GAZA-Krieg
von Helke Sander
Dieser Krieg treibt einen um. Nicht nur mich. Es ist die tägliche Fassungslosigkeit nach der Tagesschau. Das geht nun schon eine Weile so und die Frage wird dringender, ob ich selber etwas tun kann. Wenigstens etwas gegen tendenziöse Darstellungen. Wenigstens versuchen, bei der Wahrheit zu bleiben und nur das als Tatsache hinzustellen, was auch eine ist. Darum konzentrierte sich mein Ärger schließlich auf eine Kolumne von Anetta Kahane in der Berliner Zeitung vom 20.7.14 „Der überladene Gaul“. Anlass zu der Kolumne waren eine oder zwei vorangegangene Demonstrationen in Berlin gegen den Krieg. Genau wird das allerdings nicht beschrieben.
Allerdings bekommt man durch den Artikel den Eindruck einer riesigen Demonstration aus „Linken, Rechten, Muslimen und vermeintlichen Antirassisten“ die sich einig seien im Hass gegen Juden.
Ich konnte mir diese Melange nicht recht vorstellen und habe nachträglich im Internet recherchiert, was die Berliner Zeitungen über die Demonstrationen geschrieben haben. Es handelte sich offenbar vor dem 20.7. um relativ kleine Demonstrationen, an denen auch Mitglieder der Partei „Die Linke“ teilgenommen haben, die später offenbar auf der Kundgebung das Parlament zur Rüstungskontrolle aufforderten und darauf hingewiesen haben, dass die BRD keine Waffen an kriegführende Länder ausführen darf. Im allgemeinen wurde der insgesamt friedliche Aspekt der Demo von ca. 300 Teilnehmern betont und kritisiert, dass sich am Ende der Demo ein paar gewalttätige Demonstranten anschlossen, die tatsächlich die bekannten rassistischen, zur Gewalt auffordernden und hier nicht zu wiederholenden Sprüche riefen.
Kahane aber erweckt den Eindruck, dass alle Demonstranten sowohl „Antisemiten, Israel-Hasser als auch Hamas-Verteidiger“ waren. Da sie keine Angaben macht zu Ort und Zeit der Demonstration, so dass das nach zu prüfen wäre, soll man einfach glauben, dass die Demonstranten sich „unter dem Mantel der terroristischen Hamas verstecken, um zu protestieren“.
Sie trägt damit dazu bei, die ohnehin so schwierige Situation zu verschärfen.
Was für ein Glück, dagegen, im TAGESSPIEGEL vom 26.7. den Text von Mohamed Amjahid zu lesen „Vernünftige, ich kann uns nicht hören!“, der sich den Hass-und Beschuldigungsparolen jeder Seite entzieht und von den Muslimen, Atheisten, Juden, Christen unter Deutschen, Palästinensern, Arabern und Israelis erzählt, die in ihrer täglichen Praxis auf gegenseitige Verständigung bauen.
Interessant ist auch, dass die deutschen Zeitungen praktisch nichts von der inner-israelischen Opposition schreiben, die zwar inzwischen klein, aber hier und da doch vorhanden ist.
Der Historiker Moshe Zimmermann, Professor für Geschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem, sagt (heute.de vom 27.7.14) . "Wie immer im Krieg ist die Opposition gelähmt. Solidarität lässt die Kritik verstummen". Oder man lese im Internet die Seite von Uri Avnery, wenn schon die Zeitungen nicht mehr über ihn berichten.
Was sowohl im sogenannten Gaza-Krieg als auch in der Ukraine immer mehr auffällt – nur nicht den offiziellen Medien – ist Folgendes: mit der zunehmenden Ideologisierung und Radikalisierung der Konflikte nehmen die zur Gewalt bereiten Männer mehr und mehr Raum ein, während die Frauen verstummen, bzw. zum fast völligen Verstummen gebracht werden. Allenfalls werden harmlose Aufrufe von Prominenten verbreitet, wie von Woody Allen, der offenbar keinerlei Ahnung von Geschichte hat und in naiver Weise die Palästinenser auffordert, ein bisschen von ihrem Land abzugeben, damit beide, sie und die Israelis friedlich nebeneinander leben können. Von anderem Kaliber ist dagegen der von mir schon verschiedentlich in den vergangenen Jahrzehnten erwähnte Mr. Baroody aus Saudi Arabien (!), von dem nach seiner Rede vor der UN Vollversammlung im Sommer 1978 auch nichts mehr zu erfahren war. Er hat damals den verzweifelten ernsthaften Vorschlag gemacht, dass in ausweglos erscheinenden politischen Konflikten die männlichen Politiker zurücktreten sollten und ein Gremium von Müttern ab 40 Jahren aus den Konfliktparteien so lange diskutieren sollten, bis sie zu einer fairen Vereinbarung gekommen seien.
Helke Sander (©) Juli 2014
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1 Kommentar
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30.07.2014 um 21:45 Uhr Amy
Ja, Frauen schaffen Frieden, aber ist oder wäre das im Sinne der Militaristen ? Es gibt ein Zitat von Fritz Wöss (Gründer der Österr. Umweltschutzbewegung) “Mütter, nur ihr könnt Kriege verhindern und das Leben eurer Kinder und Gatten retten, wenn ihr euch verbündet.”
In der Ukraine haben Mütter die Einberufungsbefehle ihrer Söhne verbrannt. http://www.heinrichplatz.tv/?p=15063
Zitiert aus : Widerstand von Frauen gegen den Krieg (Friedensforum-1998): Seit fast sieben Jahren demonstrieren wir schwarz gekleidet und schweigend gegen Krieg, Militarismus, Nationalismus und Sexismus, die immer gemeinsam und miteinander verflochten auftreten und sich gegenseitig verstärken. Mit unseren Protesten sagen wir dem serbischen Regime: “Nein, ihr sprecht nicht für uns, wir sprechen für uns selbst!” Durch Proteste in den Straßen zeigen wir unseren Ungehorsam gegen alle, die, sei es mit Worten oder mit Waffen, zu Haß, Gewalt und Krieg beitragen. Unser ziviler Ungehorsam soll nicht nur die Ablehnung gegenüber dem Regime verdeutlichen, sondern auch das allgemeine Stillschweigen über die Verantwortung für den Krieg und die “im Namen des Volkes” verübten Kriegsverbrechen anprangern. Wir machen so auch unseren Widerstand gegenüber der patriarchalen Haltung deutlich, die die Frauen auf ihre Rolle als Mütter und Ehefrauen, zuständig für die Fortpflanzung des Volkes und die Bewahrung “ethnischer und moralischer” Werte reduzieren will…...
Das Nobelpreiskomitee ehrte die Präsidentin Liberias und zwei weitere Aktivistinnen für ihren Einsatz gegen Krieg und Ungerechtigkeit. Gemeint ist dies als “Signal” - Zwei von ihnen, die liberianische Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf und die liberianische Menschenrechtsaktivistin Leymah Gbowee, haben dazu beigetragen, den elend langen und blutigen Bürgerkrieg in ihrem Land mit Tausenden Kindersoldaten und Hunderttausenden Toten und Entwurzelten zu beenden. Nachdem Kriegsherr Charles Taylor aus dem Land gedrängt worden war, wurde Johnson-Sirleaf 2005 aus 22 Kandidaten und Kandidatinnen zur ersten Präsidentin Afrikas gewählt. Ihre 39-jährige Landsfrau Gbowee nahm sich, wie Johnson-Sirleaf auch, vor allem der liberianischen Kinder an, die nach 14 Jahren Bürgerkrieg traumatisiert zurückblieben. Sie half in der von der Präsidentin einberufenen Wahrheits- und Versöhnungskommission mit, die tiefen Risse in der von Gewalt zerrütteten Gesellschaft zu kitten. Inzwischen leitet sie die Organisation „Women Peace and Security Network Africa“.
Die dritte Preisträgerin schließlich ist wohl das „Signal“ des Komitees an die, die im Herbst des Arabischen Frühlings die Hoffnung auf eine spektakuläre Wende wie in Liberia nicht aufgeben sollen: Die 32-jährige Tawakkul Karman gehört zu den Organisatoren der Proteste im Jemen, die das Regime von Präsident Saleh nun seit Monaten versucht niederzuringen. Die Journalistin setzt sich für soziale Gerechtigkeit ein, für Demokratie und Meinungsfreiheit.
„Es ist die Hoffnung des norwegischen Nobelkomitees, dass der Preis an Ellen Johnson-Sirleaf, Leymah Gbowee und Tawakkul Karman dabei mithilft, die Unterdrückung von Frauen zu beenden, die es weiter in vielen Ländern gibt, und das große Potenzial für Frieden und Demokratie zu erkennen, das Frauen repräsentieren können“, erklärten die Juroren am Freitag in Oslo. Das wiederum ist ein ziemlich hohes Ziel. (derFreitag/Frieden schaffen mit der Frau / 2011)