Fembio Specials Europäische Jüdinnen Therese Giehse
Fembio Special: Europäische Jüdinnen
Therese Giehse
(Therese Gift [Geburtsname]; Thérèse Giehse; Therese Hampson-Simpson [Ehename])
geboren am 6. März 1898 in München
gestorben am 3. März 1975 in München
deutsche Schauspielerin, Regisseurin und Kabarettistin
125. Geburtstag am 6. März 2023
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Thereses gutbürgerliche jüdische Familie riet ihr davon ab, zum Theater zu gehen; sie sei »doch überhaupt nicht schön«. Zum Glück besaß die junge Frau schon früh ihren später so berühmten Eigensinn und folgte dem eigenen Willen – und wurde zur überragenden und beliebten, immer sozial und politisch engagierten Schauspielerin, die von der Weimarer Republik bis zu ihrem Tode fast ununterbrochen das moderne Theaterleben bereicherte und schließlich prägte. Nach sieben »Lehr- und Wanderjahren« in der Provinz wurde Giehse 1926 nach München an die Kammerspiele geholt. Zu den vielen politischen Dramen, die damals dort aufgeführt wurden, zählt auch Cyankali, das Stück des Arztes und Schriftstellers Friedrich Wolf gegen den Paragraphen 218.
Giehse, eine der meistbeschäftigten SchauspielerInnen an den Kammerspielen, war bei Hitler und seinen Nazis, die das Theater trotz seines politischen Protestcharakters oft besuchten, besonders beliebt. »Endlich ein deutsches Weib in diesem verjudeten Haus!« meinten sie, aus Unkenntnis ihrer jüdischen Herkunft. Auch Thornton Wilder, Karl Kraus und Thomas Mann gehörten zu ihren Bewunderern.
Knapp einen Monat vor der Machtübernahme der Nazis gründeten Therese Giehse, Erika und Klaus Mann und der Musiker Magnus Henning in München das literarische Kabarett Die Pfeffermühle. Das Kabarett, das »indirekt politisch« gegen die Nazis arbeitete, mußte bald ins Ausland, und am 13. März 1933 floh Therese Giehse zur Mann-Familie in die Schweiz. Bis 1937 reiste sie mit der Pfeffermühle quer durch Europa. Die international beliebte deutsche EmigrantInnentruppe feierte am 26.4.36 in Amsterdam ihre 1000. Vorstellung, bevor sie sich 1937 nach einer enttäuschend verlaufenen Amerika-Tournee auflöste. Erika Manns Versuch, die antifaschistische Botschaft der Pfeffermühle auch in New York zu verkünden, war auf taube Ohren gestoßen.
Nach der Auflösung der Pfeffermühle ging Giehse zurück ans Zürcher Schauspielhaus. Aus dem finnischen Exil schickte Brecht ihr 1941 seine Mutter Courage zur Uraufführung. 1948 begann dann ihre entscheidende Zusammenarbeit mit Brecht, der sie 1949 nach Berlin an sein Berliner Ensemble holte. Dort hat sie auch selbst (im Zerbrochenen Krug) Regie geführt. Nach 1952 wieder an den Münchener Kammerspielen, war sie mit Marieluise Fleisser befreundet, in deren Komödie Der starke Stamm sie 1950 die Hauptrolle spielte.
Während der 1950-er und 60-er Jahre machte Giehse die großen Frauenrollen von Friedrich Dürrenmatt berühmt und trat im Film (Mädchen in Uniform, Kinder Mütter und ein General u.a.) und im Fernsehen auf. Bis zuletzt war sie aktiv und engagiert, stets für neue Ideen offen, vor allem für die Bemühungen von jungen Theaterleuten wie Peter Stein, Martin Sperr, Franz Xaver Kroetz. Nach einer Augenoperation starb Therese Giehse unerwartet an Nierenversagen.
(Text von 1997)
Zum Weiterlesen:
Schmidt, Christine (2010): »Hopes and prospects – but no illusions!«. Erika Mann (1905-1969) und Pamela Wedekind (1906-1986), Therese Giehse (1898-1975); Annemarie Schwarzenbach (1908-1942). In: Horsley, Joey; Pusch, Luise F. (Hg.): Frauengeschichten. Berühmte Frauen und ihre Freundinnen. Göttingen. Wallstein. ISBN 978-3-8353-0634-9 (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Verfasserin: Joey Horsley
Personenartikel: Giehse, Therese. Lexikon Theater (2004)
Zitate
Regie ist keine Männersache. […] Frauen sind häufig für die Regie viel stärker begabt als Männer. Sie sehen besser, haben die frecheren Augen, gucken genauer hin. […] Bei einer Frau als Regisseur arbeiten alle nur mit halbem Einsatz und lächerlich übersteigertem Unwillen. Da muß man schon sehr robust und standhaft sein, um so viel Borniertheit durchzustehen. (Therese Giehse)
Leben ist doch Veränderung. Die Situationen verändern sich, die Menschen, ihre Beziehungen zueinander. Man darf nichts erstarren lassen. Für ein Zusammenleben gibt es keine Regeln, keine vorgegebenen Antworten. […] Lebensfreundschaften verändern sich, verändern sich oft – doch sie ermatten nicht. Man bleibt beieinander, auch wenn man nicht zusammen ist. – Lebensfreundschaften sind Beziehungen, die lange dauern, sehr lange – die im Grunde nie aufhören. (Therese Giehse)
Eigentlich bin ich stinkfaul. Ich bin sogar ein kolossal fauler Mensch. Es war nie Fleiß – es war alles Interesse. (Therese Giehse, gefunden hier)
Die war auf der Bühne so eine böse Frau und mit uns Kindern dann eine so liebe Tante. (Hans Graf, bei der Uraufführung des »Besuchs der alten Dame« 1956 Sänger im Kinderchor, gefunden hier)
Links
Bayerischer Rundfunk (2011): Lebensläufe: Therese Giehse – Tscharlies jüdische Oma.
Online verfügbar unter http://www.br.de/themen/religion/juden-bayern-therese-giehse-100.html, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
filmportal.de: Therese Giehse. Filmografie, Fotogalerie. DIF.
Online verfügbar unter https://www.filmportal.de/person/therese-giehse_3223c082a0b14857acbb27646f97116d, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
Google Buchsuche: Therese Giehse.
Online verfügbar unter http://books.google.com/books?hl=de&q=%22therese+giehse%22&btnG=Nach+B%C3%BCchern+suchen, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
Hofmann, Rolf: Therese Giehse – Ihre Vorfahren aus Hainsfarth und Ichenhausen. Vortrag anlässlich der Rieser Kulturtage am 25. Mai 2000.
Online verfügbar unter http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20Bayern/THERESE-GIEHSE.htm, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
Internet Movie Database: Therese Giehse. Kurzbiografie, Filmografie.
Online verfügbar unter http://german.imdb.com/name/nm0317340/, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Giehse, Therese.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/118539140, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
Kreissl, Dorit; Bayerischer Rundfunk (2014): Therese Giehse: Ein starker Charakter.
Audiobeitrag vom 2.12.2014, 22:24 min.
Online verfügbar unter http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowissen/therese-giehse-charakter-100.html, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
LeMO: Biographie Therese Giehse, 1898-1975.
Online verfügbar unter http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/GiehseTherese/, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
muenchenblogger.de: Therese Giehse. Mit umfangreicher Auflistung (chronologisch) »Stücke – Rollen – Regisseure«.
Online verfügbar unter http://www.muenchenblogger.de/persoenlichkeiten/therese-giese, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
Wikipedia: Die Pfeffermühle.
Online verfügbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Pfefferm%C3%BChle, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
Wikipedia: Ein Bertolt-Brecht-Abend mit Therese Giehse. Schallplattenreihe.
Online verfügbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Bertolt-Brecht-Abend_mit_Therese_Giehse, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
Wikipedia: Therese Giehse.
Online verfügbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Therese_Giehse, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
WorldCat: Therese Giehse: Schallplatten. Schallplatteneinspielungen mit Therese Giehse als Ergänzung zu den Medien- und Literaturangaben in der Fembiografie. Zusammengestellt von Almut Nitzsche.
Online verfügbar unter https://worldcat.org/profiles/Anxy/lists/52497, zuletzt geprüft am 19.02.2018.
Literatur & Quellen
Filme
Dietl, Helmut; Vesely, Herbert: Münchner Geschichten 1. Fernsehserie. 150 min. Mit Günther Maria Halmer, Therese Giehse und Frithjof Vierock. Deutschland. Komplett Video. 2 DVDs (2002). (Suchen bei Amazon)
Dietl, Helmut; Vesely, Herbert: Münchner Geschichten 2. Fernsehserie. 150 min. Mit Günther Maria Halmer, Therese Giehse und Frithjof Vierock. Deutschland. Komplett Video. 2 DVDs (2002). (Suchen bei Amazon)
Dietl, Helmut; Vesely, Herbert: Münchner Geschichten 3. Fernsehserie. 150 min. Mit Günther Maria Halmer, Therese Giehse und Frithjof Vierock. Deutschland. Komplett Video. 2 DVDs (2002). (Suchen bei Amazon)
Radványi, Géza von (1958): Mädchen in Uniform. Spielfilm. 95 min. Mit Lilly Palmer, Romy Schneider und Therese Giehse. BRD, Frankreich. Galileo Medien. DVD (2005). (Suchen bei Amazon)
Umgelter, Fritz (1964): Die Physiker. 125 min. Mit Therese Giehse, Gustav Knuth und Kurt Ehrhardt. KNM Home Entertainment. DVD (2008). (Suchen bei Amazon)
Hörbücher
Brecht, Bertolt (2006): An die Nachgeborenen. Gedichte & Lieder. Mit Therese Giehse. Aufnahmejahre: 1966/69. Musik: Hanns Eisler. Berlin. Universal Family Entertainment. 3 Audio-CDs. ISBN 978-3-8291-1654-1. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Brecht, Bertolt (2006): Die Mutter. Nach dem Roman von Maxim Gorki. Mit Therese Giehse, Bruno Ganz und Jutta Lampe. Aufnahmejahr: 1979. Musik: Hanns Eisler. 116 min. Berlin. Universal Family Entertainment. 2 Audio-CDs. ISBN 978-3-8291-1655-8. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Goethe, Johann Wolfgang von (1995): Novelle. Hörspiel. Mit Käthe Gold, Therese Giehse und Oskar Werner. Aufnahmejahr: 1953/1955. Hörspielbearbeitung und Regie: Max Ophüls. Stuttgart. Der Hör-Verlag. Audio-CD. ISBN 3-89584-125-0. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Goethe, Johann Wolfgang von (2007): Novelle. Hörspiel. Mit Käthe Gold, Therese Giehse und Oskar Werner. Aufnahmejahr: 1953/1955. Hörspielbearbeitung und Regie: Max Ophüls. München. Der Hörverlag. Audio-CD. ISBN 978-3-89940-910-9. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Bücher
Drews, Wolfgang (1965): Die Schauspielerin Therese Giehse. Velber bei Hannover. Friedrich (Reihe Theater heute, 20). (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Giehse, Therese; Ginsberg, Ernst; Heinz, Wolfgang; Hirschfeld, Kurt; Horwitz, Kurt; Lindtberg, Leopold et al. (1945): Theater. Meinungen und Erfahrungen. Reprint der Ausgabe von 1945. Ascona. Edition San Pietro, 1988 (Über die Grenzen, 4). (Suchen bei Eurobuch | WorldCat)
Gut, Sibylle (Hg.) (1998): Bertolt Brecht im Plakat – Terese Giehse in Zürich. Katalog zur Ausstellung im Stadthaus Zürich, 27. Februar bis 8. Mai 1998. Zürich. Präsidialdepartement der Stadt Zürich. (Suchen bei Eurobuch | WorldCat)
Hildebrandt, Irma (2002): Frauen, die Geschichte schrieben. 30 Frauenporträts von Maria Sibylla Merian bis Sophie Scholl. Darin: Pfeffer über Zürich. Die Schauspielerin Therese Giehse (1898-1975), Erika Mann (1905-1969) und die »Pfeffermühle«. Kreuzlingen, München. Hugendubel. ISBN 3-7205-2318-7. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Hildebrandt, Irma (2006): Bin halt ein zähes Luder. 15 Münchner Frauenporträts. Darin: Therese Giehse, S. 167-184. München, Zürich. Piper (Serie Piper, 4512). ISBN 978-3-492-24512-8. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Karl, Michaela (2004): Bayerische Amazonen. 12 Porträts. darin: Therese Giehse. Die Mutter Courage. Regensburg. Pustet. ISBN 3-7917-1868-1. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Lühe, Irmela (1996): Erika Mann. Eine Biographie. Frankfurt am Main. Fischer-Taschenbuch-Verlag (Fischer, 12598). ISBN 3-596-12598-7. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Mann, Erika; Keiser-Hayne, Helga (1990): Erika Mann und ihr politisches Kabarett »Die Pfeffermühle«. 1933 – 1937. Texte Bilder Hintergründe. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt, 1995 (rororo, 13656). ISBN 3-499-13656-2. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Piekenbrock, Marietta (Hg.) (1998): Therese Giehse 1898-1998. Katalog zur Ausstellung im Deutschen Theatermuseum 1998. Mit Rollenverzeichnis und Filmografie. München. Deutsches Theatermuseum. ISBN 3-9806164-0-1. (Suchen bei Eurobuch | WorldCat)
Schmidt, Renate (2008): Therese Giehse. Na dann wollen wir den Herrschaften mal was bieten! München. Langen-Müller. ISBN 978-3-7844-3140-6. (Suchen bei Amazon | Eurobuch)
Sperr, Monika; Giehse, Therese (1973): Therese Giehse »Ich hab nichts zum Sagen«. Gespräche mit Monika Sperr. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt, 1986 (rororo, 1914). ISBN 3-499-11914-5. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Zur Erinnerung Therese Giehse, Paul Verhoeven, Carl Wery. Sonderheft (1975). München. Münchner Kammerspiele. (Suchen bei WorldCat)
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