Letzte Generation (von Helke Sander)
Normalerweise schaue ich mit Sympathie auf Proteste junger Leute, weil sie meist triftige Gründe haben. Bei der Letzten Generation will mir das nicht gelingen. Ich weiß nicht, was sie wollen. Sie kleben sich auf Straßen fest, die, nachdem sie befreit worden sind, wieder umfangreich repariert werden müssen. Sie halten den Verkehr auf oder legen ihn sogar still und nehmen in Kauf, dass andere Leute schwerwiegende Termine u.a. verpassen. Meist sagen sie nichts. Sie kleben sich fest für das Klima.
Sie schaffen es tatsächlich, dass Menschen, die möglicherweise sogar mehr dafür tun, in Staus stehen und garantiert nicht mehr ans Klima denken, sondern Wut kriegen und wenigstens hoffen, dass die KleberInnen mindestens die kostspieligen Straßensanierungen zahlen müssen und sich fragen, ob sie es denn ein bisschen kleiner hätten und wenigstens ein paar für alle machbare Vorschläge. Aber da kommt nichts und das Auffallendste ist scheint der Mangel an Fantasie.
Sie könnten z.B. anregen, die ganzen zusätzlichen Verpackungen bei Gemüse und Obst in den Supermärkten einzusparen, mit Hilfe von Verkäuferinnen für diese Produkte, bei denen es sich verböte, jede Pflaume erstmal mehrmals umzudrehen und zu betatschen, um sich dann doch für eine Banane zu entscheiden. Auf Märkten geht das ja auch.
Sie könnten ihre eigenen Handys nur noch 1-2 Stunden am Tag benutzen und, wenn das nicht hilft, könnte als Strafe 1 Woche Handyverbot ausgesprochen werden. Bei Wiederholung länger. Das würde viel CO2 einsparen.
Sie könnten ganz verwegene Vorschläge machen und z.B. anregen, wieder Lebensmittelkarten für Fleisch einzuführen und den Anspruch jeder Person auf ein gewisses Maß zu begrenzen. Das könnte die Massentierhaltung auf der ganzen Welt reduzieren und die Biodiversität der Pflanzen steigern.
Es wäre schön, wenn sie sich vernünftige und machbare Dinge einfallen lassen würden. Damit könnten sie NachahmerInnen gewinnen.
© Helke Sander, Juni 2023
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