Plädoyer für die Einrichtung eines Männerministeriums (MäMi)
von Helke Sander
Vorbemerkung 2009
Vor ca. 15 Jahren habe ich, noch an der HFBK (Hochschule für Bildende Künste) in Hamburg lehrend, ein Interviewseminar gemacht. Mir kam es darauf an, dass die Studierenden lernen, sich auf schwierige und neue Situationen praktisch und theoretisch vorzubereiten und gleichzeitig zu ermöglichen, dass die Interviewten, die in diesem Fall hauptsächlich Politiker sein sollten, mit etwas Neuem konfrontiert werden und sich nicht auf für diesen Fall geeignete Standardsätze zurückziehen können. So kam ich auf die Frage: „Brauchen wir ein Männerministerium?“ Mit dieser Frage und den damals noch üblichen kleinen Videokameras wurden die Studierenden vor allem in die Hamburger Bürgerschaft geschickt, wo sie bei den meisten Abgeordneten nur Gelächter auslösten. Die einzige Ausnahme war ein Offizier der Bundeswehrhochschule, der eine solche Initiative wärmstens begrüßte, weil die Probleme von Männern seiner Meinung nach grundsätzlich und fortlaufend und auf hohem Niveau untersucht gehörten, damit Männer weniger Schaden anrichten. Auch den meisten Studierenden war diese Frage nicht geheuer und manche fürchteten, sich damit lächerlich zu machen. Das brachte mich erst auf die Idee, dies in größerem Rahmen zu diskutieren, und ich bot im Lauf der Zeit dieses Projekt sowohl Zeitungen wie auch Frauengruppen in verschiedenen Parteien an. Aber niemand wollte diesen Vorschlag, ob wir ein Männerministerium brauchen, bisher auch nur öffentlich diskutieren.
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Ministerien werden eingerichtet, zusammengelegt, abgeschafft. Ein Ministerium wird dann eingerichtet, wenn sich Probleme auf einem bestimmten Gebiet verdichten, einzelne oder gesellschaftliche Gruppen oder die Regierung dies bemerken und darauf mit einem eigenen Ressort reagieren.
Auf diese Weise ist das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen entstanden und wieder abgeschafft worden, das Familienministerium hat je nach Legislaturperiode in seinen Namen noch die Jugend, die Frauen, die Senioren und die Gesundheit oder den Sport aufgenommen. Das Umweltministerium ist mit den Grünen geschaffen worden, das Verbraucherministerium mit der BSE-Krise, und Aufbau-Ost schreit nach einem eigenen Ressort usw.
Die Frage wäre also, ob Männer als Männer eine Problemgruppe sind und daher ein eigenes Ministerium brauchen und wie sich deren Probleme - oder die, die sie anderen machen - von den Problemen der Frauen, deren Belange in einem Ministerium behandelt werden, unterscheiden. Muss für Männer etwas getan werden und wenn, was?
Dass Frauen im Familienministerium untergebracht wurden, vertiefte geradezu die Geschlechterstereotypen. Es schien so "natürlich", der "wahren fraulichen Bestimmung" adäquat und ist doch nur Ausdruck dafür, dass die Gehirnwäsche der Kirchen funktioniert hat. Meiner Meinung nach wären Frauen fast überall besser aufgehoben als ausgerechnet im Familienministerium. Wäre die Lust an Gedankenspielen weiter verbreitet, könnten wir gute Begründungen dafür finden, Frauen im Staatsministerium für Kultur unterzubringen, weil es statistisch gesehen Frauen sind, die am meisten lesen, die Konzerte, Theater, Museen und Galerien besuchen, die die Kinos bevölkern, usw. Man könnte also sehr gut begründen, dass beispielsweise Frauen und Kultur enger zusammenhängen als Frauen und Gesundheit, wo sie auch schon einmal waren. Frauen wären auch als Teil des Außenministeriums denkbar, weil der Kern der Frauenfrage international ist. Das soll hier jedoch nicht weiter vertieft werden.
An ein Frauenministerium jedenfalls haben wir uns gewöhnt. Bei Männerministerium aber wird gelacht. Denn anders als bei Wirtschafts-, Arbeits- oder Verteidigungsministerium hat das Wort Frauenministerium im Bewusstsein der Regierenden wie auch der Regierten dazu geführt, dass "Frauen" auf Regierungsebene als etwas Defizitäres erlebt werden. Es wird gelacht, weil sich die Kategorie "Männer" nicht so erlebt. Frauen brauchen Hilfe, wie auch Jugendliche und Senioren, sie brauchen den besonderen Schutz der Gesellschaft und darum stopft man diese Gruppe in ein eigenes Ministerium. Aber wer ist dann diese Gesellschaft, wenn mehr als 80% ihrer Mitglieder - Frauen, Alte und Jugendliche - vom Rest besonders geschützt werden müssen? Wer bleibt noch übrig als Gesellschaft? Unausgesprochen aber logisch bleiben dann wie bei den Taliban Männer übrig, die nicht zu jung und nicht zu alt und nicht krank sind. Die "Gesellschaft" besteht nach dieser Definition aus 20% Männern zwischen Volljährigkeit und Rentenbeginn. (Und wenn man die Männer aus dem Aufbau Ost auch noch abzieht, sind es noch weniger).
Ein Männerministerium würde Männer selber zum Objekt des Nachdenkens machen. Es würde "von Staats wegen" zu untersuchen sein, warum es in erster Linie Männer sind, die sich durch die Welt bomben, Mädchenhandel treiben, Frauen zum Heiraten zwingen, sich aber ungerne um die Kinder kümmern, fundamentalistische Theorien ausbrüten, immerhin zu ca. 20.000 allein in Deutschland in Logen organisiert sind usw. usw.
Heutzutage werden z.B. die Kosten der Polizeiaufgebote bei Fußballspielen nicht ins Verhältnis gesetzt zu den eigens ausgewiesenen Fördermaßnahmen für Kinder. Dabei sind diese Kosten eindeutig Männerförderungen und nicht gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten. Hat schon mal jemand ausgerechnet, wer sich NICHT für die WM interessiert und für die Trennung von Staat und Fussball eintritt ebenso wie für die Trennung von Staat und Kirche, die auch nur auf dem Papier steht?
(Vermutete Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen bei der WM 500 Mill. Euro bei Gesamtkosten von ca. 9 Milliarden.). Wären diese Kosten im Haushalt ausgewiesen, dann ließen sie sich gegenrechnen mit anderen Maßnahmen, und es müssten Kompromisse zwischen den einzelnen Notwendigkeiten geschlossen werden: In diesem Jahr eine Fußball-WM, im nächsten soundsoviel neue Kindergärten/ Ganztags-Schulen/ Forschungsstätten.
In der Außenpolitik wäre es die selbstverständliche Aufgabe eines Männerministeriums, darauf hin zu wirken, dass patriarchale und das heißt frauenunterdrückerische Verhaltensweisen abgeschafft werden.
Es wäre innenpolitisch zu untersuchen, ob Frauenfeindlichkeit und Ausländerfeindlichkeit evtl. ähnliche Wurzeln haben und ob die Kritik an der Frauenfeindlichkeit in der Öffentlichkeit einen ebenso großen Raum einnimmt wie die Kritik an der Ausländerfeindlichkeit.. Kurz, ein Männerministerium würde den Mann zum politischen Thema machen und die blassen und äußerst akademischen Gendertheorien vom Kopf auf die Füße stellen. Es gäbe der Politik die vermissten und immer wieder eingeforderten Impulse oder den "Ruck".
Die Menschheit ist nun ca. 3 Millionen Jahre alt und ca. 3000 Jahre herrscht das Patriarchat und hat inzwischen selbst ziemliche Probleme mit den Folgen dieser Herrschaft, die auch Männern nicht mehr gut tun. Diese Probleme werden durch ein Männerministerium nicht abgeschafft, aber vielleicht werden einige Zusammenhänge durch die Arbeit einer solchen Institution erkannt. Überwachungskameras, mehr Polizei, mehr Soldaten, mehr Panzer, alles das wird die heutigen Welt-Probleme nicht lösen. Es wäre an der Zeit, dass die 20%, die sich selbst als Gesellschaft definieren und von den anderen bisher auch noch so genannt werden, weil sie es fast nicht anders kennen, das Nachdenken auf sich selber richten.
Natürlich sollen die Staatsausgaben dadurch nicht höher werden. Es wäre daher gut und richtig, das Männerministerium wie auch das Frauenministerium mit anderen Aufgaben zu koppeln. Mein Vorschlag wäre die Koppelung des Frauen- mit dem Arbeitsministerium und die des Männerministeriums mit dem Ministerium für Verkehr, also die Schaffung eines "Ministeriums für Männer und Verkehr". Das könnte dann sogar der Realität ins Auge sehen, wozu offenbar das Familienministerium nicht in der Lage ist, und Lösungen für das Problem finden, dass Frauen und Männer, ob verheiratet oder nicht, sexuell vielfältig interessiert sind, Kinder aber Stabilität brauchen. Eine Kernfrage.
August 2005. © Helke Sander.
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2 Kommentare
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21.05.2009 um 18:57 Uhr Evelyn
Die Idee mit dem Männerministerium ist gut. Es wäre ja ein Zeichen von Größe, wenn dort endlich mal die ganzen Schäden verhandelt würden, die Männer anrichten. Aber, wie wir sie kennen, würden sie dieses sofort wieder für ihre Zwecke missbrauchen ... und in kurzer Zeit keinen Unterhalt mehr zahlen, sämtliche Kinder zugesprochen bekommen usw. Wir können nicht “vertrauen”, sondern nur beim Bestehenden nerven, nerven, nerven!
18.05.2009 um 03:19 Uhr Alison
Es gibt schon lange die Maennerministerien, uns zwar die von ihnen genannten Verkehrsministerium, Verteidigungsministerium, Innenministerium, Justizministerium, Finanzministerium, usw. Alle kuemmern sich um die Anliegen der Maenner so gut, dass die Frauen endlich einen eigenen Ministerum fuer sich und ihren Anliegen verlangt haben. Das es nicht so gekommen ist, wie wir wollten, da Frauen mit Familie unheilsam verquickt werden, oder Gesundheit (Frauen sind mengenmaessig, wenn noch nicht prestigemassig, die Hauptakteurinnen als Patientinnen sowie als Plegende).. Aber die bestehende Maennerminsiterien sollen die Agenden, die im Beitrag vorkommen auch wahrnehmen und dies koennten wie mit etwas guten Willen:-P