Fembio Specials Frauenbeziehungen Tove Jansson
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Tove Jansson
(Tove Marika Jansson)
geboren am 9. August 1914 in Helsinki, Finnland
gestorben am 27. Juni 2001 in Helsinki, Finnland
finnische Malerin, Karikaturistin, Grafikerin, Comic-Zeichnerin, Illustratorin und Schriftstellerin, Dramaturgin und Bühnenbildnerin
110. Geburtstag am 9. August 2024
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
“Studio” war für sie ein anderes Wort für „Zuhause“, waren ihre Eltern doch beide KünstlerInnen: Ihr Vater, der finnlandschwedische Bildhauer Viktor Jansson, genannt Faffan, und ihre aus Schweden stammende Mutter Signe Hammarsten, genannt Ham, Illustratorin. Und so wuchs Tove Jansson mit ihren beiden jüngeren Brüdern in einer Umgebung auf, in der das Wichtigste im Leben war, Kunst zu schaffen. Arbeit und Leben waren in ihrer Familie nie getrennt, ständig entstand Neues.
Während sie mit ihrem Vater – einem antisemitischen Patrioten - eine Art Hass-Liebe verband, da ihre gesellschaftlichen Vorstellungen so weit voneinander entfernt lagen, dass sie lange Zeit beide nicht in der Lage waren, den/die andere zu verstehen, stand ihre Mutter ihr zeitlebens sehr nahe. Sie war ihre erste Lehrerin, und auf ihrem Schoß lernte Tove zeichnen. Mütterlicherseits kam sie aus einer Familie von Geschichten-ErzählerInnen, schon Wilma Lindhé, die Schwester von Hams Vaters, war eine wichtige Autorin der 1880er Jahre, die das Spannungsverhältnis zwischen Familie und Beruf für Frauen in ihren Werken thematisiert hatte.
Tove Jansson arbeitete bereits in jungen Jahren als Illustratorin. Ihre ersten Zeichnungen wurden gedruckt, als sie erst 14 Jahre alt war. Ein Jahr später fertigte sie schon Zeichnungen für verschiedene Zeitungen an, auch ihre ersten Comics wurden zu dieser Zeit veröffentlicht.
Sie hasste Schulen, verglich sie gar mit Gefängnissen. Mit 16 durfte sie die Schule, in der sie sich hauptsächlich langweilte, abbrechen und ein Kunststudium in Stockholm beginnen. Dort studierte sie von 1931 bis 1933 an der Technischen Schule, wo sie sich als Buchillustratorin und Werbezeichnerin spezialisierte. Da sie diesen Schwerpunkt an sich langweilig fand, entwickelte sie sich bewusst auch in anderen Bereichen, wie der Malerei, vor allem der Dekorationsmalerei, was später für sie wichtig wurde, da sie zahlreiche monumentale Dekorationsmalereien, z.B. für Kindergärten, Restaurants und Schulen, in ganz Finnland anfertigte.
Jansson war bereits als Mädchen und junge Frau sehr ehrgeizig. Sie wollte Geschichten erzählen und schreiben, wollte diese veröffentlicht und gelesen sehen, sie wollte für ihren eigenen Unterhalt aufkommen und ihre Familie unterstützen.
Nach Beendigung des Studiums ging sie zurück nach Helsinki, wo sie mit Unterbrechungen von 1933 bis 1936 die Malklasse an der Zeichenschule des Kunstvereins besuchte. Bei einer erste Reise nach Paris entdeckte sie die Impressionisten, die sie sehr beeindruckten. Sie studierte vor allem Matisse, den sie sehr schätzte, sowie die Werke von Suzanne Valadon. Während eines zweiten Frankreich-Aufenthalts 1938 probierte sie mehrere Kunstschulen aus, bevor sie sich für das Atelier d'Adrien Holy entschied. Sie wollte ihren eigenen Weg gehen – allein und frei, wie es ihr Ideal war – und ihren eigenen Stil finden. Ihr Aufenthalt in der Bretagne zählt zu ihren produktivsten Zeiten; sie malte dort vorrangig Strandbilder. Anschließend besuchte sie das bereits vom Faschismus gezeichnete Italien, schnell reisend und gierig nach neuen Eindrücken, wohl wissend um den drohenden Krieg. Ab 1933 schrieb sie bereits Erzählungen, die teils auf Schwedisch, teils auf Finnisch veröffentlicht wurden. Auch über ihre Reisen schrieb sie immer wieder für verschiedene Zeitungen.
Zurück in Finnland beteiligte sie sich aktiv an Veranstaltungen der Kunstszene, und ihre Werke waren ihn zahlreichen kleineren und großen Ausstellungen vertreten. Sie galt schnell als junges, kühnes, vielversprechendes Talent.
Die Kriegsjahre waren für Tove Jansson die schwierigsten Jahre ihres Lebens. Während sie sich wünschte, gar nicht mehr zu leben, wurde diese Zeit doch ausgesprochen produktiv. Worte spielten dabei wie immer eine große Rolle; sie versuchte sich in neuen Formen des Schreibens. Neben dem Verkauf ihrer Bilder hatte sie zu dieser Zeit ein festes Einkommen als Illustratorin von Kunstpostkarten und diversen Zeitungen. Die hoch geschätzte Grafikerin galt als Finnlands beste Karikaturistin. Für die liberale Zeitschrift Garm, für die auch ihre Mutter gearbeitet hatte, zeichnete und schrieb Tove Jansson ab 1929 und übernahm dabei einen immer größer werdenden Teil der Illustrationen. Es waren vor allem politische Zeichnungen; kühn interpretierte sie die Stimmungslage ihrer Zeit und bewies dabei großen Mut. Während sich viele andere aus Angst vor einer möglichen Besatzung durch das faschistische Deutschland bzw. die Sowjetunion zurückhielten, zeigen ihre Illustrationen ihren abgrundtiefen Kriegshass, ihren Antifaschismus und Pazifismus - während Kriegsverherrlichung die offizielle Landespolitik war. Immer wieder war die Zeitung dadurch von der Zensur bedroht und lief ständig Gefahr, wegen Beleidigung angeklagt zu werden.
Neben ihrer Arbeit als Illustratorin malte Tove Jansson auch weiter, zur Zeit des Krieges hauptsächlich Blumenstillleben, und vor allem wurden in der Zeit die Wesen erschaffen, die sie später weltberühmt machen sollten: die Mumins. Erst war es nur ein kleiner Snork bei ihrer Unterschrift unter ihren Zeichnungen, aber 1945 erschien bereits ihr erstes Mumin-Buch, das zweite folgte ein Jahr später. Hatte sie die Geschichten noch anfangs für sich selber erfunden, mit denen sie sich eine Alternative, einen Weg aus der Trostlosigkeit des Kriegsalltags und somit eine Zuflucht als kurzzeitiges Entkommen geschaffen hatte, so schrieb sie auf Bitte ihres damaligen Partners Atos Wirtanen, dem Chefredakteur der Zeitung Ny Tid, ab 1947 ihre ersten Mumin-Comics. Als diese dann ab 1954 in den Londoner Evening News erschienen, begannen sie ihren Erfolgszug um die Welt. Wo Tove Jansson als Malerin bekannt werden wollte, wurden es ihre Mumins, die sie weltberühmt machten. Zu ihrer Glanzzeit wurden die Comics in 40 Ländern gleichzeitig publiziert und erreichten damit etwa 20 Millionen Lesende. Sie galt als Ausnahmeerscheinung aufgrund des nahtlosen Miteinanders von Text und Bild in ihren Comics. Bis heute gibt es weltweit immer wieder Neuauflagen der Bücher, der Comics, der Theaterstücke, es gibt diverse Verfilmungen, sogar eine Oper. Eine ganze Mumin-Industrie ist entstanden.
Die Mumins stehen für die heimische, vertraute und sichere Welt. In den Geschichten geht es um den Umgang mit Angst und den einfachen Dingen im Leben, das im Wesentlichen vom Meer, den Stürmen, den steilen Felsen und Schluchten, den Blumen und dem undurchdringlichen Wald bestimmt wird. Eine pädagogische Absicht verfolgte sie damit nicht. Können die ersten fünf Bände noch als Kinderbücher gelesen werden, in denen es um das Bestehen von Abenteuern, der Bewältigung von Angst geht und die Heimkehr in eine sichere Welt, so widmet Jansson sich in den letzten drei Bänden mehr dem Innenleben der Figuren und wendet sich damit eher an Erwachsene. Toleranz und Freundlichkeit bilden jedoch in allen Bänden die Basis für den Umgang miteinander.
Nachdem sie sich für sieben Jahre bei den Evening News auf die Comics festgelegt hatte, übernahm später ihr Bruder Lars, mit dem sie bis dahin eng zusammen gearbeitet hatte, diese Aufgabe für die nächsten 15 Jahre. Der Reiz war für sie verflogen, sie hatte genug von diesem Dauerstress, der ihr keine Zeit zu etwas anderem mehr gelassen hatte. Erst Ende der 1950er Jahre widmete sie sich wieder der Malerei und hatte in den 1960er Jahren mehrere Einzelausstellungen. Ihr Lieblingsobjekt war dabei immer das Meer, aber auch Selbstbildnisse entstanden zeitlebens.
Zudem nahm sie in dieser Zeit umfangreiche Illustrationsaufträge an, so z.B. für Lewis Carolls „Alice im Wunderland“ und Tolkiens „Hobbit“.
Die Beziehung ihrer Eltern hatte Tove Jansson bereits früh deutlich gemacht, was es hieß, als Künstlerin mit einem Künstler zusammen zu sein: Sie sah, welche Abstriche ihre Mutter, die ebenfalls Kunst studiert hatte, machte; sie war immer diejenige, die sich um die Kinder und den Familienalltag kümmerte – und um den Lebensunterhalt der Familie. Trotzdem blieb sie als Frau ihm Schatten ihres Mannes, wie sie es auch bei anderen ausgebildeten Künstlerinnen sah, die die wirtschaftliche Verantwortung für ihre Familien übernahmen. Das war jedoch nicht, was sich ihre Tochter vom Leben vorstellte: Für Tove Jansson stand ihr Leben lang ihre Arbeit im Vordergrund, danach kam die Liebe. Sie sah sich vor der Entscheidung, entweder eine schlechte Künstlerin oder eine schlechte Ehefrau zu werden.
Nach mehreren Beziehungen mit Künstlern, wie den Malern Sam Vanni und Tapio Tapiovaana, hatte Tove Jansson 1946 ihre erste Liebesbeziehung mit einer Frau, der Theaterdirektorin Vivica Bandler. Auch wenn diese Beziehung nicht lange andauerte, so wurde sie doch zum Wendepunkt in Janssons Leben. Die Liebe bereicherte ihre schöpferische Arbeit, sie wurde ruhiger und konnte ihren übertriebenen Ehrgeiz hinter sich lassen. Sie fühlte sich durch sie nicht mehr so mädchenhaft naiv, hatte eine neue Freiheit gewonnen und gemerkt, dass sie mutiger sein konnte. Die Freundschaft der beiden Frauen blieb ihr Leben lang bestehen und immer wieder arbeiteten sie auch zusammen, so z.B. an den Theateraufführungen der Mumin-Stücke. Auch übersetzte Vivica Bandler zusammen mit ihrem Mann die ersten Mumin-Bände ins Deutsche.
Zu einer Zeit, in der in Finnland Homosexualität noch unter Strafe stand - bis 1971 galt sie als Verbrechen, bis 1981 als Krankheit – lebte Jansson ihre Liebesbeziehungen auch öffentlich aus. Sie sprach nie darüber, machte aber auch kein Geheimnis daraus und wurde so zu einem Vorbild für Homosexuelle in Finnland.
1955 lernte sie dann ihre Lebenspartnerin kennen: Tuulikki Pietilä, wie sie eine bildende Künstlerin; sie hatten sich bereits flüchtig an der Kunstschule gekannt, bevor sie sich jetzt wiedertrafen und für den Rest ihres Lebens zusammenblieben. Mit ihr konnte Tove Jansson endlich ausleben, was sie sich von einer Beziehung erhofft hatte: den Traum einer Beziehung zwischen zwei selbstständigen, sich ergänzenden und gemeinsam arbeitenden Menschen. Beide hatten getrennte Ateliers in Helsinki, die jedoch durch einen Gang verbunden waren.
Als Anfang der 1970er Jahre ihre Karriere als Kunstmalerin anfing zu verblassen, widmete sie sich verstärkt wieder dem Schreiben, damit war für sie nun eine größere Herausforderung verbunden als mit der Malerei. Sie richtete sich mit ihren Geschichten jetzt explizit an Erwachsene. Während eines Paris-Aufenthaltes 1975 erwachte während einer Schreibblockade ihre lange vermisste Lust am Malen wieder. Mit ihrer Lebensgefährtin Tuulikki Pietilä bereiste sie die ganze Welt, und gemeinsam entdeckten sie dabei das Filmen.
Bis in die 1970er Jahre verlebten sie – wie sie es früher auch mit ihrer Familie getan hatte – ihre Sommer auf einer Schäreninsel und nur den Winter in Helsinki. Die Pellinge-Inseln waren für sie nicht nur ihr Lieblingsort, sondern auch ihr Reich der Kreativität.
Bis ins hohe Alter blieb Tove Jansson mit ihrem enorm großen Schaffensdrang kreativ, auch wenn ihr Leistungsvermögen nachließ. Für ihre unzähligen Werke wurde sie immer wieder mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet.
2014 hat die Stadt Helsinki den Katajanokanpuisto, einen Park in Helsinki, nach der Autorin und Künstlerin in Tove-Jansson-Park umbenannt. Seit 1993 gibt es in Naantali an der Westküste Finnlands einen Themenpark der Muminwelt.
Verfasserin: Doris Hermanns
Links
Artikel zum 100. Geburtstag von Tove Jansson von Mark Bosworth
Website über Tove Jansson (Seitenladefehler am 20.06.2021. AN)
Interview mit der Ausstellungsmacherin Jutta Harms über die Mumins
Links geprüft und korrigiert am 20. Juni 2021 (AN)
Literatur & Quellen
Karjalainen, Tuula: Tove Jansson – Die Biografie. Übersetzung: Anke Michler-Janhunen und Regine Pirschel. Urachhaus 2014
Westin, Boel: Tove Jansson: Life, Art, Words. The Authorized Biography. Translation: Silvester Mazzarella. Sort of Books 2014
Tove Jansson in der Deutschen National Bibliothek
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