Fembio Specials Frauenbeziehungen Renate von Gebhardt
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Renate von Gebhardt
© Bettina von Gebhardt
(Geburtsname: Adelheid Renate Felicitas von Gebhardt)
geboren am 28. November 1921 in Berlin
gestorben am 26. Juni 2019 in Berlin
deutsche Schriftstellerin und Redakteurin beim RIAS Berlin
5. Todestag am 26. Juni 2024
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Sie kam aus einer Familie, in der viel geschrieben wurde. Aber nach einem kurzen Ausflug ins Schreiben wandte sie sich dem Radio zu und wurde eine wichtige Größe im Kinderfunk des RIAS Berlin (Radio im amerikanischen Sektor).
Renate von Gebhardts Mutter war die Schriftstellerin Hertha von Gebhardt, ihr Vater der Genealoge und Archivar Peter von Gebhardt (1888-1947). Im Jahr ihrer Geburt war ihr älterer Bruder im Alter von gerade mal einem Jahr gestorben. Ihre Eltern ließen sich 1927 scheiden, aber sie hatte weiterhin guten und regelmäßigen Kontakt zu ihrem Vater.
Ab 1930 war ihre Mutter mit der Schriftstellerin und Bildhauerin Christa Winsloe befreundet, mit der auch Renate von Gebhardt einen eigenen Kontakt hatte. Gerne besuchte sie diese in München, wenn sie die Großeltern in Grainau besuchte, und machte Ausflüge mit ihr in deren Auto, was damals noch eine Besonderheit darstellte. Später unterhielt sie bis zu Winsloes Tod ihren eigenen Briefwechsel mit ihr. Bis ins hohe Alter wusste sie lebendig von ihr zu erzählen. Von ihrer Mutter erbte sie Winsloes schriftstellerischen Nachlass.
Bereits als Jugendliche lernte sie Geige und Bratsche spielen; später wechselte sie mit Leidenschaft zur Orgel. Musik wurde für sie während ihrer Schulzeit zum Lebensinhalt, ohne Schulabschluss verließ sie 1937 die Königin-Luise-Stiftung – ihre Noten machen deutlich, dass sie sich außer für Musik für nichts mehr interessierte. Für das Studium der Kirchenmusik brauchte sie kein Abitur. Sie begann ihr Studium an der Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik in Berlin, wechselte jedoch wegen des zunehmenden Antisemitismus in der Stadt nach München, wo sie ihn aber als noch schlimmer erlebte, bevor sie letztendlich in Heidelberg weiterstudierte.
Ihre Mutter sorgte während der NS-Zeit dafür, dass ihre Tochter nicht dem Bund Deutscher Mädel beitreten musste, sondern stattdessen zum Volksbund für das Deutschtum im Ausland konnte. Den Rest ihres Lebens bereute sie, die den Nationalsozialismus zutiefst verachtete, dass sie ihren jüdischen FreundInnen in dieser Zeit nicht genug geholfen habe.
1945 ging sie zurück nach Berlin, weil sie ihre Mutter beim Kriegsende nicht alleine lassen wollte.
Nach dem Krieg versuchte sich Renate von Gebhardt in mehreren Bereichen. Dass ein Leben als Kantorin ihr nicht lag, war ihr bereits deutlich geworden. Von der später nach Kanada ausgewanderten Fotografin Elisabeth Frey lernte sie fotografieren. Als einige Schülerinnen der Tänzerin Mary Wigman, mit der ihre Mutter befreundet war, ein Wasserballett beim Schweizer Cirkus Knie aufführten, zog sie in den 1950er Jahren einige Wochen mit ihnen durch die Lande, wovon eine Serie Fotos zeugt.
Eine andere Freundin aus dieser Zeit war die Tänzerin und Wigman-Schülerin Margaret Dietz, die 1953 in die USA auswanderte, wo sie als Choreografin arbeitete und Professorin wurde.
Die Autorin
Schreiben lag in ihrer Familie, in der unter anderem der Schriftsteller und Ägyptologe Georg Ebers, die Schriftstellerin Ina Seidel, ihr Vater als Genealoge und ihre Mutter zahlreiche Werke verfasst haben. Über ihre Mutter kannte sie auch unzählige Autorinnen und Autoren aus den 1920er und 1930er Jahren persönlich.
Gleich nach Kriegsende wandte sich auch Renate von Gebhardt dem Schreiben zu. Sie schrieb viel und leidenschaftlich gern. Auf ihren ersten Text mit dem Titel „Jahrgang 1921“ notierte sie mit Bleistift „Opus 1!“, ob es veröffentlicht wurde, ist unklar. Darin beschreibt sie die Nachkriegssituation ihrer Generation, die die Freiheit erst erlernen musste:
»(…) die Jugend ist wieder zivil, und eine herzliche Entspanntheit löst die Starre und Stille, das verzweifelte Bedürfnis nach Frieden und Friedlichkeit. Und aus dieser Entspannung wird neuer Elan. Wir arbeiten, bauen auf und wir staunen: wir Jungen begrüssen ja in den neuen Lebensformen nichts altvertrautes wieder, nein, wir sehen uns Tatsachen gegenüber, wie wir sie nie gekannt oder auch nur geahnt haben.«
Dazu zählte für sie auch, verschiedene Zeitungen lesen zu können und Mendelssohn öffentlich gespielt zu hören.
Erst waren es Feuilleton-Texte, die ab 1945 in zahlreichen Zeitungen wie Der Morgen, Hessische Nachrichten, Telegraf und Sie erschienen. Es waren meist kurze amüsante Texte. Aber es gab auch Tiergeschichten über Elefanten und Möpse (natürlich Möpse, hatten sie und ihre Mutter doch einen von ihrer Freundin Christa Winsloe geschenkt bekommen) sowie ernsthaftere, wie beispielsweise „Neue Klänge in Berlin. Ein Kapitel Musikgeschichte“, das 1946 veröffentlicht wurde, und ein Beitrag zum 85. Todestag von Elizabeth Barrett-Browning.
Mindestens einen ihrer Texte schickte sie auch an die in die USA ausgewanderte Freundin ihrer Mutter, die Journalistin Hilde Walter, als „Stimme aus Deutschland“ zum Abdruck. Ergänzend zum Text wird die Autorin vorgestellt:
»Die Verfasserin lebt in Berlin, ist 24 Jahre alt, in einer Familie von Gelehrten und Schriftstellern aufgewachsen und hat Musik studiert. Ihre ersten Skizzen veröffentlichte sie in den neuen deutschen Zeitungen, die nach dem Zusammenbruch der Nazis herauskamen. Das Stimmungsbild von einer Reise von Berlin nach Weimar erschien in den Hessischen Nachrichten.“«
Als erstes Buch von Renate von Gebhardt erschien 1946 eine Zusammenstellung „aus deutscher Dichtung“, das „Schlummerbrevier“. Darauf folgten drei Mädchenbücher, die sie selber schrieb. Das Schreiben verarbeitete sie auf ihre humoristische Art in einem Feuilleton-Text für die Halbmonatszeitung für junge Menschen Horizont unter dem Titel „Ich schreibe ein Buch“:
»Der Titel klingt stolz. Es klingt nicht nur stolz, es ist auch so gemeint. Ich gebe zu, es haben (vor mir) schon ganz andere Bücher geschrieben. Manche sogar zwei oder drei oder siebenundfünfzig. Oder noch mehr. Das Erregende aber ist, daß es sich hier um das ERSTE Buch handelt, welches ich schreibe. Man stelle sich nur mal vor, w a s da alles dazu gehört. Um mit der kalten, grau-rauhen Wirklichkeit zu beginnen: du brauchst eine Schreibmaschine. Mit Farbband, Papier, viel Papier. Du brauchst einen Raum, in dem du, manchmal, allein sein kannst.
(…) P. S.: Ich bin auf Seite 43. Trotzdem fällt mir, entgegen aller Befürchtungen, immer noch etwas ein. Zur Ergänzung sei im übrigen noch gesagt, es geht auch ohne Schreibmaschine. Manche k ö n n e n sogar nur mit Bleistift. Bloß ohne Idee kann keiner.«
An Ideen mangelte es ihr nicht, auch eine Geschichte des Bleistifts schrieb sie.
Ihr erstes Mädchenbuch erschien 1949: „Annemarie Degner, stud. mus.“ im Schaffstein Verlag, in dem auch die Mädchenbücher ihrer Mutter erschienen. Darin erzählt sie die Geschichte einer jungen Frau, die nach ihrer Schulzeit ins Nachkriegs-Berlin zieht, um dort Musik zu studieren. 1955 folgte der Roman „Erste Begegnung“ (über erste Verliebtheiten von Schulmädchen) und 1959 „Denn über alles Glück …“ (1959) (über eine Ferienreise zweier Freundinnen nach Frankreich) im Cecilie Dressler Verlag, eine Übersetzung davon ins Italienische erschien 1961 unter dem Titel „Due ragazze e una vacanza“.
Die Redakteurin
Nach dem Krieg bewarb sich Renate von Gebhardt beim Kulturfunk des Berliner Rundfunks, der von Annamarie Doherr geleitet wurde. Sie erhielt eine begeisterte Reaktion und wurde gleich als Reporterin angenommen. Gleichzeitig schrieb sie aber auch weiter Feuilleton-Texte, wurde als Reporterin nach Weimar geschickt und schrieb 1946 auch einen Text über „Weimar im Regen“.
1947 wechselte sie zum RIAS Berlin, wo sie eine feste Anstellung erhielt und bis 1981 den Kinderfunk leitete. Sie hat dort unzählige Sendungen für jüngere HörerInnen betreut und selber verfasst. Darunter waren sehr beliebte wie die ersten Märchenprogramme. Über die Berliner Grenzen hinaus bekannt war vor allem die wöchentliche Sendung „Die RIAS-Kinder besuchen Onkel Tobias“, an die sich heute noch viele aus ihrer Kindheit erinnern und deren Chefredakteurin sie war. Aber sie betreute auch Hörspiele sowie Lesungen bis hin zu den Rätselspielen der RIAS-Kinder und wirkte bei der Reihe „Bei uns funkt’s“ mit.
Neben den Radiosendungen gab sie auch Spiel- und Bastelbücher der überaus beliebten Serie “Onkel Tobias” heraus.
Auch wenn es beruflich gut für sie lief, ihre innigen Freundschaften mit Frauen fielen auf und so wurde ihr im RIAS geraten, sich einen Verlobten zuzulegen. Dieses „Problem“ löste sie, in dem sie sich im Sender häufiger mit einem Freund verabredete.
Privates
Liebesbeziehungen mit Frauen waren ihr schon früh eine Selbstverständlichkeit, da sie die von ihrer Mutter kannte. Nach mehreren intensiven Liebesbeziehungen, die zum Teil in lebenslange Freundschaften übergingen, hatte sie drei
langfristige Beziehungen. Wie Georg Eisenberg in seinem Nachruf so treffend schreibt:
„Sie hat sich immer genommen, was sie wollte, aber sie hat auch gegeben, was andere sich nie zu nehmen gewagt hätten: ihre ganze Liebe.“
In den letzten Jahrzehnten teilte Renate von Gebhardt ihre Zeit auf zwischen Schleswig-Holstein, wo sie ihre Sommer verbrachte, und Berlin, wo sie im Winter in der Künstlerkolonie lebte.
(Text von 2021)
Verfasserin: Doris Hermanns
Links
Renate von Gebhardt in der Deutschen National Bibliothek
Literatur & Quellen
Literatur über Renate von Gebhardt:
Gregor Eisenhauer: Renate von Gebhardt, * 28. November 1921. In: Tagesspiegel, 24.11.2019.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/renate-von-gebhardt-geb-1921/25258046.html
Interviews mit Renate von Gebhardt:
Renate von Gebhardt im Interview mit Babette Reicherdt, Stephanie Kuhnen und Katharina Rivilis. 30. Oktober 2015. Archiv der anderen Erinnerungen, Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Berlin.
Renate von Gebhardt im Interview mit Andrea Rottmann, 30. Januar 2017, Berlin. Transkript einsehbar im Archiv der anderen Erinnerungen, Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Berlin.
Von Renate von Gebhardt:
Schlummerbrevier: aus deutscher Dichtung. (1946) Zusammengestellt von Renate von Gebhardt. Berlin, Hübener. Drei kleine Birken Bücherei; Band 8.
Annemarie Degner, stud. mus. Eine Erzählung für Mädchen. (1949) Köln, Schaffstein
Singt und spielt mit Onkel Tobias: Ein Spielbuch für frohe und trübe Tage. (1952) Hg. von Renate von Gebhardt. Texte von Lilly Hintz und Werner E. Hintz.
Heut' machen wir Kasperletheater: Ein Spiel- und Bastelbuch von Onkel Tobias. (1952) Hg. von Renate von Gebhardt. Berlin, Weiter (Aufwärts Verlag) 1954.
Erste Begegnung. (1955) Berlin, Dressler.
Der Onkel-Tobias-Kinder-Kalender. (1956) Ein buntes Jahrbuch für Jungen und Mädchen. Hrsg. von Renate von Gebhardt. Jg. 5. Berlin, München, Weiss.
Denn über alles Glück … (1959) Berlin, Dressler.
Due ragazze e una vacanza. (1961) Milano, La Sorgente. Italienische Übersetzung von „Denn über alles Glück …“ von Augusta Uccelli.
Renate von Gebhardt, Fotografien. (2020) Hg. von Christine Häuser und Elena Ilina. so viele Hefte 71. München, icon Verlag Herbert Kretschmer.
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