Fembio Specials Berühmte Schwestern berühmter Frauen / Berühmte Schwestern Sophie Scholl
Fembio Special: Berühmte Schwestern berühmter Frauen / Berühmte Schwestern
Sophie Scholl
(Sophia Magdalena Scholl [eigentlicher Name])
geboren 9. Mai 1921 in Forchtenberg
hingerichtet am 22. Februar 1943 in München
deutsche Widerstandskämpferin
80. Todestag am 22. Februar 2023
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Sophie Scholl wird als viertes von sechs Geschwistern in ein christlich-humanistisch geprägtes Elternhaus geboren. Ihre Eltern, die Diakonisse Magdalene Müller und der zehn Jahre jüngere Sanitäter Robert Scholl, die beide aus „kleinen“ Verhältnissen stammen, hatten sich 1915 in einem Lazarett kennen gelernt, wo sie beide während des Ersten Weltkrieges ihren Dienst verrichteten. Die Mutter ist stark vom südwestdeutschen, pietistisch orientierten Protestantismus geprägt. Der Vater ist nicht religiös, aber überzeugter Pazifist. Die beiden ältesten Kinder Inge (*1917) und Hans (*1918) werden in Ingersheim am Neckar geboren, wo Robert Scholl zu jener Zeit das Amt des Gemeindevorstehers ausübt; die jüngeren Geschwister Elisabeth (*1920), Sophie (*1921), Werner (*1922) und Thilde (*1925) in Forchtenberg am Kocher, wo er das gleiche Amt innehat. Thilde stirbt bereits in ihrem ersten Lebensjahr an Masern. Zur Familie gehört bis zu dessen 18. Lebensjahr auch der aus einer unehelichen Beziehung Robert Scholls stammende „Pflegesohn“ Ernst Gruele (*1915). 1930 zieht die Familie nach Ludwigsburg, 1932 nach Ulm, wo der Vater als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ein gutgehendes Büro betreibt.
Sophie gilt als still, nachdenklich und in sich gekehrt, aber auch als sportlich und sehr eigenständig. Sie verfügt über ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, dem sie, falls nötig, lautstark Gehör verschafft, und steht hundertprozentig zu der Sache, die sie für sich als richtig erkannt hat. Sie liebt die Natur und geht gern „auf Fahrt“, sie schwimmt in Flüssen und klettert auf Bäume, spielt leidenschaftlich gern Klavier, zudem Blockflöte und Gitarre, ist eine begeisterte Tänzerin und talentierte Zeichnerin. 1939 wird sie die von Hanspeter Nägele besorgte deutsche Übersetzung von Peter Pan und Wendy illustrieren. (Das Buch mit ihren Zeichnungen erscheint erst 1989.) Ihre Jugendfreundin Susanne Hirzel charakterisierte sie später wie folgt: „Wir lernten uns mit 14 Jahren im Jungmädelbund kennen. Sie war wie ein feuriger wilder Junge, trug die dunkelbraunen glatten Haare im Herrenschnitt und hatte mit Vorliebe eine blaue Freischarbluse oder eine Winterbluse ihres Bruders an. Sie war keck, mit heller klarer Stimme, kühn in unseren wilden Spielen und von einer göttlichen Schlamperei.“ Sophie ist androgyn, „schneidig“, aber auch „humorvoll, gescheit, unternehmungslustig und ziemlich übermütig“. Mit dem typisch weiblichen Rollenverständnis hält sie sich nicht weiter auf.
Der Erziehungsstil der Eltern Scholl ist für jene Zeit außergewöhnlich unautoritär. Die Kinder werden als Individuen gesehen, ihre Talente bestmöglich gefördert – so erhält z.B. Sophie Klavier- und Zeichenunterricht –, und sie werden ermuntert, ihre Meinung zur Diskussion zu stellen und ihre Erfahrungen selbst zu sammeln. Daher lassen sie ihre Kinder gewähren, die nacheinander der Hitlerjugend bzw. dem Bund Deutscher Mädel (BDM) beitreten – denn die ablehnende Haltung der Eltern gegenüber dem Nationalsozialismus teilen die Geschwister zunächst nicht. Gegenüber den eindringlichen Warnungen des Vaters, nicht alles zu glauben, was man ihnen dort erzählt, Hitler steuere unweigerlich auf einen Krieg zu, verschließen sie ihre Augen und Ohren.
Auch Sophie ist ab 1934 begeistertes „Jungmädel“ im BDM, bei dem sie rasch Führungsaufgaben übernimmt. Der Reiz an diesem Bund liegt für Sophie – wie für viele Mädchen – darin, Sport treiben zu können, Wanderungen und Ausflüge selbstständig und ohne Aufsicht durch Erwachsene durchzuführen, im Zelt zu übernachten und abends am Lagerfeuer zur Klampfe zu singen und Geschichten zu erzählen. All dies war bisher den Jungs vorbehalten. Hinzu kommen ihr jugendliches Ideal einer gerechten Gemeinschaft und der Stolz, sich als wichtiges Teil eines großen Ganzen zu bewähren. Ansonsten erfüllt sie nicht gerade das Idealbild eines braven, deutschen Mädels: Sie raucht, mit Billigung der Eltern auch zu Hause, und hat ab 16 einen festen Freund, den angehenden Berufssoldaten Fritz Hartnagel.
Erste Zweifel an der nationalsozialistischen „Idee“ entstehen, als sie – wie Hans – erkennt, dass es nicht auf die Stärken und Talente, das Besondere jeder und jedes Einzelnen ankommt, sondern es nur darum geht, in einer gleichförmigen Masse aufzugehen, sich anzupassen, in vorgegebenen Bahnen zu denken und zu handeln, nichts in Frage zu stellen, sondern blind zu gehorchen, wenn Vorgesetzte etwas anordnen. Sie fühlt sich von dem angezogen, was die Nazis ablehnen: Individualismus, Kreativität, Kunst und Musik, Philosophie, Literatur auch von verfemten und/oder ausländischen AutorInnen. Ausgelöst durch die politischen Ereignisse (Spanischer Bürgerkrieg, Anschluss Österreichs, Einmarsch deutscher Truppen ins Sudetenland, Pogromnacht), sagt sie sich innerlich vom Nationalsozialismus los. Im Frühjahr 1938 wird sie aus innerdienstlichen Gründen als Führerin abgesetzt, bleibt aber bis 1941 nominell im BDM. Sonst dürfte sie kein Abitur machen.
Nach dem Abitur lässt sie sich am Ulmer Fröbel-Seminar zur Kindergärtnerin ausbilden, um dem obligatorischen Arbeitsdienst zu entgehen. Nach dem Examen stellt sich jedoch heraus, dass diese Ausbildung nicht als Arbeitsdienst anerkannt wird, und sie muss ab April 1941 doch noch zum Dienst in der Landwirtschaft einrücken. Ihr Arbeitsdienstlager befindet sich in Krauchenwies bei Sigmaringen. Sophie muss den Schlafsaal mit neun „Arbeitsmaiden“ teilen; es gibt überhaupt keine Privatsphäre. An den Geselligkeiten der Anderen nimmt sie nicht teil. Mit Widerwillen stellt sie fest, dass sich deren Gespräche fast ausschließlich um Frisuren und Männer drehen. Stattdessen liest sie. Ihre Lektüre – Thomas Manns Zauberberg und die Schriften des Augustinus – löst bei ihren Mit-“Maiden“ Spott und Hänseleien aus. Sophie gilt als überspannt und hochnäsig. Sie schreibt in einem Brief: „Ich bin beinahe entsetzt, unter annähernd 80 Menschen nicht einen zu finden, der etwas Kultur hätte.“ Und: „Kein besonders guter Durchschnitt! Man muß sich in acht nehmen vor dieser Masse.“ Nur zu einem Mädchen baut sie eine Freundschaft auf – Gisela Schertling, mit der sie ihre Vorliebe für Musik und Kunst teilt, die sie während des Studiums in München wieder treffen und die später zum Umfeld der „Weißen Rose“ gehören wird.
Auch nach dem Arbeitsdienst kann Sophie Scholl nicht das langersehnte Studium aufnehmen. Ab Herbst 1941 muss sie für ein weiteres halbes Jahr Kriegshilfsdienst leisten. In Blumberg nahe der Schweizer Grenze soll sie einen Kindergarten leiten, also immerhin keine anstrengende Akkordarbeit in der (Rüstungs-)Fabrik. Bei einem ihrer seltenen Besuche daheim in Ulm findet sie die Familie in Aufregung: Unbekannte haben ihnen Flugblätter mit den Predigten Graf von Galens, des Bischofs von Münster, in den Briefkasten geworfen. Er hatte in aller Öffentlichkeit u.a. die Willkür der Gestapo angeprangert, die bei der Bevölkerung ein Gefühl der Rechtlosigkeit hinterlasse, und die euphemistisch „Euthanasie“ genannte Tötung von behinderten Kindern verurteilt. Insbesondere Sophies Bruder Hans, der nach seinem Wehrdienst mittlerweile in München Medizin studiert, zeigt sich von den Flugblättern nachhaltig beeindruckt.
Im Frühjahr 1942 zieht Sophie Scholl nach München, um mit 21 Jahren endlich ihr Studium der Biologie und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität zu beginnen. Dort lernt sie die Freunde ihres Bruders Hans kennen: Alexander Schmorell, Christoph Probst und Willi Graf, die so wie er Medizin studieren und gleichzeitig einer Studentenkompanie angehören. Zum FreundInnenkreis gehören auch Hans‘ Freundin Traute Lafrenz und schließlich Gisela Schertling.
Nach der geistigen Öde in den Arbeitsdienstlagern genießt Sophie das Leben in vollen Zügen: Mit den FreundInnen trifft sie sich zum Tee oder Abendessen, um über Gott und die Welt zu diskutieren, besucht Abendgesellschaften und Lesungen bei den Schmorells oder anderen Bekannten, geht zum Essen in eines der angesagten Lokale, ist Dauergast in den Konzertsälen der Stadt. Zusammen mit Alex Schmorell engagiert sie ein Modell, das sie zeichnet, während er modelliert. Darüber hinaus liest Sophie viel, vor allem von katholischen Autoren. Wie ihr Bruder ist sie auf Sinnsuche, und außer den katholischen Positionen gibt es wenig Alternativen zum Nationalsozialismus, zumal säkular-liberale Deutungsangebote nicht mehr existieren und sozialistische oder gar kommunistische Vorstellungen nicht zu ihrem konservativ-bildungsbürgerlichen Hintergrund passen. Weitere geistige Nahrung erhält sie in der Vorlesung „Leibniz und seine Zeit“ bei Professor Kurt Huber.
Ihren Freund Fritz sieht sie hingegen nur selten, da seine Einsatzorte häufig wechseln. Ganz unlieb ist ihr das nicht, denn eine zu enge Bindung will sie nicht eingehen. Auch kann sie sich kaum mit seinem Soldatenberuf abfinden: „Es ist schön, wenn zwei miteinander gehen, ohne sich zu versprechen, wir treffen uns da und da wieder, oder wir wollen immer beieinander bleiben. Sie gehen so einfach ein Stück zusammen, und wenn es sich gibt, daß sich ihre Wege trennen, so geht jedes in seiner Richtung so ruhig weiter.“
Im Juni und Juli 1942 werden insgesamt vier Flugblätter, die den Titel Flugblätter der Weissen Rose tragen, an etwa einhundert ausgewählte EmpfängerInnen geschickt: Intellektuelle, SchriftstellerInnen, Professoren, außerdem an Gastwirte, die als Multiplikatoren dienen sollen. In einer pathetischen und mit klassischen Zitaten gespickten Sprache wird an die Ehre der Deutschen appelliert und zum passiven Widerstand gegen die Nazis aufgerufen. Autoren dieser Flugblätter sind Hans Scholl und Alexander Schmorell. Des Weiteren gehören Christoph Probst, Willi Graf und ab Ende 1942 auch Professor Huber zur Gruppe. Seit wann Sophie eingeweiht ist, ist nicht genau bekannt. Es muss entgegen älterer Annahmen bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Fall gewesen sein, denn bereits im Mai bittet Sophie Fritz um 1000 Reichsmark „für einen guten Zweck“ und einen von der Wehrmacht abgestempelten Bezugsschein für einen Vervielfältigungsapparat. Das Geld erhält sie von ihm, nicht aber den Bezugsschein.
Noch ehe die Kampagne richtig anlaufen kann, wird sie schon unterbrochen, denn die Medizinstudenten müssen für einige Monate an die Ostfront, um Lazarettdienst zu leisten; Sophie wird über die Semesterferien zur Rüstungsproduktion in eine Schraubenfabrik einberufen. Im Spätherbst sind alle wieder zurück in München. Die Aktion soll nun größer aufgezogen werden und mehr Menschen erreichen. Die Sprache im fünften Flugblatt ist deutlich weniger pathetisch aufgeladen, und die klassischen Zitate fehlen. Die Flugblätter werden heimlich in Telefonzellen und öffentlichen Gebäuden verteilt, in Privatbriefkästen gesteckt und in Koffern und Rucksäcken in andere Städte in Süddeutschland und Österreich gebracht und dort in Postbriefkästen geworfen, um eine weitverzweigte Organisation vorzugaukeln. Sophie initiiert eine Gruppe in Ulm, die die Flugblätter in Ulm und Stuttgart verteilen hilft. Traute Lafrenz bringt das Flugblatt nach Hamburg und stellt den Kontakt zu verschiedenen dortigen Widerstandsgruppen her. Willi Graf knüpft Kontakte zu Gruppen im Rheinland und Saarland und Hans zur Widerstandsorganisation „Rote Kapelle“. Letzten Endes sind fast 100 Personen in die Aktivitäten der „Weißen Rose“ involviert.
Sophie bringt nicht nur Koffer voller Flugblätter nach Augsburg und Ulm und legt bei helllichtem Tage Flugblätter auf Parkbänken, in Hauseingängen und geparkten Autos ab, sondern fungiert als „Kassenwartin“ der Gruppe, denn Matrizen, Papier, Briefumschläge und Briefmarken kosten viel Geld. Alexander Schmorell opfert einen Teil seines großzügigen Taschengelds, Fritz steuert unwissentlich seinen Obolus bei, und immer wieder bittet Hans verschiedene vertrauenswürdige Bekannte um Geld. Ein großes Problem ist die Beschaffung von rationiertem Papier, Briefumschlägen und Briefmarken, die ohne aufzufallen jeweils nur in geringen Mengen gekauft werden können. Sophie übernimmt diese zähe Aufgabe, indem sie – gelegentlich zusammen mit Traute Lafrenz oder Gisela Schertling – verschiedene Geschäfte und Postämter abklappert, um an das Gewünschte zu kommen. Stundenlang sitzt sie im Deutschen Museum, wo sämtliche Telefonbücher des „Großdeutschen Reiches“ einschließlich Österreichs ausliegen, und schreibt Adressen für die Flugblattversendung ab. Ab Anfang 1943 beteiligt sie sich auch an der Herstellung der Flugblätter, denn Tausende von Seiten müssen einzeln per Handkurbel abgezogen werden. Nachts pinseln die jungen Männer mit Teerfarbe „Freiheit“, „Hitler Massenmörder“ und „Nieder mit Hitler“ an Häuserwände.
Beim Auslegen des sechsten Flugblatts, das diesmal von Kurt Huber stammt, in der Münchner Universität werden Sophie und Hans Scholl vom Hausmeister entdeckt und kurz darauf von der Gestapo festgenommen. Unglücklicherweise trägt Hans Scholl einen Flugblattentwurf von Christoph Probst in seiner Jackentasche. Bereits fünf Tage später findet die Gerichtsverhandlung statt, die vom berüchtigten Vorsitzenden des Volksgerichtshofs Roland Freisler geleitet wird, der extra aus Berlin angereist ist. Die Aufregung in der Staatsführung ist besonders groß, weil es sich bei diesen WiderstandskämpferInnen um junge Leute handelt, die vom Nationalsozialismus geprägt wurden. Aus diesem Grund soll ein Exempel statuiert werden, und die Angeklagten werden wegen Hochverrats, Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung zum Tode verurteilt. Noch am selben Tag werden beide Geschwister sowie Christoph Probst im Gefängnis München-Stadelheim durch das Fallbeil hingerichtet. Ihr Grab befindet sich in der Nähe auf dem Friedhof am Perlacher Forst. Im Verlauf des Jahres werden auch die anderen Freunde und Professor Huber festgenommen und zum Tode verurteilt. Bei weiteren Prozessen werden u.a. Traute Lafrenz und Gisela Schertling zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Nach dem Tod der Geschwister Scholl und Christoph Probsts gelangt das sechste Flugblatt ins Ausland: nach Skandinavien, Großbritannien, in die Sowjetunion, und wird im Herbst 1943 aus Flugzeugen der britischen Luftwaffe über Deutschland abgeworfen. Die Hoffnung Sophie Scholls – „das wird Wellen schlagen“ – erfüllt sich jedoch nicht. Noch am Tage ihrer Hinrichtung findet im Auditorium Maximum der Ludwig-Maximilians-Universität eine Kundgebung statt, an der drei Viertel aller Münchner Studierenden teilnehmen, sich über die „Schandtaten“ ihrer KommilitonInnen empören und ein Treuebekenntnis zur Staatsführung ablegen.
Und doch war das Engagement der FreundInnen mit der Losung „Weiße Rose“ nicht vergeblich, wie zunächst angenommen werden könnte. Es war ein Lebenszeichen des „Anderen Deutschlands“, das nach dem Krieg großen Einfluss auf die Entnazifizierung, die Kollektivschulddebatte, das Ansehen im Ausland und nicht zuletzt auf die Betonung christlicher Werte in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte ausübte.
(Text von 2021)
Verfasserin: Christine Schmidt
Zitate
Wir müssen uns sehr anstrengen, daß wir nicht oberflächlich werden. Ich habe oft gedacht, dazu sind wir zu jung, das kommt mit dem Alter von selbst. Aber man kann nicht früh genug damit anfangen.
Jedes Wort wird, bevor es ausgesprochen wird, von allen Seiten betrachtet, ob kein Schimmer der Zweideutigkeit an ihm haftet. Das Vertrauen zu anderen Menschen muß dem Mißtrauen und der Vorsicht weichen.
In der Schule wurde uns gesagt, die Einstellung eines Deutschen sei eine bewußt subjektive. – Solange sie dabei nicht auch objektiv ist, kann ich dies nicht anerkennen.
Der Mensch soll ja nicht, weil alle Dinge zwiespältig sind, deshalb auch zwiespältig sein.
Ich versuche immer, mich so schnell wie möglich zu akklimatisieren (auch in und an Gedanken), damit erreicht man die größte Unabhängigkeit von allen angenehmen und unangenehmen Umständen.
Glaube auch nicht, daß alles, was ich tue, das instinktive Handeln eines Mädchens ist, damit sprichst Du mir ja, vielleicht ungewollt, jede Selbständigkeit ab. Instinktiv ist ein sehr unbestimmtes Wort. Es wird sowohl bei Tieren wie bei Menschen (insbesondere bei Frauen) angewandt, wenn man sich’s mit dem Verstand nicht recht erklären kann. Und daran zweifelst Du doch nicht, daß ich mein Hirn auch manchmal zum Denken gebrauche.
Ich lese mit eiserner Konsequenz jeden Abend ein bißchen […], was mir verständlicherweise manche spöttische Bemerkung meiner neuen Schlafkameradinnen einträgt, die sich lieber in zweideutigen Geschichten ergehen. […] Schon deshalb bin ich froh, daß ich mich durch meine Bücher aus ihrem Gespräch heraushalten kann, was mir natürlich zum Teil als Hochmut angerechnet wird. […] Im Übrigen […] bin ich froh, daß ich mich schlecht eingewöhne, und wünsche eigentlich diesen Zustand (diesen alltäglichen) gar nicht herbei. Im Gegenteil: Man versandet zu schnell dabei.
Manchmal schon, besonders in letzter Zeit, empfand ich es als bittere Ungerechtigkeit, in einer solchen von Weltgeschehen ganz ausgefüllten Zeit leben zu müssen.
Und bald scheint mir das Gebrüll der beleidigten Erde, der aus ihrer Ordnung geratenen, dämonisch gewordenen Dinge, der Maschinen, die Diener der Menschen sein sollen und zu ihrem Zerstörer geworden sind, allen unbeirrbaren Frieden zu übertönen. Aber doch kann ich es nicht glauben, ohne dabei unterzugehen.
Heute Abend kommt Hans aus Rußland zurück. Nun sollte ich mich wohl freuen, daß er wieder bei uns ist, und ich tue es auch und male mir schon die Tage aus, die wir gemeinsam in München verbringen werden, in unserer kleinen Wohnung, und die wohl fruchtbar sein könnten.
Und doch kann ich mich nicht ungetrübt freuen. Die Unsicherheit, in der wir heute dauernd leben, die uns ein fröhliches Planen für den morgigen Tag verbietet und auf alle die nächsten kommenden Tage ihre Schatten wirft, bedrückt mich Tag und Nacht und verläßt mich eigentlich keine Minute.
Ebenso unrichtig finde ich es, wenn ein Deutscher oder Franzose, od. was er sein mag, sein Volk stur verteidigt, nur weil es sein Volk ist. Gefühle leiten oft irre.
Manchmal graut mir vor dem Krieg, und alle Hoffnung will mir vergehen. Ich mag gar nicht dran denken, aber es gibt ja bald nichts anderes mehr als Politik, und solange sie so verworren ist und böse, ist es feige, sich von ihr abzuwenden.
Wenn hier Hitler mir entgegenkäme und ich eine Pistole hätte, würde ich ihn erschießen. Wenn es die Männer nicht machen, muß es eben eine Frau tun.
Es war unsere Überzeugung, dass der Krieg für Deutschland verloren ist, und dass jedes Menschenleben, das für diesen verlorenen Krieg geopfert wird, umsonst ist.
Was liegt an meinem Tod, wenn durch unser Handeln Tausende von Menschen aufgerüttelt und geweckt werden.
Was wir sagten und schrieben, denken ja so viele. Nur wagen sie nicht, es auszusprechen.
Die Angeklagten haben im Kriege in Flugblättern zur Sabotage der Rüstung und zum Sturz der nationalsozialistischen Lebensform unseres Volkes aufgerufen, defätistische Gedanken propagiert und den Führer aufs Gemeinste beschimpft und dadurch den Feind des Reiches begünstigt und unsere Wehrkraft zersetzt. Sie werden deshalb mit dem Tode bestraft.
(aus der Urteilsbegründung)
Links
Weiße Rose Stiftung e.V.
Online verfügbar unter https://www.weisse-rose-stiftung.de/, zuletzt geprüft am 03.05.2021.
Hinrichtung der Geschwister Scholl: Historisches Fallbeil stand Jahrzehnte in Museumsdepot. Der Spiegel, 10.01.2014 (2014).
Online verfügbar unter https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/weisse-rose-fallbeil-der-geschwister-scholl-in-museum-entdeckt-a-942937.html, zuletzt geprüft am 03.05.2021.
Bundeszentrale für politische Bildung: Sophie Scholl und die Weiße Rose – Dossier.
Online verfügbar unter http://www.bpb.de/themen/HKQ6B3,0,0,Sophie_Scholl_und_die_Wei%DFe_Rose.html, zuletzt geprüft am 07.02.2018.
Internet Movie Database: Sophie Scholl. Filme.
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Kleinhans, Bernd: Die Weiße Rose.
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Köster, Freimut: Gedenkseite für Karlrobert Kreiten. Freisler – Der Prozess gegen Hans und Sophie Scholl.
Online verfügbar unter http://www.fkoester.de/kreiten/freisler/seite7.php, zuletzt geprüft am 07.02.2018.
Lettenbauer, susanne (2018): Geschwister Scholl - Erinnerung an die Weiße Rose – eine Spurensuche in München. Deutschlandfunk Kultur.
Online verfügbar unter https://www.deutschlandfunkkultur.de/geschwister-scholl-erinnerung-an-die-weisse-rose-eine.1001.de.html?dram:article_id=429074, zuletzt geprüft am 03.05.2021.
Munzinger-Archiv (2021): Sophie Scholl - Munzinger Biographie. Volltext nur mit Login lesbar!
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Schimmeck, Kerstin (2021): Sophie und Hans Scholl, zum Tode verurteilt am 22.02.1943. Das Bundesarchiv.
Online verfügbar unter https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Virtuelle-Ausstellungen/Sophie-Und-Hans-Scholl-Zum-Tode-Verurteilt-Am-22-02-1943/sophie-und-hans-scholl-zum-tode-verurteilt-am-22-02-1943.html, zuletzt geprüft am 03.05.2021.
Schwabe, Alexander (2006): Widerstandskreis Weiße Rose: “Hören wir endlich auf, das Bild von Halbgöttern zu zeichnen”. Interview mit Sönke Zankel. Der Spiegel, 14.09.2006.
Online verfügbar unter https://www.spiegel.de/panorama/zeitgeschichte/widerstandskreis-weisse-rose-hoeren-wir-endlich-auf-das-bild-von-halbgoettern-zu-zeichnen-a-436915.html, zuletzt geprüft am 03.05.2021.
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Online verfügbar unter https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/f60_1691, zuletzt geprüft am 03.05.2021.
Watzel, Liane (2021): Sophie Scholl und der Widerstand der “Weißen Rose”. MDR.de.
Online verfügbar unter https://www.mdr.de/zeitreise/ns-zeit/sophie-scholl-weisse-rose-100.html, zuletzt geprüft am 03.05.2021.
Wikiquote: Sophie Scholl. Zitate von und über Sophie Scholl.
Online verfügbar unter http://de.wikiquote.org/wiki/Sophie_Scholl, zuletzt geprüft am 07.02.2018.
ZDF.de (2013): Sophie Scholl - Die Seele des Widerstands. Im Kampf für die Überzeugung. Video, 43 min, vom 17.12.2013.
Online verfügbar unter https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/sophie-scholl-seele-des-widerstands-100.html, zuletzt geprüft am 03.05.2021.
Zeitklicks (2021): Personen | Sophie Scholl.
Online verfügbar unter https://www.zeitklicks.de/top-menu/personen/navigation/topnav/buchstabe/s/scholl/, zuletzt geprüft am 03.05.2021.
Literatur & Quellen
Quellen
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Beuys, Barbara: Sophie Scholl. Biografie. München 2011 (Insel)
Chaussy, Ulrich & Ueberschär, Gerd R.: „Es lebe die Freiheit“. Die Geschichte der Weißen Rose und ihrer Mitglieder in Dokumenten und Berichten. Frankfurt a.M. 2013 (Fischer Taschenbuch Verlag)
Ellermeier, Barbara: Sophie Scholl – Lesen ist Freiheit! München 2018 (bene)
Gebhardt, Miriam: Die Weiße Rose. Wie aus ganz normalen Deutschen Widerstandskämpfer wurden. München 2017 (DVA)
Hanser, Richard: Deutschland zuliebe. Leben und Sterben der Geschwister Scholl. Die Geschichte der Weißen Rose. München 1982 (Deutscher Taschenbuch Verlag)
Hilpert, Konrad (Hg.): Glaube und Widerstand. 70 Jahre „Weiße Rose“ (= LMUniversum, Bd. 15). München 2014 (Archiv der LMU München)
Jens, Inge (Hg.): Hans Scholl, Sophie Scholl – Briefe und Aufzeichnungen. Frankfurt a.M. 1984 (S. Fischer)
Kargl, Kristina: Die Weiße Rose – Defizite einer Erinnerungskultur. München 2014 (Allitera)
Leisner, Barbara: „Ich würde es genauso wieder machen“ – Sophie Scholl. München 2000 (List)
Milstein, Werner: Mut zum Widerstand: Sophie Scholl - ein Porträt. Neukirchen-Vluyn 2003 (Neukirchner Verlagshaus)
Scholl, Inge: Die Weiße Rose. Frankfurt a.M. 2009 (Fischer Taschenbuch Verlag)
Vinke, Hermann: Das kurze Leben der Sophie Scholl. Ravensburg 1987 (Ravensburger)
Vinke, Hermann (Hg.): Hoffentlich schreibst Du recht bald. Sophie Scholl und Fritz Hartnagel: Eine Freundschaft 1937 – 1943. Ravensburg 2006 (Ravensburger)
Weber, Edwin Ernst: Sophie Scholl und das weibliche Reichsarbeitsdienstlager Krauchenwies. In: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte, Bd. 34, 1998, S. 207–224
Sophie Scholl – Ein Leben. Eine Hörbiografie. Hörbuch, Berlin 2007 (Argon, R: Gottfried von Einem, D: Julia Jentsch, Matthias Ponnier, Alexander Khuon), 66 Min.
Das Verhör Sophie Scholl. Hörbuch, München 2015 (Rabenmütter, R: Franziska Pörschmann, D: Anna Clarin, Konstantin Wecker), 78 Min.
Die weiße Rose. Kinofilm, Bundesrepublik Deutschland 1982 (R: Michael Verhoeven, D: Lena Stolze, Wulf Kessler), 123 Min.
Fünf letzte Tage. Kinofilm, Bundesrepublik Deutschland 1982 (R: Percy Adlon, D: Lena Stolze, Irm Hermann), 112 Min.
Sophie Scholl – Die letzten Tage. Kinofilm, Deutschland 2005 (R: Marc Rothemund, D: Julia Jentsch, Alexander Held), 116 Min.
Weiterführende Literatur
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Aicher-Scholl, Inge (1996): Überleben, Weiterleben: Inge Aicher-Scholl zum 80. Geburtstag. Direktverlag.Hanser, Richard (1980): Deutschland zuliebe. Leben und Sterben der Geschwister Scholl ; die Geschichte der Weißen Rose. (=A noble treason) München. Kindler. ISBN 3463007940. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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Beuys, Barbara (2010): Sophie Scholl. Biografie. München. Hanser. ISBN 978-3-446-23505-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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Steffahn, Harald (2007): Die Weiße Rose. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 8. Aufl., Orig.-Ausg. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. (Rowohlts Monographien, 50498) ISBN 3-499-50498-7. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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Vinke, Hermann (2006): Hoffentlich schreibst Du recht bald. Sophie Scholl und Fritz Hartnagel ; eine Freundschaft 1937 - 1943. Ravensburg. Ravensburger Buchverl. Maier. ISBN 3-473-35253-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Vinke, Hermann; Hartnagel, Fritz (2005): Fritz Hartnagel. Der Freund von Sophie Scholl. Zürich. Arche-Verl. ISBN 3-7160-2341-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
- Wikimedia Commons
- Tangente – Schülerzeitung des Max-Planck-Gymnasiums Ludwigshafen
- holocaust-history.org
- Marieable of F▲shion
- helmut-zenz.de
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