Fembio Specials Exilantinnen (1933-1945) Lu Märten Lu Märten, von Marianne Goch (1995)
Fembio Special: Exilantinnen (1933-1945)
Lu Märten, von Marianne Goch (1995)
Geboren als viertes Kind einer proletarisierten Beamtenfamilie, erlebte Lu Märten eine durch Armut und Krankheit geprägte Kindheit. Universitäten waren den Frauen noch verschlossen; so erarbeitete sie sich zu Hause ein reiches Wissen in Geschichte, Philosophie, Volkswirtschaft, Ethnologie und Kunstgeschichte.
Als 19jährige trat sie der SPD bei, derjenigen Partei, die programmatisch am entschiedensten verkündete, was Lu anstrebte: vollständige Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Eine kurze Ehe bestätigte ihre Einsicht, dass die Befreiung der Frau nur möglich war, wenn sie sich vom bürgerlichen Ideal der treusorgenden Hausfrau und Mutter befreite. In ihren frühen journalistischen Arbeiten propagierte Lu darum die Auflösung des Einzelhaushalts zugunsten genossenschaftlicher Haushaltungsformen. Die Erkenntnis, dass die Arbeiterbewegung bisher keine eigenständige Kultur entwickelt hatte, vielmehr lediglich die Kultur des Bürgertums kopierte, veranlasste sie 1924 zu ihrem wichtigsten Werk, Wesen und Veränderung der Formen (Künste), in dem sie eine marxistische Ästhetik entwickelte.
Nach einer reichen publizistischen Tätigkeit während der Weimarer Republik musste sie, die 1920 Mitglied der KPD geworden war, erleben, dass im Mai 1933 auch ihre Werke der Bücherverbrennung zum Opfer fielen. Sie konnte nicht mehr publizieren und geriet in Not, blieb aber ihrer sozialistischen Haltung treu. Im Widerstand verteilte sie Schriften und half der verfolgten Schriftstellerin Recha Rothschild bei ihrer Flucht durch Deutschland.
Nach 1945 nahm sie ihre publizistische Tätigkeit wieder auf, fand jedoch, wie so viele Weimarer AutorInnen, kaum noch Resonanz. Ihre Kunsttheorie geriet in Vergessenheit, denn im Westen war sie als Marxistin verpönt, im Osten als unorthdox.
So arbeitete sie als Lektorin und beim Aufbau der Volksbücherei Steglitz. Wirtschaftlich gesichert war sie durch eine Rente, die ihr der Magistrat von Groß-Berlin für ihre publizistische Tätigkeit auf Lebenszeit ausgesetzt hatte.
(Text von 1995)
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