Fembio Specials Künstlerinnen - Eine Ausstellung von Almut Nitzsche Tamara de Lempicka
Fembio Special: Künstlerinnen - Eine Ausstellung von Almut Nitzsche
Tamara de Lempicka
(Tamara Gorska [Geburtsname])
geboren am 16. Mai 1898 in Warschau
gestorben am 18. März 1980 in Cuernavaca bei Mexiko-Stadt
polnisch-französische Malerin
125. Geburtstag am 16. Mai 2023
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
»Die schöne Polin«, wie man sie in der Pariser Gesellschaft der 1920er und 30er Jahre nannte, wurde 1898 als Tochter wohlhabender Eltern in Warschau geboren. Die Mutter entstammte einer privilegierten Familie und war im Ausland erzogen worden. Der Vater war Anwalt.
Schon als Kind soll sie herrschsüchtig und eigenwillig gewesen sein, immer darauf bedacht, im Mittelpunkt zu stehen. Ihren ersten Kontakt mit der Malerei hat sie im Alter von zwölf Jahren, als eine Malerin ein Porträt von ihr anfertigen soll: Sie ist unzufrieden und überzeugt, es besser zu können und malt daraufhin ein Porträt ihrer Schwester. Als die Mutter ein zweites Mal heiratet, entscheidet sie sich aus Protest, bei ihrer Tante in Petersburg zu leben, wo sie das luxuriöse Leben kennenlernt, das sie fortan nicht mehr missen will. Dort begegnet sie im Alter von 16 Jahren dem gutaussehenden Anwalt Tadeusz de Lempicki, den sie zwei Jahre später heiratet. Zunächst können beide ihr luxuriöses Leben weiterführen, emigrieren jedoch aus den Wirren der russischen Oktoberrevolution 1918 nach Paris.
Tadeusz findet keine Arbeit, die Tochter Kizette kommt zur Welt, und Tamara ist gezwungen, für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Sie erinnert sich an ihre Liebe zur Malerei und nimmt Malunterricht. Maurice Denis lehrt sie, durchkomponierte Bilder zu malen. Noch stärker beeinflusst sie ihr späterer Lehrer André Lhote, ein Vertreter des sogenannten korrigierten Kubismus, der diese Kunstrichtung »salonfähig« machen möchte.
Tamara lernt schnell, doch ihr enormer Erfolg, den sie im Europa der 1920er und 1930er Jahre haben wird, lässt sich nicht allein auf ihre malerischen Fähigkeiten zurückführen, sondern auch auf ihre bemerkenswerte Entschlossenheit, jede Möglichkeit zu ergreifen, um bekannt und berühmt zu werden. Bewusst entscheidet sie sich gegen die Hungerleider-Perspektive der Avantgarde-KünstlerInnen und wählt einen Malstil, das Art-Deco, mit dem sie den Geschmack der Zeit trifft. Die Schrecken des Ersten Weltkrieges will die Generation der zwanziger Jahre vergessen. Tamara hilft ihr dabei, indem sie Porträts und Akte malt, die einen Typus von anerkannter und erfolgversprechender Schönheit darstellen. Obwohl sie so in die Nähe des rein Dekorativen kommt, verschafft sie ihren Charakteren doch stets etwas erstaunlich Lebendiges; ihre Motive sind einzigartig und vermitteln Spannung: Sie bedienen die erotischen Sehnsüchte, die libidinösen Träume der Bourgeois, ihrer zukünftigen kaufkräftigen Kundschaft.
Auch ihre Modelle wählt sie gezielt aus und porträtiert fortan Angehörige der Elite. Jedes mit ihrem Namen signierte Bild erweist sich als Eintrittskarte in die Pariser Gesellschaft. Ihr Vorhaben, den damals in ganz Europa als Dichter, Romancier, Dramatiker und Liebhaber gefeierten Gabriele d'Annunzio zu verführen und zu porträtieren, verwirft sie wieder; zwar ist er verrückt nach ihr, doch sie mag sich einfach nicht in die Vielzahl seiner Liebschaften einreihen.
Später widmet sich Tamara Frauen, die sowohl ihre Modelle als auch ihre Liebhaberinnen werden. Überhaupt fällt auf, dass sie wiederholt weibliche und männliche Rollenmuster in ihren Bilder vermischt: die Frau als Verführte und Verführende.
Die Ehe mit Lempicki, der einfach keinen Platz mehr in ihrem Leben hat, geht in die Brüche. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs – man reißt sich darum, von ihr gemalt zu werden, und sie nimmt horrende Preise für ihre Porträts – lernt sie den ungarischen Baron Kuffner kennen, dessen Heiratsantrag sie annimmt. Mit ihm emigriert sie im Alter von 41 Jahren abermals, dieses Mal flieht sie vor den Nazis.
Ein weiterer Lebensabschnitt in den USA beginnt. Zwar hat sie weiterhin ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit und kann sich bald die beliebteste Malerin Hollywoods nennen, doch vermag sie künstlerisch nicht mehr zu überzeugen. Ihr späterer Versuch, mit dem Nicht-Gegenständlichen ein Comeback zu schaffen, scheitert. Längst hat die Pop-Art von den USA Besitz ergriffen. Auf einer Ausstellung in New York muss sie 64jährig erkennen, dass sie nicht mehr gefragt ist und stellt bis zu ihrem Lebensende nicht mehr aus. Sie stirbt im Alter von 82 Jahren in Mexiko.
(Der Text wurde 1997 verfasst.)
Verfasserin: Cornelia Heuer
Zitate
Ihre Tochter berichtet [über Tamara]: Wenn sie spät von einer Party heimkam, noch aufgekratzt und sprühend vor Energie, weckte sie Kizette manchmal auf, um ihr alles zu erzählen, was sie erlebt hatte: von den berühmten Künstlern und Schriftstellern, denen sie begegnet war, von den Grafen und Herzögen, mit denen sie getanzt hatte, von den Gräfinnen und Herzoginnen, die sie zum Lunch, zum Diner, in die Oper oder zu einer weiteren Party eingeladen hatten. Sie vermittelte immer den Eindruck, als wäre sie gerade im Begriff, auszugehen, um irgendeinen Kunden, ein Modell oder einen Freund zu treffen.
(Néret, Gilles (1991): Tamara de Lempicka, 1898 – 1980. Ins Deutsche übersetzt von Matthias Wolf. Köln. Taschen. ISBN 3-8228-0423-1, S. 40)
Links
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: De Lempicka, Tamara, 1898-1980.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/118571494, zuletzt geprüft am 25.04.2023.
Kipphoff, Petra: Erotik, gut gekühlt. Eine Wiederentdeckung: Die Londoner Royal Academy zeigt die glamourösen Bilder der Tamara de Lempicka. In: Die Zeit, Nr. 24 vom 03.06.2004. Zugang jetzt kostenpflichtig.
Online verfügbar unter http://www.zeit.de/2004/24/Lempicka, zuletzt geprüft am 25.04.2023.
Schwanke, Hans-Peter: Figuren wie Autokarosserien. Kunstforum der Bank Austria zeigt Tamara de Lempicka. Mit Informationen zu Leben und Werk. Kunstmarkt.com.
Online verfügbar unter http://www.kunstmarkt.com/pagesmag/kunst/_id68432-/ausstellungen_berichtdetail.html?_q=%20, zuletzt geprüft am 25.04.2023.
Siwula, Katrin: Kongenial. Bilder von Tamara de Lempicka fotografisch umgesetzt. Musenblätter – Das unabhängige Internet-Magazin für Kultur und Reise.
Online verfügbar unter http://www.musenblaetter.de/artikel.php?aid=398, zuletzt geprüft am 25.04.2023.
Literatur & Quellen
Quellen
Lempicka-Foxhall, Kizette de; Phillips, Charles (1987): Passion by design. The art and times of Tamara de Lempicka. Oxford. Phaidon. ISBN 0-7148-2497-6. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Néret, Gilles (1991): Tamara de Lempicka, 1898 – 1980. Ins Deutsche übersetzt von Matthias Wolf. Köln. Taschen. ISBN 3-8228-0423-1. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Ricci, Franca Maria (Hg.) (1977): Tamara de Lempicka. Parma. Franca Maria Ricci éditeur (I Segni dell'uomo, 20). (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Sello, Gottfried (1994): Malerinnen des 20. Jahrhunderts. Hamburg. Ellert und Richter (Edition Ellert & Richter). ISBN 3-89234-526-0. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Weiterführende Literatur
Claridge, Laura (2002): Tamara de Lempicka. Ein Leben für Dekor und Dekadenz. Aus dem Englischen von Irmengard Gabler. Leicht gekürzte, von der Autorin autorisierte Fassung. Frankfurt am Main. Fischer. ISBN 3-10-010816-7. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Claridge, Laura (Tamara de Lempicka): Tamara de Lempicka. Ein Leben für Dekor und Dekadenz. Limitierte Sonderausgabe. Aus dem Englischen von Irmengard Gabler. Frankfurt am Main. Fischer-Taschenbuch-Verlag, 2005 (Fischer, 16940). ISBN 978-3-596-16940-5. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Dollenmaier, Verena (Hg.) (2008): Glamour! Das Girl wird feine Dame. Frauendarstellungen in der späten Weimarer Republik. Ausstellungskatalog. Leipzig. Seemann. ISBN 978-3-86502-178-6. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Grosenick, Uta (2001): Women Artists. Künstlerinnen im 20. und 21. Jahrhundert. Köln. Taschen. ISBN 3-8228-6027-1. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Hoffmann, Christina (1997): Frauen sehen Frauen nackt. Weiblichkeitsdarstellungen unter »weiblicher Kompetenz« am Beispiel von Tamara de Lempicka und Suzanne Valadon. Kiel. Universität.
Langer, Astrid (1996): Tamara de Lempicka. Leben, Werk, Musealisierung. Diplomarbeit. Hildesheim. Universität. FB II.
Lempicka, Tamara de (1981): Porträts der Moderne. München. Rogner & Bernhard. ISBN 3-8077-0166-4. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Lempicka, Tamara de (2006): Tamara De Lempicka. Ausstellungskatalog. Aus dem Französischen von Christine Diefenbacher. Paris. Flammarion. ISBN 978-2-08-021053-1. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Lempicka-Foxhall, Kizette de; Phillips, Charles (1987): Tamara de Lempicka. Malerin aus Leidenschaft, Femme fatale der 20er Jahre. (=Passion by design – the art and times of Tamara de Lempicka). Ins Deutsche übersetzt von Bettina Runge. München. Heyne (Collection Rolf Heyne). ISBN 3-453-02463-X. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Penck, Stefanie (2004): Tamara De Lempicka. München, Berlin, London, New York. Prestel. ISBN 3-7913-3170-1. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Sawbridge, Peter (Hg.) (2004): Tamara de Lempicka – Femme fatale des Art déco. Ausstellungskatalog. Ins Deutsche übersetzt von Stefan Barmann und Bernhard Geyer. Ostfildern-Ruit. Hatje Cantz, 2006. ISBN 978-3-7757-1798-4. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Schmied, Wieland; Baldacci, Paolo (2001): Der kühle Blick. Realismus der Zwanzigerjahre in Europa und Amerika. Ausstellungskatalog. München. Prestel. ISBN 3791325132. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Thormann, Ellen (1993): Tamara de Lempicka. Kunstkritik und Künstlerinnen in Paris. Berlin. Reimer. ISBN 3-496-01109-2. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
Vesper, Elke (1998): Die goldene Dame. Ein Roman über das Leben der Tamara de Lempicka. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, 2000 (Rororo, 22673). ISBN 3-499-22673-1. (Suchen bei Amazon | Eurobuch | WorldCat)
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