Fembio Specials Berühmte Schweizerinnen Johanna Spyri Johanna Spyri, von Siegfried Carl
Fembio Special: Berühmte Schweizerinnen
Johanna Spyri, von Siegfried Carl
„Vom freundlichen Dorfe Maienfeld führt ein Fußweg durch grüne, baumreiche Fluren bis zum Fuße der Höhen, die von dieser Seite groß und ernst auf das Tal niederschauen.“ Dieser erste Satz des zum Weihnachtgeschäft 1879 bei F. A. Perthes in Gotha erschienenen ersten Heidi-Bandes „Heidis Lehr- und Wanderjahre“ – dem ein Jahr darauf der zweite Band „Heidi kann brauchen was es gelernt hat“ folgte – hat eine Literatur-Lese-Lawine losgetreten, die ihresgleichen sucht, und die Johanna Spyri zur Schweizer Literatur-Ikone werden ließ. Heidi hat sich verselbständigt und den Blick auf die heimelige Schweiz, wo die Welt noch in Ordnung ist und die Menschen glaubensfest und gesund im Einklang mit der Natur leben, weltweit beeinflusst.
Die Heidi-Romane sind der Gipfel eines umfangreichen Werks der wohl wichtigsten Schweizer Kinder- und Jugendbuchautorin des 19. Jahrhunderts, deren Werk heute überaus kritisch gesehen, ja zum Teil als unecht und „verlogen“ abgelehnt wird. Von Anfang an steht auf allen ihren Veröffentlichungen „Eine Geschichte für Kinder und auch für Solche, welche die Kinder lieb haben.“
Das Leben der aus guter Schweizer Familie aus dem Züricher Umland stammenden Autorin verläuft relativ ereignislos, wenn man von ihren literarischen Ausbrüchen und Erfolgen im letzten Lebensdrittel absieht. Die Kindheit auf dem Dorf über dem Zürichsee im Schoß der angesehenen Arztfamilie; die Mutter Meta Heusser-Schweizer hat sich als Lyrikerin religiöser Gedichte einen Namen gemacht und die junge Johanna zur Lyrik geführt. Die Jugendjahre verbringt sie bei ihrer Tante in Zürich, wo sie eine profunde Bildung erhält. 20jährig verlobt sie sich und ein Jahr später heiratet sie den Juristen und Redakteur Bernhard Spyri, ein Bewunderer Richard Wagners, der zu dessen engstem Zirkel während der Züricher Jahre zählt. Die Schwangerschaft mit ihrem einzigen Sohn Bernhard Diethelm ist überschattet von einer tiefen Depression, die sie mehrere Jahre gefangen hält und nachhaltig stark belastet; die Ehe ist nicht glücklich.
Allerdings macht ihr Mann Karriere, wird Züricher Stadtschreiber mit großzügiger Dienstwohnung, sodass die äußeren Umstände erträglich sind. Conrad Ferdinand Meyers Schwester Betsy, mit der sie eine lange tiefe Freundschaft verbindet, und der Kontakt zur Verwandtschaft ihrer Mutter in Bremen, die eine Freundschaft zu Cornelius Viëtor, dem Pastor der Liebfrauenkirche hervorbringt, geben ihr vielfältige Anregungen. Die Bitte Viëtors, in Bremen erbauliche Erzählungen drucken zu lassen, führt 1871 zur überaus beliebten ersten Veröffentlichung: „Ein Blatt auf Vrony’s Grab“. Nach dem ersten Kinderbuch „Heimathlos“ von 1878 ist zwei Jahre später mit „Heidis Lehr und Wanderjahre – von der Verfasserin von ‚Ein Blatt auf Vrony’s Grab‘“ – der Bann gebrochen, die Erfolgsgeschichte beginnt und Johanna Spyri hat für ihren Lebensabend in Zürich ausgesorgt.
(Text von 2024 aus dem Buch “...immer Luise” von Siegfried Carl; mit freundlicher Genehmigung des Verfassers).
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