Fembio Specials Künstlerinnen und Kunstförderinnen der GEDOK Yvonne Georgi
Fembio Special: Künstlerinnen und Kunstförderinnen der GEDOK
Yvonne Georgi
geboren am 29. Oktober 1903 in Leipzig
gestorben am 25. Januar 1975 in Hannover
deutsche Tänzerin, Choreographin und Ballettmeisterin
120. Geburtstag am 29. Oktober 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Yvonne Georgi gehört mit Gret Palucca und Hanya Holm zu den bekanntesten Schülerinnen von Mary Wigman und hat über Jahrzehnte als Tänzerin, Choreographin und Ballettmeisterin entscheidende Impulse gegeben. Zusammen mit Harald Kreutzberg begeisterte sie auf ihren Gastspielreisen in die USA während der 1920er Jahre das Publikum und inspirierte junge TänzerInnen wie z.B. José Limón.
Yvonne Georgi wurde am 29. Oktober 1903 als Tochter eines angesehenen Arztes und seiner über zwanzig Jahre jüngeren französischen Ehefrau in Leipzig geboren. Ungewöhnlich und geradezu erstaunlich ist, daß die Begabung dieser “Jahrhunderttänzerin”, die als Kind keinen Tanzunterricht hatte, fast zufällig bei einer Pantomimenaufführung im Haus einer Freundin entdeckt wurde: da war sie siebzehn Jahre alt, mit der Schule fertig und am Anfang einer Berufsausbildung als Bibliothekarin an der renommierten Deutschen Bücherei in Leipzig. Nebenbei beginnt sie nun ein Tanztraining. Schon bald führt sie eigene Tanzkreationen an den “bunten Nachmittagen für die Jugend” in einem Leipziger Kaufhaus auf.
Als Georgi spürt, daß Tanzen für sie nicht nur ein Hobby ist, sondern ihr Lebensinhalt, bricht sie ihre Ausbildung zur Bibliothekarin ab und übersiedelt nach Hellerau an die Dalcroze-Schule. Ihre Eltern unterstützen sie zwar, sind aber wenig begeistert, besonders der Vater ist gegen eine berufliche Ausbildung zur Tänzerin.
Sie bleibt nur knapp zwei Monate in Hellerau: der Unterricht ist ihr zu “rhythmisch-gymnastisch”. Sie stellt sich bei Mary Wigman vor, die sie bei einem Tanzabend in Leipzig erlebt hat, und wird in Wigmans Dresdner Schule aufgenommen. Schon ein halbes Jahr später tritt sie zum ersten Mal in der Gruppe zusammen mit Mary Wigman auf, und im Dezember 1921 wirkt sie in der Frankfurter Uraufführung von Wigmans berühmten “Sieben Tänzen des Lebens” mit. Zwei Jahre später erlebt ein begeistertes Publikum Georgi in Solo-Tanzabenden oder als Duo zusammen mit Gret Palucca. Im Herbst 1924 holt Kurt Joos sie als Solotänzerin an das Stadttheater von Münster, und zur Spielzeit 1925/26 wird sie jüngste Ballettmeisterin Deutschlands am Reußischen Theater in Gera.
Von Anfang an zeigt Georgi eine Vorliebe für moderne Komponisten. Nach dem erfolgreichen Jahr in Gera geht Georgi als Ballettmeisterin an die Städtischen Bühnen Hannover und eröffnet eine eigene Schule für Tanz. Unter ihrer Ägide entwickelt sich Hannover zu einem Zentrum für modernen Tanz; ihre Aufführungen finden international Beachtung, Einladungen zu Gastspielen folgen. Schon zu ihrem ersten Ballettabend im Dezember 1926 tanzt Harald Kreutzberg als Gast der Berliner Staatsoper die Hauptrolle in Petruschka; 1927 kommt Kreutzberg ganz als Solotänzer zu Georgi. In diese Zeit fallen auch die ersten Duo-Tanzabende Georgi-Kreutzberg; auf Fotos lassen sich heute noch die Harmonie und Übereinstimmung, die Schönheit der Bewegungen und Formen der beiden ebenbürtigen Persönlichkeiten nachempfinden.
Bis zum Ende der Spielzeit 1931/32 bleibt Georgi in Hannover, dann trennen sich auch die Wege von Kreutzberg und Georgi, die im Januar 1932 in Holland den Feuilletonchef von De Telegraaf heiratet. Damit löst Georgi keineswegs ihre Verbindung nach Hannover. Mit Halbjahresverträgen holen die HannoveranerInnen ihre Georgi wieder an ihr Theater.
Durch die Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland wird es für Georgi immer schwerer, ihre Amsterdamer Schule und Aktivitäten und die Arbeit in Hannover zu vereinigen; 1936 siedelt Georgi endgültig nach Amsterdam um. Dort arbeitet sie für die Wagnervereinigung und versucht ein niederländisches Nationalballett aufzubauen. Mit ihrer Balletttruppe bildet sie regelmäßig den Höhepunkt der Saison in Scheveningen.
Anfang der 1950er Jahre wird Georgi zuerst Ballettmeisterin der Abraxas-Kompanie und geht danach für drei Spielzeiten an die Städtischen Bühnen Düsseldorf. Anders als in Düsseldorf findet Georgi ab 1954 in Hannover am Landestheater ideale Bedingungen für ihre Tätigkeit als Ballettmeisterin und ihren Plan, eine hochqualifizierte Balletttruppe mit einem modernen aufsehenerregenden Repertoire aufzubauen. Dem Ballett werden neben den obligatorischen Auftritten in Oper und Operette eigene Abende garantiert, und Georgi wird gleichzeitig Leiterin der Tanzabteilung an der Hochschule für Musik und Theater. 1959 wird sie zur Professorin ernannt.
In Hannover kann Georgi ihre Vorstellungen von einer Synthese zwischen Ballett und Freiem Tanz verwirklichen. Unter ihrer Ägide erlebt die Stadt zahlreiche Uraufführungen, unter anderem 1957 Elektronisches Ballett nach der Musik von Henk Badings. Aber nicht nur aufregende Inszenierungen, große Handlungsballette, Kammerballett-Aufführungen im Ballhof, Mitwirken an den Festspielen in Herrenhausen etc. machen die Ära Georgi unvergeßlich. Möglich wurde eine so langdauernde, krisenfreie, vertrauensvolle Zusammenarbeit über zwei Jahrzehnte erst durch ihr Engagement und Verständnis für ihre TänzerInnen.
Verfasserin: Adriane von Hoop
Literatur & Quellen
Bremser, Martha u.a. 1993. International Dictionary of Ballet, vol. 1. Detroit; London. St. James Press.
Cohen, Selma Jeanne. 1998. International Encyclopedia of Dance. vol. 3. New York; Oxford. Oxford University Press.
Koegler, Horst. 1963. Yvonne Georgi. Friedrich. Velber bei Hannover.
Regitz, Hartmut Hg. 1984. Tanz in Deutschland. Berlin. Quadriga Verlag J. Severin.
Schäfer, Rolf. 1974. Yvonne Georgi. Braunschweig.
Schmidt, Jochen. 2002. Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts in einem Band. Berlin. Henschel.
Wille, Hansjürgen. 1930. Harald Kreutzberg – Yvonne Georgi. Leipzig
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.