Fembio Specials Frauenbeziehungen Therese Malten
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Therese Malten
(eigentlich: Therese Müller)
geboren am 21. Juni 1855 in Insterburg/Ostpreussen (heute: Tschernjachowsk)
gestorben am 2. Januar 1930 in Neu-Zschieren b. Dresden
deutsche Sängerin (Sopran)
165. Geburtstag am 21. Juni 2020
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Die Chancen für einen erfüllenden Beruf standen prächtig für Therese Müller: Musikalität, Freude am Singen sowie außergewöhnlich gutes Material und großer Stimmumfang waren mütterliches Erbteil, der Vater wurde bald Königlich Preußischer Regierungsrat in der Kulturhauptstadt Berlin – so hatte die Mutter keinerlei Mühe, die begabte Tochter zu höchst angesehenen und bestqualifizierten Lehrern für Gesang und Schauspiel zu geben. Nach nur vier Jahren debütierte die noch nicht Achtzehnjährige als Therese Malten in der großen Dresdner Hofoper als Pamina, sang eine Woche darauf bereits die Agathe - beides keine leichten Partien für eine Anfängerin (sie bekam prompt ein festes Engagement)! -und nur zwei Wochen später Elsa. “Ihre heldenhafte Erscheinung, ihr durchgeistigtes dramatisch-bewegtes Spiel, ihre mächtige, modulationsfähige, ... ergreifende Sopranstimme, in der sich süßer Wohllaut mit gleich ausgeglichener Kraft eint” - die einst Lyrische ist zum Liebling des Publikums, zur Leonore, zur ersten Kundry gereift. Auch als erste Isolde und u.a. als Eva holte Wagner sie nach Bayreuth. Wesentlich auch ihr Wirken in London, Holland und v.a. den von Wagner autorisierten Ring-Zyklen Neumanns in den Musikzentren Petersburg, Kiew und Moskau. Aber Dresden bleibt sie treu; mit 48 Jahren nimmt sie dort als Isolde Abschied von der Bühne, singt gelegentlich noch in Konzerten und Oratorien, unterrichtet, unterstützt Bedürftige.
Dazwischen liegen privat bewegte Jahre.
Vermutlich nicht publik sollte wohl die schwärmerische, fatal ausgehende Beziehung der bekannten Philosophin Helene von Druskowitz zu Therese Malten werden. Im Dezember 1889 hatte die “geistige Amazone” einen Nervenarzt aufgesucht. 1890 spricht sie in ihrem “scherzhaften Schwank” International eine, implizit erotische, Verbindung zwischen ihrem “alter ego” Mme de Catalesca und einer Sängerin an. Im Februar darauf wird sie ins Irren- und Siechenhaus eingeliefert; sie macht u.a. “ihre Geliebte Therese Malten” für den Verfolgungswahn verantwortlich.
1892-3 erbaute der König ihr, seiner Geliebten und schon seit 1880 Königlich Sächsischen Kammersängerin, in Zschieren eine heute vielfältig kulturell genutzte Villa in schönster Elblage: Neorenaissance (aber mit Dampfmaschine zu eigener Energieversorgung und gesammeltem Regenwasser für den Teich), Wirtschaftsgebäude, 3 Pavillons und Kegelbahn im großen Park ... sowie eine von innen beleuchtete Badewanne! Hiervon und von der alliance wusste sicher nicht nur der Hof ...
Die Villa erbte Therese Maltens Gesellschafterin.
(Text von 2004)
Verfasserin: Swantje Koch-Kanz
Literatur & Quellen
Aldrich, Robert & Garry Wotherspoon. 2001. Who's Who in Gay and Lesbian History, from Antiquity to WWII. London. Routledge.
Annesley, Charles. 1911. Standard Operaglass, containing the detailed plots of 154 celebrated Operas with critical and biographical remarks, dates. 34th to 37th thousand revised and enlarged edition. Dedicated to Therese Malten, with two portraits of Malten and Scheidemantel. London. Sampson Low, Marston & Co.
Degener, Herrmann. Hg. 1905. Wer ist's? Unsere Zeitgenossen. Zeitgenossenlexikon enthaltend Biographien nebst Bibliographien, Angaben über Herkunft, Familie, Lebenslauf, Werke, Lieblingsbeschäftigungen, Parteiangehörigkeit, Mitgliedschaft bei Gesellschaften, Adresse. Leipzig. Degener.
Druskowitz, Helene. 1890. “International”, in: Die Emancipations-Schwärmerin. Lustspiel in fünf Aufzügen (neue Ausgabe von “Aspasia”) und dramatische Scherze. Dresden. Petzold. [o.J.]
Ehrlich, A. [1896]. Berühmte Sängerinnen der Vergangenheit und Gegenwart: Eine Sammlung von 91 Biographien und 90 Porträts. Leipzig. Payne.
Eisenberg, Ludwig. 1903. “Therese Malten”, in: Grosses biographisches Lexikon der deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig. List. S. 635-6
Gronewold, Hinrike. 1992. “Helene von Druskowitz”, in WahnsinnsFrauen. 1992. Hg. Duda, Sibylle & Luise F. Pusch. Frankfurt/M. suhrkamp tb 1875. S. 96-122.
Kohut, Adolph. 1906. Die Gesangsköniginnen in den letzten drei Jahrhunderten. 2 Bde. Berlin. Kuhz.
Meixner, Silvia. 2001. “Wo der König diskret Frau Müller nachstieg. In der Dresdner Villa der Opernsängerin Therese Malten offeriert heute ein Spanier Antiquitäten”, in: Die Welt 31. 8. 2001.
Musikalisches Wochenblatt. 1882. Organ für Tonkünstler und Musikfreunde 12. Leipzig. (Darin Rezension des Tannhäuser mit Therese Malten).
Ovenden, Laura. 1998. “Insanity, inspiration and insight - considering ´weibliche Denkweisen´ in Elisabeth Reichart's ´Sakkorausch´”, in: “Other” Austrians : post-1945 Austrian women's writing. Proceedings of the conference held at Nottingham from 8-20 April 1996. Hg. Allyson Fiddler. Bern. Lang.
Petereit, Eva-Ursula. 1998. “Wagner selbst lud sie nach Bayreuth ein. Vor 125 Jahren kam Therese Malten an die Semperoper”, in: Sächsische Zeitung 29.7.1998.
Petereit, Eva-Ursula. 2003. “Königlicher Abschied für Königliche Kammersängerin. Vor hundert Jahren stand die Sängerin Therese Malten zum letzten Mal auf der Bühne”, in: Sächsische Zeitung 13.2.2003.
Räuber, Dr. Hellmut. 1999. “Das heimliche Liebesnest der Kammersängerin? Therese-Malten-Villa ...”, in: Sächsische Zeitung 8.4.1999.
Schnoor, Hans. 1948. Dresden: 400 Jahre deutscher Musikkultur. Dresden. Dresdner Verlagsgesellschaft.
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