Fembio Specials Philosophinnen Susan Sontag "Susan Sontag" von Susanne Gretter (2007)
Fembio Special: Philosophinnen
"Susan Sontag" von Susanne Gretter (2007)
In allem war sie etwas früher dran, die hochbegabte Susan Sontag, die sich 14jährig bei Thomas Mann in sein Haus in Santa Barbara einlud, um mit ihm über seinen Roman Der Zauberberg zu diskutieren, mit 16 an der Universität von Chicago Französisch, Literatur und Philosophie studierte, 17jährig den Soziologen Philip Rieff heiratete, und 1959, nach Studienaufenthalten in Berkeley, Cambridge, MA (Harvard), Oxford und Paris mit ihrem siebenjährigen Sohn David nach New York kommt, um, frisch geschieden, ein neues Leben anzufangen. Geprägt von europäischen Kunst- und Denkwelten, versorgt sie Amerika mit Nachrichten über das französische Kino, über europäische Fotografie, über Bataille, Barthes, Fassbinder, Cioran, kantische Ethik und benjaminsche Ästhetik. Schnell wird die Mittlerin zwischen den Kulturen zu Amerikas Parade-Intellektueller.
»Der Welt meine ungeteilte Aufmerksamkeit angedeihen lassen - diesem Auftrag widme ich mich. Das ist mein Job, meine Profession, meine Lebensaufgabe.«
Das tut sie als Schriftstellerin, Kritikerin, Filmemacherin, Dramatikerin, Professorin. Und als Politikerin. Während des Vietnam-Kriegs reist sie 1968 nach Hanoi, während des Jugoslawien-Kriegs 1993 bricht sie nach Bosnien auf und lebt dort drei Jahre im belagerten Sarajevo. 2001 kritisiert die New Yorker Jüdin anläßlich einer Preisrede in Jerusalem die Palästinapoltitik Israels als verhängnisvoll. Die Heuchelei der US-Regierung angesichts des Folterskandals im Abu-Ghraib-Gefängnis 2004 schockiert sie: »als ob diese Bilder selbst das Entsetzliche wären und nicht das, was sie zeigen«. Immer legt Susan Sontag den Finger auf die Wunde.
Als 1976 bei ihr zum ersten Mal Krebs festgestellt wird, schreibt sie ihren Essay Krankheit als Metapher und resümiert 1988 in einem weiteren Essay, Aids und seine Metaphern:
»Was einen umbrachte, waren nach meiner Überzeugung die Ammenmärchen und Metaphern rund um den Krebs. Die Menschen sollten Krebs einfach als Krankheit begreifen lernen - eine ernste Krankheit, aber eben eine Krankheit, weder Fluch noch Strafe, noch Peinlichkeit ... Und nicht zwangsläufig eine Krankheit zum Tode.«
Susan Sontags Krankheit führte zum Tode. Beeindruckend dokumentiert hat das in A Photographer's Life die Fotografin Annie Leibovitz, ihre Lebenspartnerin seit 1988. »Fotografieren bedeutet teilnehmen an der Sterblichkeit, Verletzlichkeit und Wandelbarkeit anderer Menschen«, sagt Susan Sontag. Begraben liegt sie auf dem Friedhof Montparnasse in Paris.
(Text von 2007)
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