Frauenfreundlich übersetzen - ein paar praktische Tipps
von Elisabeth Brock
Immer wieder spannend, sich Brot und Butter mit Übersetzen zu verdienen! Im Jahr 1993 (Oh Göttin, schon so lange her ... ) habe ich mich in das Abenteuer „freiberufliches Übersetzen“ gestürzt und seither das Gefühl, bei meiner Lieblingsbeschäftigung angekommen zu sein.
Ich bin, wie viele andere Frauen in diesem Beruf – und Frauen bilden hier das Gros und Fußvolk – eine Seiteneinsteigerin und habe über Umwege zum Übersetzen gefunden. Von einer Fachfrau-Freundin ermutigt, die mir, nachdem sie meine ersten Versuche gelesen hatte, versicherte: „Du kannst das!“, habe ich mich mit der Selbstsicherheit einer Anfängerin hartnäckig bei verschiedenen Verlagen beworben. Kaum sind zwanzig Jahre vergangen, kann ich sagen, dass ich mich als Autodidaktin ganz gut etabliert habe, dass jeder Tag, den ich übersetzend an der Compute verbringen kann, ein glücklicher ist und mir das freischaffende, allein schaffende, selbstständige Dasein sehr gut bekommt.
Meine englischen, französischen und vor allem spanischen Sprachkenntnisse habe ich in vielen Auslandsjahren – erst als Au-pair-Mädchen, dann als Pflegefachkraft, schließlich als Familienhausfrau – mal gezielt mal nebenbei erworden, das Jonglieren mit dem Deutschen war von jeher mein Talent und meine Freude. Ich übersetze, was mir die Verlage anbieten: Belletristik, Sachbücher, Krimis und – das ist aufgrund meines erlernten Berufs meine Nische und mein Schwerpunkt – Pflegefachliteratur. Einen meiner ersten Aufträge bekam ich übrigens vom Verlag Frauenoffensive; manchmal funktioniert es, das „Old Girls Network“!
Als sprachbewusste Feministin oder feministische Spracharbeiterin habe ich den Ehrgeiz, „gerecht“ zu sprechen und zu schreiben, d. h. Frauen sprachlich jederzeit sichtbar zu machen oder zumindest geschlechtsneutral zu formulieren. Besonders bei Pflegethemen packe ich meine Trickkiste aus, um weder die Sprache noch die Leserschaft mit diesem Anspruch zu quälen. Am liebsten drücke ich mich einfach symmetrisch aus (Bürgerinnen und Bürger) – soviel Zeit und Platz muss sein – und umgehe damit die unschöne Schrägstrichlösung, das Binnen-I (Bürger/innen, BürgerInnen) und andere irritierende Auswege. Um nicht mit Patienten und Patientinnen zu langweilen, spreche ich oft von Kranken, Pflegebedürftigen, von Menschen, die pflegerische Unterstützung brauchen oder kranken Menschen. Aus den Krankenschwestern sind längst Pflegefachkräfte geworden, auch mit professionellen Helferinnen und Helfern, Fachkräften aus Medizin und Pflege, mit den in Heil- und Gesundheitsberufen tätigen Fachpersonen komme ich recht weit – kommt man/frau sehr weit, oder gar mensch sehr weit? Manchmal helfen auch die Klientel, die Kundschaft, die Beschäftigten und Angestellten aus. Die Putzfrauen habe ich zugunsten von Reinigungskräften ganz abgeschafft. An der Arzt-Patient-Beziehung allerdings rüttle ich nicht.
Weshalb nicht nur im Sport, auch im Gesundheitsbereich immer noch von der Mannschaft, gar krampfhaft von Mann-/Frauschaft die Rede ist und nicht vom wirklich praktischen Team, ist mir ein Rätsel. Kommen in einem Fachtext Bibelzitate vor, greife ich selbstverständlich zur Bibel in gerechter Sprache, die 2006 erschienen ist. Dann gibt es eben Hirtinnen und Hirten auf dem Felde und Männer und Frauen aus Galiläa.
Wie die Verlage, für die ich arbeite, auf meine Bemühungen um die gerechte Sprache reagieren? Nun, auch in den Lektoraten gibt es ein Bewusstsein für den feministisch inspirierten Sprachwandel, weshalb meine Formulierungen und sprachliche Kreativität toleriert, ja sogar geschätzt werden.
Generell wird in den Medien ja verstärkt geschlechtsneutral oder symmetrisch geschrieben und gesprochen, besonders stringent in der Schweiz, was mir immer angenehm auffällt. Für viele gebietet es einfach die Höflichkeit, für manche, besonders in der Politik, die Klugheit, auch die weiblichen Formen zu verwenden. In einem Sportartikelkatalog begegnete ich kürzlich gar dem Ein-Frau/Ein-Mann-Zelt! Weshalb wird nicht schlicht ein Ein-Personen-Zelt angeboten? Dass wir zunehmend einer Sprache begegnen, die harmonisch klingt und selbstverständlich beide Geschlechter benennt, ist wohltuend und das Ergebnis unserer jahrzehntelangen, oft als Nerverei empfundenen Bemühungen ... Trotzdem: Es gibt noch zu tun, wie ich erst heute bei der Lektüre der Allgäuer Zeitung festgestellt habe, die berichtet, ich sei zum ehrenamtlichen Richter gewählt worden. Und dann gibt es noch Freundinnen, die hemmungs- und gedankenlos Männersprache praktizieren und pikiert reagieren, wenn ich meinen Mund nicht halten kann und sie darauf aufmerksam mache.
Am liebsten ist mir die spielerische, humorvolle, bunte Version dieser Wühlarbeit. (Wie sich LGTB-Personen, also Lesbian-Gay-Trans-Bisexual-Persons, sprachlich integrieren lassen, das übersteigt allerdings auch meine Phantasie.)
Danke, Luise F. Pusch und Senta Trömel-Plötz, ihr mutigen linguistischen Vordenkerinnen!
Im Moment muss ich mich wieder aktiv um einen neuen Übersetzungsauftrag bemühen, Akquise heißt diese ungeliebte Beschäftigung. Schließlich bin ich zwar alt aber noch nicht reich, weshalb ich weiter meiner Lieblingsbeschäftigung frönen muss und will. Immer spannend ... siehe oben.
Kempten, Oktober 2014
Übersetzen ist keine brotlose Kunst, aber manchmal fehlt es an der Marmelade (Isabel Hessel)
Kommentieren für diesen Channel-Eintrag nicht möglich
7 Kommentare
Nächster Eintrag: Halina Bendkowski: Rede zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Alexandra Goy
Vorheriger Eintrag: GAZA-Krieg
24.10.2014 um 16:26 Uhr Amy
Interessant finde ich den Hinweis zu den `Hirtinnen` von Gudrun Nositschka. Es müsste eigentlich das gesamte `Hirtenbild` in Frage stellen, denn damals wurde nur Männern die Vollmacht erteilt, den einzigen Gottessohn Jesus Christus zu repräsentieren bzw. kirchliche Ämter auszuüben, was bis heute in der kath. Kirche beständig fortgeführt wird und woran auch die aktuellen Hirten weiterhin festhalten wollen. Der Hirte , der symbolische Bote eines (männlichen) Gottes - Hirtinnen wären somit die Botinnen eines männlichen Gottes, den das Patriarchat zu seinen Vorstellungen erfunden hat und die sich diesem männl. patr. Gottesbild zu beugen hatten. Frauen waren lange genug wunschgemäß die untertänigen `Hirtinnen` ihrer Männergefährten. Lesben und Schwule z.B. sind den meisten bischöflichen kath. Hirten auch heute noch gar nicht wirklich willkommen, obwohl diese Hirten beständig von Liebe predig(t)en.
Ich tue mich auch etwas schwer , mich mit diesem männl. Gottesbild gerecht zu zeigen. http://www.bibel-in-gerechter-sprache.de/fragen-und-antworten/gab-es-hirtinnen/
23.10.2014 um 21:15 Uhr Joey Horsley
Vielen Dank, Elisabeth, für den schönen Beitrag! Und dank Dir, Lena, für Deine freundlichen Worte zu meinen Übersetzungen!
Joey
23.10.2014 um 13:14 Uhr Lena Vandrey
Übersetzen! Eine großartige Sache! Wie mag es angefangen haben? Gibt es Bücher darüber?
Seit 55 Jahren lebe ich in einer anderen als meiner Muttersprache, welche ich mir aber durch ständiges Lesen erhalten habe. Französisch ist die Rede-Sprache, Deutsch die Lese-Sprache.
Ein Hoch-Genuss, eine wirkliche Freude sind die Übersetzungen ins Anglo-Amerikanische meiner Texte durch Joey Horsley, welche ich die NEUE AUTORIN nenne, denn alle diese Worte und Wörter sind ja von ihr. Es kann vorkommen, dass Übersetzungen in der einen oder der anderen Sprache besser sind. Djuna Barnes’ “Night-Wood” war großartig auf Französisch und sehr mittelmäßig auf Deutsch. Es kann auch vorkommen, dass eine Übersetzung überhaupt besser ist als das Original.
Was aber bedeutet, dass der Name der Übersetzerin oder des Übersetzers gar nicht genannt wird? In der deutschen Fassung der 880-Seiten-Memoiren von Brigitte Bardot steht kein Name! und dabei ist das eine Mammut-Arbeit!
Was die Bibel betrifft, so gibt es hunderte von Übertragungen und jede hat ihre Eiferer. Gab es wirklich keine Hirtinnen auf den Feldern? Traf die Hirtin Rahel nicht den Jacob am Brunnen mit den Schafen, oder ist das eine Erfindung von Thomas Mann?
Im Französischen heißt dolmetschen: interpretieren. Das Wort sagt es ja. Die Interpretin arbeitet genauso wie eine Schauspielerin, jede Interpretation hat ihren Sinn, und sich darüber zu unterhalten, ist ein Exercice, eine Art von Gehirn-Akrobatik. Im Falle von Uneinigkeit gibt es das Lexikon, aber vorher nicht.
Wir danken allen, die da interpretieren und fühlen uns mit ihnen in guter Verwandtschaft.
Vielen Dank an Joey und Elisabeth!
22.10.2014 um 14:47 Uhr S. Mania
Sprachliebende können sich nur freuen und sich wünschen, alles Veröffentlichte würde so liebevoll und aufmerksam bearbeitet!
Ich finde es unangenehm, daß einige wirklich alberne Auswüchse “dem Feminismus” angelastet werden. Für mich wäre es schon ein kleiner Fortschritt, wenn aus ALLEN Köpfen und Medien DER einzelne (der) LESER, (der) VERBRAUCHER oder (der) ANLEGER verschwinden würde zugunsten des Plurals, möglichst noch m. Binnen-I.
Selbst (gerade?) ein Wagenbach Verlag mit einem 2/3 Anteil von Frauen bringt es erstaunlicherweise fertig, in der Zwiebel seit Jaahren zu schreiben:
“Kein BUCHÄNDLER kann alle Bücher des Verlages führen..”
Zum Spiegel: Die letzten zwei Fleischhauer-Sätze sind erschreckend “dumm(deutsch)”
22.10.2014 um 13:55 Uhr Schrattenholzer Elisabeth
Erstens danke, danke, danke an Luise F. Pusch! Wo wäre ich ohne ihre Bücher!
Zur Bibel: Der (umstrittene) Wissenschaftler und chassidische Jude Friedrich Weinreb schreibt in “GottMutter. Die weibliche Seite Gottes”, dass “das mit ‘Herr’ übersetzte Wort im Hebräischen ein weibliches Wort ist. [...]Wenn ich also Herrgott ausspreche, weiß ich gleichzeitig, [...] weiblicher Gott! Merkwürdig, wie die Sprache uns verwirren kann.” - Und merkwürdig, dass das Patriarchat diese Bedeutung uns nachhaltig verschwiegen hat.
Weiter unten schreibt Weinreb: “Wir haben jetzt gesehen, daß das hebräische Wort, welches immer mit ‘Herr’ wiedergegeben ist, ein weibliches Wort ist und eigentlich das Herrschen meint. Es mag sein, daß männliche Herrschsucht den Herrn als Mann gemacht hat; das Wort selbst aber sagt das nicht, sondern gibt sich klar als weiblich zu erkennen.”
Die “männliche Herrschsucht” ist nun leider seit Jahrtausenden in großen Teilen der Welt erfolgreich. Auch in der Sprache, denn Macht macht Sprache.
Und: Übersetzen birgt große Verantwortung! Also großer Dank an Elisabeth Brock!
21.10.2014 um 17:17 Uhr Gudrun Nositschka
Liebe Elisabeth,
Übersetungsarbeit zu leisten hat es wirklich in sich. So staune ich immer wieder wie unbekümmert aus dem Englischen male und female vor einem Beruf oder einer Tätigkeit übersetzt wird. Dann heißt es “weiblicher Richter oder männlicher Richter”, und ich frage mich, welche Eigenschaften denn diesen Mann weiblich oder männlich machen. Bei der Nutzung der Bibel in gerechter Sprache habe ich große Bedenken. Indem einfach Hirtinnen dazu übersetzt worden sind, die es gar nicht gegeben hat, wird eine Faktenverzerrung betrieben, eigentlich eine Beschönigung des Patriarchats. Dir wünsche ich weiterhin viele frauengerechte Übersetzungseinfälle und natürlich viele Aufträge.
21.10.2014 um 13:31 Uhr Amy
Prima! Und wohltuend zu erfahren, dass die feministische Linguistik und somit gerechte Sprache auch beim `Übersetzen` angenommen wird und immer weitere Kreise zieht.
Zitiert: Danke, Luise F. Pusch und Senta Trömel-Plötz, ihr mutigen linguistischen Vordenkerinnen!
Oh ja, seitdem ich Luises und Sentas Bücher gelesen habe, bin ich als Unaufgeklärte aus einem `Dornröschenschlaf` aufgewacht.
Das Maskulinum hat sich sowohl in der Sprache wie auch im gesellschaftl. Leben dermaßen `breitgemacht` und frau ist bedenkenlos tagtäglich in die patriarchalische Falle getappt. Für viele scheint es eine ´Belastung` zu sein, sprachlich auch weibliche Menschen einzubeziehen, denn der Mann war die Norm , und diese möchte mann natürlich beibehalten. Aber letztlich bedeutet/e es für Frauen Unsichtbarkeit.
Frauen sind angeblich kompliziert, so wird uns ständig von patr. Männern suggeriert, wenn es generell um feministische Themen geht. Ich würde sagen, Frauen sind einfach zu klug und das wurde ihnen geneidet. Um den Spieß umzukehren und dem Maskulinum die verblendeten Augen zu öffnen, kann das generische Femininum im Einsatz eine gute Stütze sein.
Mir gefällt ebenso, wie viele Möglichkeiten es gibt, sich alltäglich geschlechtsneutral `auszudrücken`: anstatt Radfahrer - Radfahrende oder `Fußgängerzone` als `Flaniermeile`- als Dummdeutsch bezeichnete DER Spiegel diese Wortwahl.
Wie groß ist die Angst der Männerpresse vor gerechter Sprache :) und wie wichtig gerechte Sprache ist, zeigt sich besonders daran, mit welchen dümmlichen Argumenten seit Anbeginn feministischer Sprachkritik Empörte reagier(t)en.
Danke auch an Elisabeth Brock für ihr starkes , feministisches Engagement!
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/neue-geschlechtsneutrale-stvo-dummdeutsch-im-strassenverkehr-a-891487.html