 10:33 Uhr Amy
Hervorragend - auf diese Zusammenfassung habe ich lange gewartet ! Was die angebliche Freiwilligkeit der Zwangsverhüllten ( Frauen , Mädchen) betrifft, welche Frau, welches Mädchen würde sich freiwillig genital verstümmeln lassen , würde freiwillig einer Zwangsheirat zustimmen, würde sich freiwillig aufgrund der Ehre eines Mannes und der Familie ermorden lassen , würde sich freiwillig so maskieren und verhüllen wollen, dass ihr ganzes Leben darauf ausgerichtet ist, sich dem (religiösen, misogynen) Patriarchat zu beugen. Was alles unter dem Label Religionsfreiheit gedeutet wird, entspricht im Grunde genommen einer misogynen Lebenseinstellung und ist somit eine Freiheitsberaubung, bedeutet Sexismus. Ja, wir erleben einen Rückschritt . Mit aller Macht wird versucht, sogar Einfluß auf die hiesige Justiz zu nehmen; bestes Beispiel ist der Wille der Patriarchen , das Tragen eines islamischen Kopftuchs bis in die höchste Instanz durchzusetzen . All diese (angeblich) religiösen Zwänge betreffen wiederum nur Frauen. Mann domestiziert sie im Namen der Freiwilligkeit , auf die mann bis hin zu Gewalt Einfluß nehmen kann, sobald frau sich widersetzt. Es ist nicht neu, dass sich Frauen diesem Diktat unterwerfen . Die patriarchalische Gehirnwäsche funktioniert ausgezeichnet und die Beschäftigung mit der Misogynie ist nicht out. Wenn die Frauenbewegung sich nicht all dieser Themen angenommen, rebelliert , gekämpft hätte, gäbe es heute nicht einmal für Frauen das Wahlrecht ..
14.08.2016 um 09:23 Uhr C.b
Super!