Vom Aussterben der Kindergärtnerinnen
von Andrea Schweers
Früher waren Kindergärtnerinnen Frauen, die sich in Kindergärten um die Kleinen kümmerten. "Erzieher" waren jene Männer, die sich an den Höfen und in adeligen Familien um die Erziehung des blaublütigen Nachwuchses kümmerten - ein ziemlich ausgestorbener Berufsstand. Dann gab es ein paar wenige Männer, die Lust hatten, in Kindergärten zu arbeiten - aber „Kindergärtner“ wollten sie nicht heißen. So wurde die Berufsbezeichnung "Erzieher" wieder ausgegraben, und weil es so praktisch war, mutierten die Kindergärtnerinnen dann auch gleich zu "Erzieherinnen". Und noch praktischer war es natürlich, dann gleich alle, Frauen wie Männer, die in Kitas arbeiten, als "Erzieher" zu bezeichnen. Bis vor kurzem sahen wir Abend für Abend Bilder von Demonstrationen, die v.a. dadurch überraschten, dass fast ausschließlich Frauen zu sehen waren, die streikenden Erzieherinnen, deren Ausstand allmählich zu einem nationalen Problem wurde. Gesprochen und geschrieben wurde allerdings durchgängig vom "Erzieherstreik" - es wäre interessant zu untersuchen, was in unseren Gehirnen passiert, wenn die Worte und die Bilder so offensichtlich permanent im Widerspruch zu einander stehen. Zu stören scheint es aber nicht. Neulich arbeitete sich Anke Engelke in Günther Jauchs gern gesehener Quizsendung an der Frage ab:
„In welchem der folgenden Berufe gibt es weniger als 5 % Männer: Kassierer, Kita-Betreuer, Friseure oder Apotheker?“
Anke Engelke tippte schließlich auf "Kita-Betreuer" und lag damit richtig (wer oder was wird da eigentlich betreut? die Kita?). Jauch machte der Nation dann noch mal ausführlich klar, dass 95,1% Erzieherinnen und 4,9% Erzieher zusammengefasst 100% Erzieher ergeben - ein mathematisches Wunder! Wie gut die sprachliche Gehirnwäsche funktioniert, war dann auch auf den Demonstrationsfotos zu sehen, wo die aufgebrachten Kindergärtnerinnen mehr Anerkennung für ihre anstrengende und wichtige Arbeit als "Erzieher" fordern. (Es könnte natürlich sein, dass sie ihren Forderungen mit dem Rückgriff auf höfische Zeiten, als die Erzieher noch etwas galten, mehr Nachdruck verleihen wollen). Wir können gespannt sein auf die Streiks des Krankenhauspersonals. Da werden wir dann demnächst Tausende von Krankenschwestern auf der Straße sehen, wie sie selbstlos - ganz im Sinne des Berufsstandes - mehr Anerkennung für "Krankenpfleger" fordern.
Kommentieren für diesen Channel-Eintrag nicht möglich
3 Kommentare
Nächster Eintrag: Christa Mulack: Rezension - Moran (2013) und Höly (2014) über Prostitution
Vorheriger Eintrag: Rezension von “Als die Soldaten kamen: Die Vergewaltigung dt. Frauen am Ende d. Zweiten Weltkriegs”
26.06.2015 um 14:24 Uhr Amy
Mich interessiert ebenso, woher der Name `Kindergarten` kommt. Und ich glaube auch nicht, daß dieser Beruf ein verstaubtes Image ( wie z.B. mal die `Handarbeit`) hat, weil die dort beschäftigten Frauen `Kindergärtnerin` genannt werden. Das Kind sollte im Kinder-Garten wie eine Pflanze gepflegt und gehegt werden. Die Inititativen gingen damals im 19. Jahrhundert von vielen bedeutenden Frauen aus. Aus einer Kleinkinderbewahranstalt wurde ein `Kinder-Garten`als pädagogische Konzeption (F.W. Fröbel, Gründer des Kindergartens)und heute die `Kita`, die Kindertagesstätte. Von daher musste sogar der `Garten` einem neuen Begriff weichen. Erinnerte er zu sehr an den `SchreberGarten`? https://de.wikipedia.org/wiki/Therese_Brunsvik
Ich habe manchmal den Eindruck, sobald Männer in ehemals typ. Frauenberufe - auch in Unterzahl - eindringen, diese mit der Berufsbezeichnung so ihre Schwierigkeiten haben. Hebammer will sich keiner nennen, Kindergärtner sicherlich auch nicht; Krankenschwester schon gar nicht und Putzmann?
In diesen Berufen haben seit Beginn viele Frauen gute Arbeit geleistet gegen überaus schlechte Bezahlung. Und genau die schlechte Bezahlung gab`s für die berufstätigen Frauen, weil ihre Berufe weniger gesellschaftliche Anerkennung erhielten.
Und die Krankenschwester? Schwester ist ein schöner Name; es gibt zu viele Bruderschaften mit einem schlechten Image, aber etliche Schwesternschaften mit einem besseren Image. Alle wissen, was `Schwestern` als Fachfrauen an mühevollen Arbeiten leisten mussten. Ob mit der Neubenennung gleichzeitig eine bessere Entlohnung erzielt wird, bezweifele ich. Bis jetzt hat sich da für die Frauen anscheinend wenig geändert. Und zu den `Ordensschwestern`, auch diese haben viel geleistet auf dem sozialen Gebiet , z.B. Ordensschwester Lea Ackermann u.v.a., nicht nur als sog. `Dienende` sondern vor allem auch als `Kämpferin` für das Gute. Daran kann ich nichts `Veraltetes` erkennen. http://www.rotkreuzschwestern.de/historie.html
23.06.2015 um 15:47 Uhr mauerunkraut
Mir fällt gerade auf, dass ich die Autorin falsch angesprochen habe. Da der Artikel von Luise Pusch geteilt wurde, ging ich fälschlicherweise davon aus, dass sie auch die Autorin ist. :-( Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Frau Schweers.
23.06.2015 um 15:45 Uhr mauerunkraut
Hallo Frau Pusch!
Danke für Ihren Artikel, ich beschäftige mich persönlich mit dieser Thematik, allerdings mehr mit dem Bezug auf Pflege.
Tatsächlich befürworte ich aber, dass die “Krankenschwester” und insbesondere das veraltete “Schwester” aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verschwindet. Die Schwester sehe ich als ein Relikt als die “professionelle” Pflege von Ordensfrauen durchgeführt wurde. Dies ist in Deutschland nicht mehr der Fall, Pflege ist ein Beruf, der eine wichtige Dienstleistung mit Fachwissen und sozialer sowie kommunikativer Kompetenz für eine Bandbreite an Aufgaben erfüllt. Nicht zuletzt verbinde ich mit der “Schwester” auch eher eine sich “aufopfernde”, “dienende” Frau (bezeichnender Weise sprach ausgerechnet Norbert Blüm auf einer Fachkonferenz vom “Dienen” als Dienstleistung der Pflege) - aber PflegerInnen sind keine DienerInnen, sollen sie auch nicht mehr sein.
Auffallend ist aber auch, wie regelmäßig in den Medien von “Schwestern und Pflegern” die Rede ist, weil es bei einem klassischen Frauenberuf wie der Pflege mit einem Männeranteil von gerade mal was um die 20% scheinbar nicht angehen kann, dass die Männer hier nicht mit erwähnt werden. Während häufig noch im selben Satz von “Ärzten” die Rede ist, bei denen der Frauenanteil deutlich höher liegt.
Ein Problem, das natürlich mit der Berufsbezeichnung “PflegerIn” einhergeht, dass man im Sprachgebrauch sehr schnell ins Maskulinum rutscht. Nichts desto trotz, finde ich es auch gut, dass aus den Kindergärtnerinnen mittlerweile Erzieherinnen wurden und sich das Bild in diesem Beruf vom reinen “Kinder bespaßen” zur “fachlich fundierten Betreuung” wandelt.