Fembio Specials Exilantinnen (1933-1945) Victoria Wolff
Fembio Special: Exilantinnen (1933-1945)
Victoria Wolff
(Gertrud Victoria Victor [Geburtsname], Victoria Wolf [1. Ehename], Victoria Wolff [2. Ehename], Pseudonyme: Ellinor Colling, Claudia Martell, Hans Baysen )
geboren am 10. Dezember 1903 in Heilbronn
gestorben am 16. September 1992 in Los Angeles/Kalifornien (USA)
deutsch-US-amerikanische Schriftstellerin und Drehbuchautorin
120. Geburtstag am 10. Dezember 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
1903 in Heilbronn in eine angesehene jüdische Familie geboren, fing Trude Victor, wie sie damals noch hieß, schon als Schülerin an zu schreiben. Da es keine „Stammhalter“ in der Familie gab, sollte sie das Abitur machen, studieren und in den Familienbetrieb, die „Lederfabrik Heilbronn Gebrüder Victor“, einsteigen. So ging sie dann zwar als eins der ersten Mädchen auf das Heilbronner Knaben-Realgymnasium, aber nach drei Semestern Studium der Naturwissenschaften in Heidelberg und München reichte es ihr; sie brach ab und wandte sich ihrer wahren Leidenschaft, dem Schreiben, zu.
1927 heiratete sie den Textiltechniker Alfred Wolf. Etwa zur gleichen Zeit fing sie an, ihre ersten Reportagen und Reisebeschreibungen für die bürgerlich-liberale Heilbronner Neckar-Zeitung zu schreiben. Diverse Reisen mit dem eigenen Automobil brachten sie Anfang der 1930er Jahre in zahlreiche Länder Europas sowie nach Russland. Bald schrieb sie auch für die Feuilletons diverser Zeitungen wie der Frankfurter Zeitung, des Stuttgarter neuen Tageblatts, der Kölnischen Zeitung, sowie für die Berliner Illustrierte Die Dame. Auch für den Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart arbeitete sie.
Bereits durch ihre beiden ersten Bücher, Eine Frau wie du und ich (1932), eine Romanbiografie der Schriftstellerin George Sand und Mädchen wohin? (1933, dessen Vorabdruck im gleichen Jahr in der Kölnischen Zeitung erschien), erreichte sie eine vielversprechende Bekanntheit. In ihrem zweiten Roman hatte sie ihre kurzen Erfahrungen als Studentin verarbeitet. Für ihren nächsten Roman Eine Frau hat Mut (1933) ging sie gleich undercover: Da sie die Arbeits- und Lebenswelt weiblicher Angestellter möglichst authentisch darstellen wollte, arbeitete Wolf eine Zeitlang inkognita in der Damenkonfektionsabteilung eines großen Kölner Warenhauses.
Kurz nach Erscheinen des Romans, der bereits nach zwei Monaten ausverkauft war, wurde ihr Aufnahmegesuch vom Reichsverband Deutscher Schriftsteller aufgrund ihrer jüdischen Herkunft abgelehnt. Die Mitgliedschaft war jedoch Voraussetzung für weitere Veröffentlichungen, zu denen Wolf nun in Deutschland keine Gelegenheit mehr sah. Ab 1939 wurden ihre sämtlichen Schriften verboten.
Nachdem am 1. April 1933 auch noch zum „Allgemeinen Judenboykott“ aufgerufen wurde, sah sie für sich keine Möglichkeit mehr, weiterhin in Deutschland zu leben und zu arbeiten. Daher ging sie im Frühjahr 1933 mit ihren beiden Kindern nach Ascona in der Schweiz, das sie bereits von früheren Ferienaufenthalten kannte und euphorisch beschrieben hatte. Ihr Mann blieb jedoch in Heilbronn und besuchte sie nur an den Wochenenden.
Ascona wurde zu dieser Zeit zum Fluchtort für ExilantInnen aus Deutschland und Italien. Wolf fand dort, was sie in Heilbronn vermisst hatte: die Unterstützung und Zusammenarbeit mit anderen. Insofern waren die Jahre, die sie dort verlebte, inspirierend für sie. Eine enge Freundschaft verband sie vor allem mit den Schriftstellern Leonard Frank, Erich Maria Remarque und Ignazio Silone, sowie mit der Schauspielerin Tilla Durieux. Durch den Austausch mit ihnen wurde sie in ihrer literarischen Produktivität angeregt, und so konnten während der Jahre in Ascona mehrere Romane erscheinen: 1935 Gast in der Heimat, ein autobiografischer Roman, in dem sie das Aufkommen der Nationalsozialisten in einer schwäbischen Kleinstadt beschreibt sowie die unvermeidliche Emigration der Hauptperson, 1934 Die Welt ist blau, ein leichter Sommer-Roman, 1937 Drei Tage, ein Arztroman, 1937 unter dem Pseudonym Ellinor Colling Glück ist eine Eigenschaft sowie 1938 Das weiße Abendkleid, der als Fortsetzungsroman in der Basler National-Zeitung erschien. Ihren Roman Drei Tage arbeitete sie zu ihrem einzigen Theaterstück um. Die Aufführung in Wien musste jedoch nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich abgesetzt werden.
Jedes Jahr musste Victoria Wolf bei der Eidgenössischen Fremdenpolizei die Verlängerung ihrer Aufenthalts- sowie Arbeitsgenehmigung beantragen. Diese wurde bis 1938 anstandslos gewährt. Sie hatte jedoch nur eine eingeschränkte Arbeitsgenehmigung, d.h. sie musste sich auf das Publizieren von Büchern beschränken und durfte nicht in Schweizer Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichen. Durch eine Denunziation kam jedoch heraus, dass sie dieses Verbot unterlaufen und sowohl unter Pseudonym als auch anonym veröffentlicht hatte. Daraufhin wurde sie zum 1. Juli aus der Schweiz ausgewiesen, und so ging sie mit ihren beiden Kindern nach Frankreich. Dort geriet sie unter Spionageverdacht und verbrachte sechs Wochen mit ihren Kindern in einem Gefängnis. Nur unter großen Schwierigkeiten und mit Hilfe von FreundInnen und Verwandten gelang ihr im Februar 1941 die Flucht über Spanien und Portugal in die USA. Diese Zeit verarbeitete sie später in ihrem Roman Keine Zeit für Tränen.
Ihre beiden Kinder brachte sie erst einmal bei ihrer Schwester in Los Angeles unter, während sie selber in New York blieb, wo sie Vorlesungen über englische Literatur besuchte und Seminare über Short Story Writing besuchte.
Anders als vielen anderen ExilantInnen, die ihr Glück in Hollywood versucht hatten, gelang Wolf 1943 der Durchbruch als Drehbuchautorin mit der Verfilmung ihres Romans Das weiße Abendkleid, das 1941 in London unter dem Titel The White Evening Dress in Übersetzung erschienen war. Nun wurde es als Tales of Manhattan verfilmt.
Nachdem sie sich bereits 1945 von ihrem ersten Ehemann hatte scheiden lassen, heiratete sie 1949 den Kardiologen Dr. Erich Wolff. Nach einem nervenaufreibenden Prozess um Urheberrechte zog sie sich aus dem Filmgeschäft zurück, um sich wieder ganz ihrer schriftstellerischen Arbeit widmen zu können.
In Deutschland wurde der Roman Das weiße Abendkleid bereits 1951 neu aufgelegt, was ihr den neuerlichen Zugang zum deutschen Buchmarkt ermöglichte. In den nächsten Jahren konnte Wolff noch neun weitere erfolgreiche Unterhaltungsromane veröffentlichen, bevor sie am 16. September 1992 in Los Angeles starb.
(Text von 2013)
Auszeichnungen: 1972: Certificate of Merit for Distinguished Historical Biography, London Hollywood Foreign Press Association (Los Angeles)
Verfasserin: Doris Hermanns
Literatur & Quellen
Literatur über Victoria Wolff
Heimberg, Anke: Victoria Wolff (1903 – 1992) in: Britta Jürgs (Hg.): Leider hab ich´s Fliegen ganz verlernt. Portraits von Künstlerinnen und Schriftstellerinnen der Neuen Sachlichkeit. Berlin, AvivA, 2000
Heimberg, Anke: Nachwort von Das weiße Abendkleid. Berlin, AvivA 2006
Heimberg, Anke: Nachwort von Die Welt ist blau. Berlin, AvivA 2008
Wall, Renate: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil 1933 bis 1945, Band 2. Freiburg, Kore, 1995
Victoria Wolff in der Deutschen Nationalbibliothek
Werke von Victoria Wolff
Eine Frau wie du und ich. Roman der Liebe um George Sand. 1932
Mädchen wohin? 1933
Eine Frau hat Mut. 1933
Die Welt ist blau. Ein Sommer-Roman. 1934 (Neuauflage: Berlin, AvivA 2008)
Gast in der Heimat. 1935
Drei Tage. 1937 (verfilmt unter dem Titel Der gebieterische Ruf)
Glück ist eine Eigenschaft. 1937
Every Man for Herself. 1943
König im Tal der Könige. 1945
Das weiße Abendkleid. 1951. (Neuauflage: Berlin, AvivA 2006)
Keine Zeit für Tränen. 1954 (gekürzte Neuauflage 1969 unter dem Titel Die Zeit der Tränen geht vorbei)
Liebe ist immer anders. 1955
Stadt ohne Unschuld. 1956 Ein anderer Mann. 1962
Bräute für Amerika. 1962
Lügen haben kurze Beine. 1964
Mutter und Tochter. 1964
Liebe auf Kap Kennedy. 1970
Fortsetzungsromane in der Basler National-zeitung
Das weiße Abendkleid. 1938/39
Geflügelte Sonne. 1940/41
Keinen Schritt rückwärts. 1945/46
Das listige Herz. 1965
Die Notlüge. 1949
Dreimal Carol Hansen. 1952
Drehbücher
Tales of Manhattan. 1942 (nach: The White Evening Dress)
Tal der Könige. 1954 (OT: Valley of Kings)
Salute to a Lady
The Careful Dreamer (Mitarbeit)
He Married his Widow (Mitarbeit)
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