Mehdorn, Mann meiner Träume 3
von Helke Sander
(Der neue Mehdorn heisst Grube und muss sich seinen Namen, der schon jetzt zu Kalauern Anlass gibt, erst noch verdienen).
Dies ist die vorläufig letzte Folge. Nicht, weil ich nicht noch endlose Geschichten auf Lager hätte wie jede Bahnfahrende, sondern um diesen kontinuierlichen kleinteiligen Ärger, diese ständigen unnötigen Konfrontationen bei Zugfahrten nicht noch auf die eigene Seele abfärben zu lassen. Darum verkneife ich mir auch die Schilderung der mit der Einlösung der Bonus-Punkte verbundenen Unannehmlichkeiten und der auf Verwirrung und Kapitulation angelegten entsprechenden Webseite der Bahn und beschränke mich heute auf den Hauptbahnhof Hamburg und den Fahrkartenautomaten in Salzwedel.
Wer in Hamburg am Hbf mit der Bahn ankommt und weiter zum Flughafen will, kann seit einiger Zeit mit der S-Bahn dorthin fahren und die Bahnfahrkarten bis dorthin lösen. Der kürzere Weg vom Bahnsteig des ankommenden Zuges zur S-Bahn ist der Weg auf die Brücke, die der Wandelhalle gegenüberliegt und dann von dort aus zum S-Bahnsteig hinunter. Denn an diesem hinteren Ende des langen Bahnsteigs halten die Waggons zum Flughafen an extra markierten Stellen und diesen Weg nennt Ihnen auch jeder vom Bahnpersonal oder wer sich sonst auf dem Bahnhof auskennt.
Die schon mit dem Zug ankommenden Reisenden mit ihren Koffern und Kinderwagen freuen sich also über die meist funktionierende aufwärts zur Brücke fahrende Rolltreppe, gehen ein paar Schritte zum S-Bahnsteig und dann ---- nun dann stehen sie da. Es gibt Treppen sogar beidseits der Brücke und es gibt auch Rolltreppen beidseits der Brücke. Sie können dennoch nicht mit ihren Koffern runter, denn beide Rolltreppen fahren aufwärts.
Sie stehen da also da mit zwei Koffern und einem Bandscheibenproblem. Zwei sehr alte Leutchen stützen sich gegenseitig, schauen ratlos zur einen und zur anderen Rolltreppe und schütteln ungläubig die Köpfe. Wie sollen sie es mit ihrer schweren Tasche nach unten schaffen? Die beiden wackeln zur anderen Seite der Brücke und suchen einen Knopf an der Rolltreppe, der möglicherweise das Fahrwerk in die andere Richtung laufen lässt. Den gibt es aber nicht. Die Frau mit den beiden Koffern auf Rollen – ich - geht zu der DB-Information auf der Brücke, um sie auf den vermeintlichen Fehler mit der Rolltreppe aufmerksam zu machen und den Angestellten zu bitten, eine der Rolltreppen bitte hinunter fahren zu lassen.
Der Mann an der Information ist freundlich und sagt, erstens könne er das technisch nicht von seinem Platz aus und zweitens sei es eine Bestimmung des Bahn-Managements, dass beide Treppen nur aufwärts fahren dürfen. Er kenne das Problem, viele Leute beschweren sich, aber es dürfe nicht geändert werden. Die Leute können ja auf der anderen Seite, der Seite der Wandelhalle, den Fahrstuhl zu den Bahnsteigen benutzen. Abgesehen davon, dass es für Unkundige keinen Hinweis darauf gibt, dass es auf der anderen Seite, über hundert Meter weiter, einen Fahrstuhl gibt, müssten die Reisenden zu seiner Benutzung mit ihren Koffern, Kinderwagen, Rollatoren zunächst aus dem Hauptbahnhof heraus, um den Haupteingang und den entsprechenden Fahrstuhl zu finden, um dann auf dem Bahnsteig den Weg zurückzulegen, der sie wieder genau an die Stelle des Hinterausgangs mit den nur aufwärts fahrenden Rolltreppen führt. Diese Aktion würde mindestens zehn Minuten in Anspruch nehmen. Ich habe meine beiden Koffer dann einzeln die Treppe hinunter zum Bahnsteig getragen und war froh, dass keine Hauptverkehrszeit und der jeweils andere Koffer die ganze Zeit im Blickfeld war. Und auch die beiden Alten haben es irgendwie geschafft.
*** Schon in Kenntnis, dass es am Automaten häufig Probleme gibt, kaufen viele Leute lieber am Schalter, vor allem an kleinen Bahnhöfen. Für den Zug, der um 11.34 Uhr ab Salzwedel fährt, öffnet der Schalter um 11.15 Uhr. Dann kommen natürlich zusätzlich auch alle die, die in zwei oder drei Wochen irgendwohin fahren wollen und langwierige Beratungen für ihre Entscheidungen brauchen. Vor dem Schalter stauen sich also die Leute und darum braucht man für den gleich abfahrenden Zug doch häufig wieder den Automaten, wenn es in der Schlange nicht recht weitergeht. Ich gebe also die entsprechenden Nummern für Berlin ein, man muss nur mehrmals drücken, bevor der Automat gehorcht, aufatmen, Bahnkarte 50 eingeben, aufatmen, Hin-und Rückfahrt eingeben, aufatmen. Bisher funktioniert alles. Ab Stendal brauche ich einen IC-Zuschlag. Der entsprechende Knopf für den Zuschlag ist auch da, ich drücke ihn, aber der Automat reagiert nicht. Wieder und wieder und wieder drücken – mit gleichem Ergebnis. Ein freundlicher Jugendlicher deckt mit seiner Mütze das von der Sonne beschienene Display ab, und wir entziffern gemeinsam im Display die rote Schrift, die uns wissen lässt, dass dieser Automat keine Zuschläge mehr ausdruckt. Jede weiß natürlich, dass der Kauf des IC-Zuschlags im Zug teurer ist. Inzwischen ist es schon 11.30 – Gott sei Dank steht niemand hinter mir – ich drücke also das ok und bekomme die Fahrkarte für 27,60. Am Schalter kostet sie inklusive des IC-Zuschlags für Hin und –Rückfahrt sowie dem City-Aufdruck für Berlin, der mich berechtigt, vom Bahnhof aus und auch wieder zum Bahnhof zurück die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen, 33.—Euro. Mit meiner Fahrkarte muss ich also theoretisch 2 x den Straf-IC-Zuschlag in der Bahn und außerdem noch extra in Berlin die BVG, zweimal je 2,10 bezahlen.
Die Schaffnerin im Regionalzug braucht eine Weile, um auf ihrem Computer den Zuschlag für die Hinfahrt ausrechnen zu können. 4,90. Für die Rückfahrt wäre es noch einmal soviel und damit wäre die Fahrkarte um fast zehn Euro teurer als die am Schalter gelöste. Ich sage also, dass ich den Zuschlag erst im IC kaufen würde, vielleicht geben da die Computer andere Auskünfte. Tatsächlich kommt der kontrollierende Schaffner nach dem Umsteigen in den IC nach längerem Herumgedrücke auf seinem Computer und seinem eigenen mehrmaligen Kopfschütteln auch zu einem anderen Ergebnis. Er druckt mir die Quittung aus: Zuschlag: 0 Euro. Beide halten wir das für einen Fehler, aber auf der Rückfahrt mache ich mit einem anderen ebenso erstaunten Schaffner die gleiche Erfahrung: 0 Euro. Am Samstag drauf muss ich schon wieder nach Berlin. Der Fahrkartenschalter hat dann vollends geschlossen. Der kontrollierende Schaffner kennt das Problem, er verdreht nur die Augen, winkt ab und verlangt keinen Zuschlag. Auf der Rückfahrt habe ich weniger Glück. Die Schaffnerin interessiert sich nicht für meine Erklärung, sondern verlangt 4,50 für den Zuschlag. Bald sagt sie durch den Lautsprecher sehr laut die Ergebnisse der Bundesligaspiele an und unterbricht damit die Gespräche von mindestens fünf Frauen, die ich gerade im Auge habe und die sich nicht für Fußball interessieren. Als sie gleich darauf wieder meinen Platz passiert, sage ich ihr höflich, dass derartige Informationen nicht für alle Leute interessant sind. Sie anwortet pampig und in bester verspäteter realsozialistischer Manier: „Es wird aber trotzdem angesagt! “
Früher erzählten sich die Leute Geschichten über die 7 Schwaben. Heute über die Deutsche Bahn.
©Helke Sander Mai 09
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