Fembio Specials Widerstandskämpferinnen Maria Gräfin von Maltzan Eintrag zu Maria Gräfin von Maltzan im »Lexikon der Gerechten unter den Völkern«
Fembio Special: Widerstandskämpferinnen
Eintrag zu Maria Gräfin von Maltzan im »Lexikon der Gerechten unter den Völkern«
Maltzan, Gräfin Maria von Akte 3545
Maria Isabel Helene von Maltzan (Kosename Maruska) wurde am 25. März 1909 als jüngstes von sieben Geschwistern auf dem Schloss von Militsch in Schlesien (heute Milicz in Polen) geboren. Der Gutsbesitz der preußischen Adelsfamilie, aus der sie stammte, umfasste 48.000 Morgen Land. Lebenslange Rebellin und ausgesprochen eigenwillig, kam Maria von Maltzan nicht gut mit ihrer konservativen, altmodischen Mutter aus. Bald nach dem Tod ihres Vaters kam die Zwölfjährige nach Berlin in ein Mädcheninternat. Die vornehme Erziehungsanstalt war sehr gefragt sowohl bei alteingesessenen Junkern aus Brandenburg-Preußen als auch bei wohlhabenden Juden aus Berlin, mit deren Töchtern von Maltzan bald ausgezeichnete Beziehungen pflegte. Ermutigt durch ihre Schulleiterin Marga von Kühlwein, setzte sich das aufgeweckte Mädchen über die Ablehnung ihrer Familie hinweg und legte erfolgreich das Abitur ab, das ihr den Weg zu akademischen Studien öffnete.
1932, kurz vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten, arbeitete Maria von Maltzan in München an einer naturwissenschaftlichen Doktorarbeit. Don engagierte sie sich in einer antinazistischen Organisation, die von dem Jesuitenpater Friedrich Muckermann gegründet worden war. Ihre Tätigkeit blieb der Gestapo nicht verborgen und im Laufe des Jahres 1933 wurde sie mehrfach verhört. Ihre antifaschistischen Überzeugungen entzweiten sie auch mit ihrem Bruder Carlos, einem begeisterten Sympathisanten des Regimes, der ihr den Zugang zum Familienbesitz in Schlesien verbot. Sie versöhnten sich erst kurz bevor Carlos 1940 in Frankreich fiel. Von da an hatte von Maltzan keinerlei Skrupel, den Namen ihres gefallenen Bruders oder den ihres berühmten Schwagers Feldmarschall Walter von Reichenau einzusetzen, um aufdringliche Nazibeamte abzuwehren.
Im Jahr 1933 war sie noch der Versuchung erlegen, den Verfolgungen durch das Regime zu entfliehen und nach Afrika zu gehen. Erst nach dem Tod ihrer Mutter 1935 war sie nach Deutschland zurückgekehrt und eine kurzlebige und stürmische Ehe mit dem Kabarettisten Walter Hillbring eingegangen. Danach hatte sie ein veterinärmedizinisches Studium in Berlin aufgenommen. 1938 zog sie in eine bescheidene Wohnung im Erdgeschoss des Hauses Detmolder Straße 11 in Berlin-Wilmersdorf und begann eine zusätzliche, geheime Karriere als Untergrundaktivistin und Retterin rassisch verfolgter Juden. 1939 machte sie die Leiterin ihres Internats, von Kühlwein, mit Hans Hirschel bekannt, dem Sohn eines jüdischen Richters aus Schlesien und einer wohlhabenden jüdischen Mutter. Hirschel, ein hochgebildeter Literat und Herausgeber einer angesehenen literarischen Zeitschrift, war arbeitslos, seit die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren. Die beiden verliebten sich – ungeachtet der Tatsache, dass ihre Affäre nach den Nürnberger Gesetzen als »Rassenschande« angesehen wurde, ein Vergehen, auf das die denkbar härtesten Strafen standen. Als Hirschel 1942 ebenso wie seine Mutter unmittelbar von der Deportation bedroht war, zog er heimlich in die Wohnung seiner Geliebten. Um seine Spuren zu verwischen, ließ die Gräfin ihn einen angeblichen Selbstmordbrief an seine Mutter schreiben. Wenige Wochen später wurde die alte Dame nach Theresienstadt deportiert, von wo sie nicht zurückkehrte.
Im September 1941 brachte von Maltzan ein frühgeborenes Kind zur Welt, das nach einem Tag im Brutkasten des Krankenhauses starb, da während eines Luftangriffs der Strom ausfiel. Als Vater gab sie einen schwedischen Freund, Eric Svensson, an, der sowohl verheiratet als auch homosexuell war. Gegen Ende des Jahres 1943 ließ die Gestapo, vermutlich aufgrund einer Denunziation, von Maltzans Wohnung gründlich von zwei Beamten durchsuchen. Hirschel hatte gerade noch genug Zeit, in den Kasten eines großen Schlafsofas im Wohnzimmer zu springen, der ihm als Versteck diente. Als einer der Gestapobeamten mit gezogener Pistole versuchte, den Bettkasten aufzuziehen, schlug von Maltzan ihm vor, doch einfach durch das Möbelstück hin-durchzuschießen. Zuvor wollte sie allerdings eine schriftliche Bestätigung von ihm, dass er den entstandenen Schaden bezahlen würde. Vor dieser Provokation wich der Nazischerge zurück, doch von diesem Zeitpunkt bis zum Kriegsende wurde das Haus von der Gestapo streng überwacht.
Völlig unabhängig von ihrer Liebesbeziehung zu Hirschel spielte von Maltzan eine wichtige Rolle bei den Rettungsbemühungen der Schwedischen Kirche in der Landhausstraße. Die drei nacheinander dort tätigen Geistlichen – Birger Forell, Erik Perwe und Erik Myrgren – waren alle an Untergrundakti-vitäten zugunsten politisch und rassisch verfolgter Opfer des nationalsozialistischen Regimes beteiligt. Von Maltzan kam durch einen evangelischen Vikar, Sivkovicz, mit der Schwedischen Kirche in Kontakt. Sie beteiligte sich an der geheimen Rettungsarbeit, indem sie zeitweilig Unterschlupf gewährte und versteckten Juden »arische« Papiere verschaffte.
Im Oktober 1944 beteiligte sich von Maltzan an einer kühnen Rettungsoperation, durch die zwanzig Juden in Eisenbahncontainern von Berlin nach Schweden geschmuggelt werden sollten. Die Schweden waren berechtigt, ihre Möbel in versiegelten Kisten außer Landes zu bringen. Aufgrund einer geheimen Absprache mit deutschen Eisenbahnangestellten, die durch den Sozialarbeiter Erik Wesseln ausgehandelt (und durch die Lieferung solch wertvoller Luxusgüter wie Kaffee und Zigaretten gesichert) worden war, sollte der Güterzug an einem vereinbarten Punkt am Stadtrand von Berlin noch einmal anhalten. Dort sollten die »illegalen« Juden den Zug besteigen und die Stelle der für Schweden bestimmten Möbel einnehmen. Von Maltzans Aufgabe war es, die versteckten Juden zu dem vereinbarten Treffpunkt zu bringen. Sie führte ihre Mission planmäßig durch, aber auf dem Rückweg fand sie sich im Wald plötzlich von SS-Leuten mit Taschenlampen und Suchhunden eingeschlossen. Um die Hunde abzuschütteln, schmierte sie sich mit Pferdedung ein, watete knietief im Wasser und verbrachte einen Tag und zwei Nächte versteckt in einem Baum. Als sie nach Berlin zurückkam, war sie am Rande des körperlichen Zusammenbruchs. Ein weiteres Mal entkam sie nur knapp, als die Gestapo in der Nacht des 10. September 1943 ein geheimes Treffen des »Kreisauer Kreises« im Heim von Elisabeth von Thadden überwachte. Alle Anwesenden wurden vier Monate später verhaftet. Von Maltzan, die zu dem Treffen eingeladen war, hatte eine Vorahnung, dass etwas passieren würde, und beschloss im letzten Moment fernzubleiben.
Insgesamt kann man davon ausgehen, dass von Maltzan auf verschiedenen Wegen bei der Rettung von ungefähr sechzig Menschen half, die Opfer der rassischen und politischen Verfolgungen durch die Nazis geworden waren – zusätzlich zu ihrem Lebenspartner und späteren Ehemann Hans Hirschel.
Am 19. Februar 1987 erkannte Yad Vashem Gräfin Maria von Maltzan als »Gerechte unter den Völkern« an. Die Verleihungszeremonie fand jedoch nicht statt, da die Gräfin aus politischen Gründen die Einladung in die israelische Botschaft ablehnte.
Literatur Maltzan, Maria Gräfin von: Schlage die Trommel und fürchte dich nicht! Erinnerungen. Frankfurt am Main und Berlin 1988. Gross, Leonard: Last Jews in Berlin, New York 1982. Bothe-von Richthofen, Felicitas: Widerstand in Wilmersdorf [= Schriftenreihe über den Widerstand in Berlin von 1933 bis 1945. Bd. 7], Berlin 1993.
(Fraenkel, Daniel (Hg.) (2005): Lexikon der Gerechten unter den Völkern. Deutsche und Österreicher. 2. Aufl. Göttingen: Wallstein, S. 189–191)
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