Feminismus im Rückblick
Gestern fand ich in der Berliner Zeitung einen Artikel von Hannelore Schlaffer "Kinder sind jetzt schick. Droht der Rückfall in die alte Rolle? ...", ein Beitrag zu diesem Medienstreit um alte und neue Frauenrollen. In dem 5-Spalter steht der Satz: "Das ausschließliche Ziel der sich emanzipierenden Frau war die Teilnahme am beruflichen und öffentlichen Leben der Männer, und dabei konnte das Kind ... nichts sein als ein Hindernis"
Interessant, Frau Schlaffer ist ungefähr so alt wie ich und hat offenbar in einer anderen Zeit gelebt. Es mag ja diese Frauen gegeben haben, die ausschließlich am männlichen Leben teilnehmen wollten, sie sind dann Professorinnen geworden und haben keine Kinder gehabt. Aber es gab auch in den 1960er und 70er Jahren Frauen mit Kindern, die um eine gute Ausbildung kämpften und ihr eigenes Geld verdienen mussten, sie haben u.a. die ersten Kinderläden gegründet und die wiederum waren ein wichtiger Teil der Frauenbewegung. Frauen mit Kindern und oft ohne Partner haben an der Uni darum gekämpft, dass die Professoren und auch kinderlose Professorinnen nicht wichtige Sitzungen um 18 Uhr ansetzten, weil sie da die Kinder ins Bett bringen mußten. Und sie wurden gelegentlich sogar von Männern unterstützt. Nein, wir wollten nicht vom männlichen Kuchen abbeissen, der Feminismus war - auch - eine politische Bewegung und es gab heisse Diskussionen darüber, wie eine menschenwürdige Gesellschaft und wie eine nicht autoritäre Erziehung ausssehen könnte. Es gab auch hysterische Dogmatikerinnen, die nur Mütter mit Töchtern akzeptierten, Söhne mußten draussen bleiben, es war eben eine verrückte Zeit. Die Rahmenbedingungen sind heute anders, es gab damals noch keine, jedenfalls keine erschwinglichen, Geschirrspülmaschinen und keine Tiefkühlkost oder Fertiggerichte, die sich einigermassen emanzipiert e Kinder selbst aufwärmen konnten, dass Männer Kinderwägen schieben - wie das inzwischen sogar Türken und Serben (zumindest in Berlin) tun, war noch kaum vorstellbar.
Also liebe Frau Schröder, liebe Frau Schlaffer, liebe Frau Badinter, schaut doch z.B. mal auf die "Mutterliebe" der tütteligen Männer, die alles in den Schatten stellt, was sich die Mamas der 70er und 80er Jahre geleistet haben. Es gilt, was auch damals galt - es ist immer noch sehr schwierig, Kinder und Beruf zu verbinden, in Deutschland noch besonders, aber das hat weniger mit "falschen Leitbildern" zu tun, als mit falschen Öffnungszeiten von Kinderbetreuungsstellen, mit einem Konkurrenzdruck und Arbeitsklima in qualifizierten Berufen, das es verdammt schwer macht, mit Männern mitzukonkurrieren, die sich womöglich pflegeleichte Heimchen als Gattinnen nehmen, die ihnen die Seele polieren oder gar zuarbeiten. Der neue Mutterstolz, von dem Frau Professor Schlaffer spricht, der sich in abgelichteten, herausgestreckten dicken Bäuchen auf dem Titelblatt von Vogue zeigt, zeigt eine glänzende Oberfläche, nicht das Problem. Und warum solche (oben zitierten) Legenden über die Frauenbewegung konstruiert werden, versteh ich nicht.
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