Fembio Specials Berühmte Italienerinnen Katharina von Siena Eintrag im Evangelischen Kirchenlexikon (1997)
Fembio Special: Berühmte Italienerinnen
Eintrag im Evangelischen Kirchenlexikon (1997)
Katharina von Siena (Caterína di Benincasa; um 1347–1380), ital. Mystikerin. K. wurde in einfachen Verhältnissen in Siena geboren. Visionäre Erscheinungen veranlaßten sie frühzeitig zum Gelöbnis der Jungfräulichkeit. Um die Jahreswende 1364f schloß sie sich den Tertiarierinnen der Dominikaner an. Sie erwarb in der Folgezeit sich ein beträchtliches Maß an geistlicher Bildung und wurde zum Mittelpunkt eines aus Laien und Religiösen bestehenden Kreises. Die vornehmlich gebildeten Männer und Frauen aus der Toskana unterstützten auch später die des Schreibens unkundige K., die von 1370 an mit ihren »politischen« Gedanken in Erscheinung trat. Nach einer Vorladung K.s vor das Generalkapitel der Dominikaner in Florenz (1374) wurde Raimondo di Capua (ab 1382 Generalmagister des Ordens), ihr späterer Biograph, zu ihrem Beichtvater bestellt.
Zwischen 1375 und 1378 unternahm K. verschiedene Reisen, die sie u.a. nach Pisa, an den päpstli chen Hof nach Avignon (Sommer 1376), nach Florenz und in das Gebiet von Siena führten. Sie warb – offenbar ohne größeren Erfolg – für ihre Kreuzzugspläne und versuchte, verschiedene Streitigkeiten zu schlichten. Inwiefern ihr Drängen die Rückkehr Gregors XI. im Jan. 1377 nach Rom veranlaßte, ist nur schwer zu beurteilen. Ihr Einfluß auf dessen Nachfolger, Urban VI., ist jedoch unumstritten. Nach Ausbruch des Schismas (1378) verlagerte K. ihre Aktivitäten nach Rom, wo sie zwei Jahre später starb. 1461 wurde sie von Pius II. hl.gesprochen (Fest: 29. April) und 1970 zur Kirchenlehrerin erhoben.
K.s »politische« Aktivitäten sind vornehmlich in ihren 382 erhaltenen, nach ihrem Diktat auf Italienisch verfaßten Briefen dokumentiert. So rief sie zwischen 1370 und 1376 (in Avignon sah sie offenbar die Unmöglichkeit ihres Vorhabens ein) zum Kreuzzug auf, von dem sie sich die Bekehrung der Ungläubigen, die Befreiung der hl. Stätten, Buße und Läuterung des einzelnen Christen, aber auch die Reform der Kirche erhoffte. Wie Margareta di Cortona, Angela di Foligno, Clara di Montefalco oder Birgitta von Schweden ließ auch K., der als Frau die Wortverkündigung in der Kirche untersagt war, ihren Beichtvater zu ihrem Sekr. und Sprachrohr werden. Wenn sie Gregor XI. den Florentinern gegenüber als »wahren Christus auf Erden« bezeichnete, so drückte sich hierin eine prophetische Dimension aus, die K. mit einer Reihe ma. Frauen teilte: Eine Reform der Kirche von oben wurde erstrebt, indem die jeweiligen geistlichen und auch weltlichen Herrscher unter Androhung des Zornes Gottes und durch Erinnerung an die grenzenlose Liebe des geopferten Christus dazu gedrängt wurden, die ihnen aufgetragene Rolle wahrzunehmen. In ihrer Korrespondenz, bes. aber in dem zwischen Okt. 1377 und Sommer 1378 entstandenen »Dialog der göttlichen Vorsehung«, der weitgehend als Zwiegespräch zwischen K. und der Gottheit konzipiert ist, entwickelte K. ihre spiritualistischen und ekklesiologischen Vorstellungen, in deren Zentrum die Erlösungstat Christi steht Ihre Orientierung am leidenden Christus führte zum Versuch, sich in Christi Opfer durch den »Herzenstausch« hineinzuversetzen. K. betonte dabei wie andere Mystikerinnen auch ihren »eucharistischen Hunger« und stellte die Kirche als einen Garten dar, der vom Blut Christi benetzt sei. Der Papst habe dieses zu verwalten, die Priester seien mit dessen Austeilung beauftragt, selbst dann, wenn sie sich ihrer Aufgabe als unwürdig erweisen sollten. K.s Briefe aus dem letzten Lebensjahr in Rom zeugen schließlich von einer gewissen Ohnmacht und Resignation: Die Überwindung des Schismas erhoffte sie sich jetzt allein von der Barmherzigkeit Gottes.
K.s Denken wirkte v.a. in der Observantenbewegung des Dominikanerordens – vermittelt durch Raimondo di Capua – fort. Betonte die ältere Forschung insgesamt zumeist einseitig die politischen Aktivitäten K.s, so steht in neuerer Zeit ihr religiöses Denken zunehmend im Vordergrund.
(Antje Roggenkamp-Kaufmann. In: Fahlbusch, Erwin et al. (Hg.) (1997): Evangelisches Kirchenlexikon. Internationale theologische Enzyklopädie. Band 5: Register. 3. Auflage. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. S. 314 ff.)
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