Fembio Specials Frauenbeziehungen Sappho
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Sappho
geboren um 612 v.u.Z in Mytilene oder Eressos (Lesbos)
gestorben um 557 v.u.Z auf der Insel Lesbos
griechische Dichterin
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Sapphos Gedichte sind eine machtvolle Herausforderung der verbreiteten Vorstellung einer monolithischen phallischen Ökonomie, des Triumphs uneingeschränkter maskuliner Subjektivität in der gesamten Kultur des Westens. Sappho feiert weder Hausarbeit noch Fruchtbarkeit noch die Rolle der guten Ehefrau, sondern vielmehr die Erinnerung und die Sehnsucht nach der abwesenden Geliebten, die Liebe und Lust, die Frauen auf weichen Betten miteinander teilen. Wir ... können die Geschichte der Sexualität nicht ohne Sappho schreiben. Wir müssen mit dieser Frau zurechtkommen, die das Fundament der westlichen Kultur und der Geschichte der Sexualität erschüttert, ... mit dieser Frau, die von ihrem Begehren spricht. (Page Dubois, 1995)
Über das Leben der berühmtesten Dichterin des Abendlandes ist wenig bekannt. Geboren wurde sie um 612 vor unserer Zeitrechnung auf der griechischen Insel Lesbos unweit der Küste Kleinasiens (heute Türkei). Die Aristokratin bewegte sich in einem Kreis von Mädchen und jungen Frauen, vielleicht Freundinnen, vielleicht Schülerinnen, vielleicht beides, vielleicht Jüngerinnen eines Aphrodite–Kultes. Es heißt, dass sie eine Tochter namens Kleis hatte. Vielleicht war Kleis aber auch eine junge Geliebte - es hängt davon ab, wie wir das griechische Wort “pais”= 'Kind' interpretieren in den Zeilen: “Hab ein schönes Kind, / goldnen Blumen wohl vergleichbar / ist sein feiner Wuchs: / Kleis heisst sie, mein Alles, / und ich nähme nicht / Lydiens Reichtum noch das schöne / (Lesbos), müsst' als Preis / sie ich geben ...”
Sapphos Ruhm gründet sich auf das übereinstimmende Zeugnis antiker Autoren, die weit mehr von ihrem Werk kannten als uns heute überliefert ist sowie auf ein einziges vollständig erhaltenes Gedicht und eine Reihe von Fragmenten, von denen nur 40 aus mehr als ein paar Worten bestehen. Was ihre Gedicht–Fragmente auch heute noch zum “Inbegriff des Lyrischen” macht, ist ihre Frische und Unmittelbarkeit des Tons, ihre Leidenschaft und Intimität. In ihrem wohl berühmtesten Gedicht schildert Sappho mit klinischer Präzision die körperlichen Symptome verzehrender Eifersucht und Begierde (die Übersetzung ist allerdings ein wenig altbacken):
Scheinen will mir, dass er den Göttern gleich ist,
jener Mann, der neben dir sitzt, dir nahe
auf den süßen Klang deiner Stimme lauscht und,
wie du voll Liebreiz
ihm entgegenlachst: doch, fürwahr, in meiner
Brust hat dies die Ruhe geraubt dem Herzen.
Wenn ich dich erblicke, geschiehts mit einmal,
daß ich verstumme.
Denn bewegungslos liegt die Zunge, feines
Feuer hat im Nu meine Haut durchrieselt,
mit den Augen sehe ich nichts, ein Dröhnen
braust in den Ohren.
Und der Schweiß bricht aus, mich befällt ein Zittern
aller Glieder, bleicher als dürre Gräser
bin ich, bald schon bin einer Toten gleich ich
anzusehn ...
Die Gräcistin Page Dubois sieht in Sappho nicht nur eine geniale Dichterin, sondern auch eine bisher unentdeckte Philosophin. Ausgehend von dem Fragment Nr. 16, in dem Sappho feststellt, das Schönste auf der dunklen Erde sei nicht eine Schar von Reitern oder dergleichen, sondern das, was man liebt, fragt Dubois mit Recht: “Wie sähe wohl die Geschichte der Philosophie aus, wenn wir Sappho an ihren Anfang stellten?”
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
Der Liebsten
nach Sappho
Göttern gleicht der mir, der dir nahe sitzend,
deine Stimme, neben dir ruhend, hören
darf, am süßen Klang, und am Lachen, diesem
Lachen der Sehnsucht,
saugt. Die zarten Intimitäten seh’ ich:
Herzrhythmus-Rasen und der Stimme Taubheit –
in mir nur Irrsinn; meine Worte schweigen
wenn ich dich sehe.
Du – die Stimme bricht, meine Zunge trocken,
glühend durchzuckt’s mich, wie von feinsten Flammen,
schwarz wird mir vor Augen, und Rauschen schließt die
Muscheln der Ohren.
Schweißnass mein Körper, und das Zittern aller
Glieder ist wie Zittern der Gräser, dürres
totes Gras im Wind. Ich bin bleich – ich gleiche
fast einem Leichnam.
Ich versteh’, was Liebste du treibst, erduld’ es…
– – – – –
Siegfried Carl
Literatur & Quellen
Dubois, Page. 1995. Sappho is Burning. Chicago; London. Chicago Univerity Press.
Giebel, Marion. 1980. Sappho in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg. rororo monographie 291.
Page, Denys. 1955. Sappho and Alcaeus: An Introduction to the Study of Ancient Lesbian Poetry. Oxford. Clarendon.
Sappho. Hg. u. übertr. von Emil Staiger. Zeichn. von Henri Matisse. Zürich 1960. Arche.
Sappho: Muse des äolischen Eresos. Neu übertr. und kommentiert von Stefanie Preiswerk-Zumstein. Frankfurt/M. 1990. Insel.
Thomamüller, Klaus. 1974. Ade, rosenfingriger Mond! - Auf dem Wege zum ursprünglichen Text der lesbischen Dichterin Sappho. Bern. Lang.
Weigall, Arthur. 1965. Sappho auf Lesbos: Ihr Leben und ihre Zeit. Aus d. Engl. von Ruth Weiland Freeman. München. List.
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