Fembio Specials Berühmte Schwestern berühmter Frauen / Berühmte Schwestern Vanessa Bell
Fembio Special: Berühmte Schwestern berühmter Frauen / Berühmte Schwestern
Vanessa Bell
(Vanessa Bell, geb. Stephen)
geboren am 30. Mai 1879 in London
gestorben am 7. April 1961 in Charleston, Sussex
englische Malerin und Designerin; Schwester von Virginia Woolf
145. Geburtstag am 30. Mai 2024
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Vanessa Bell, Virginia Woolfs geliebte und bewunderte ältere Schwester, wurde eine bekannte Malerin und war wie Virginia ein prominentes Mitglied der von ihr ins Leben gerufenen Londoner “Bloomsbury Group” – einer losen Verbindung von KünstlerInnen und Intellektuellen Anfang des vorigen Jahrhunderts, benannt nach ihrem Treffpunkt, der im Londoner Stadtteil Bloomsboury gelegenen Wohnung der vier Stephen-Kinder Vanessa, Thoby, Virginia und Adrian. Vanessa, die bis zum Tod des Vaters im Februar 1904, also von ihrem 18. bis zum 25. Lebensjahr, neben ihrem Studium an der Royal Art School den jüngeren Geschwistern und dem hypochondrischen Vater als Familiensklavin ihre verstorbene Halbschwester Stella und die verstorbene Mutter ersetzen mußte, hatte das damals noch ganz unpopuläre Bloomsbury als passendes Domizil für sich selbst und ihre Geschwister aufgetan. Alles, was mit der Welt der Eltern zu tun hatte, wollte sie weit hinter sich lassen. Einen der jungen Männer aus diesem Kreis, den Kunstkritiker Clive Bell, heiratete Vanessa 1907.
Sie hatte mit ihm zwei Söhne, Julian, der 1937 im spanischen Bürgerkrieg starb, und Quentin, den späteren Biographen Virginia Woolfs. Vater ihrer Tochter Angelica war Vanessas große Liebe, der bisexuelle Maler Duncan Grant. Angelica erfuhr erst mit neunzehn, daß der Mann, mit dem sie aufgewachsen war (Duncan blieb in Vanessas Landhaus in Charleston um den Preis, daß sie seine Liebhaber tolerierte), ihr Vater war. Angelica heiratete schließlich David Garnett, Duncans Liebhaber. Die Bloomsbury Group hielt wenig von bürgerlicher Moral; besonders liberal war Vanessa, und sie zahlte einen hohen Preis dafür.
Der bedeutende Kunstkritiker Roger Fry, über den Virginia Woolf nach seinem Tod ihre einzige Biographie schrieb, machte Vanessa ab 1910 mit den französischen Postimpressionisten und mit der Welt des Designs bekannt – diesem Teil ihrer Interessen verdanken wir z.B. Vanessas Buchumschläge für Virginias Werke.
Besonders Matisse mit seinen kräftigen Farben und grob umrissenen Formen wurde Vanessa zum Vorbild. Was Vanessa damals mit ihrer Kunst zum Ausdruck bringen wollte und mit Worten wie “Festigkeit” und “Üppigkeit” umschrieb, mütterliche Großzügigkeit, Sinnlichkeit und Monumentalität, das hatte vor ihr schon die 1907 mit 31 Jahren verstorbene Paula Modersohn-Becker gewollt und verwirklicht. Vanessas “natürliches” Vorbild wäre Modersohn-Becker gewesen, aber die Bloomsbury Group war frankophil und hielt nichts von deutscher Kunst: “Warum geht ein vernünftiger Mensch nach Deutschland? … Unser Hotel war komfortabel und das Essen sehr gut, der Zug luxuriös und für alle Bedürfnisse war gesorgt. Aber der Horror ist unsagbar. Das ganze Land ist senf- und pfefferfarben. Die Frauen sind ohne Ausnahme häßlich und schlecht angezogen. Aber das Schlimmste ist die Kunst. Sie ist überall, kein Haus, keinen Zug läßt man in Ruhe. Alles ist gepflastert mit kultivierter deutscher Kunst. Es wurde so aufdringlich, daß man sich nach England sehnte.” (Vanessa an Virginia, 1912, zit. nach Spalding 1990:107f). Vanessa Bell scheint die Bilder ihrer großen deutschen Zeitgenossin (Paula war nur drei Jahre älter) zeitlebens nicht zur Kenntnis genommen zu haben.
In den 1920er Jahren hatte Vanessa ihre größten Erfolge; die dreißiger und vierziger Jahre brachten Kriege und große persönliche Verluste. Ihr letztes Jahrzehnt verlebte Vanessa friedlich und entspannt mit ihrem Lebensgefährten Duncan in ihrem Landhaus in Charleston, Sussex (vgl. http://www.charleston.org.uk/), aus dem die beiden ein berühmtes Gemeinschaftskunstwerk gemacht haben.
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
Wenn du nicht da bist, verschwindet die Farbe aus dem Leben, wie Wasser aus einem Schwamm; und ich existiere nur noch, trocken und staubig. (Virginia Woolf an ihre Schwester Vanessa Bell)
Literatur & Quellen
Bell, Vanessa. 1974. Notes on Virginia's Childhood: A Memoir. Hg. Richard F. Schaubeck, Jr. New York. Hallman.
Bell, Vanessa. 1993. Selected Letters of Vanessa Bell. Hg. Regina Marler. London. Bloomsbury.
Caws. Mary Ann. 1990. Women of Bloomsbury: Virginia, Vanessa and Carrington. New York; London. Routledge.
Dunn, Jane. 1990. A very Close Conspiracy: Vanessa Bell and Virginia Woolf. Boston. Little Brown.
Garnett, Angelica. 1984. Freundliche Täuschungen (=Deceived with Kindness: A Bloomsbury Childhood). Frankfurt/M. Fischer TB.
Humm, Maggie. 2002. Modernist Women and Visual Cultures: Virginia Woolf, Vanessa Bell, Photography and Cinema. Edinburgh. Edinburgh Univ. Press.
Lee, Hermione. 1999 [1996]. Virginia Woolf. Frankfurt/M. Fischer.
Shone, Richard. 2002. The Art of Bloomsbury: Roger Fry, Vanessa Bell and Duncan Grant. Princeton. Princeton Univ. Press.
Spalding, Frances. 1983. Vanessa Bell. San Diego; New York; London. Harcourt, Brace, Jovanovich.
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