Fembio Specials Europäische Jüdinnen Ossip Schubin
Fembio Special: Europäische Jüdinnen
Ossip Schubin
(eigentl.: Aloisia (Lola, Louise) Kirschner)
geboren am 17. Juni 1854 in Prag
gestorben am10. Februar 1934 auf Schloß Košátky
deutsche Schriftstellerin
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Sie einfach nur als Ebner-Eschenbach-Epigonin abzutun, was neben der Judenfeindlichkeit der Nazi-Zeit mit zum Verschwinden aus dem Interesse der Verlage und LeserInnen führte, wird der böhmischen Erzählerin Ossip Schubin nicht gerecht. Mit ihren knapp 50 Romanen und Novellenbänden sowie ihren Beiträgen in Zeitschriften und Journalen, wie „Die Woche“, „Deutsche Lesehalle“, „Berliner Tageblatt“ oder „Westermanns Monatshefte“, gehört sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Jahrhundertwende.
In eine assimilierte jüdische Familie mit italienischen und böhmischen Vorfahren geboren, verlebt Aloysia eine unbeschwerte Kindheit im reichen Elternhaus, vor allem auf dem Familienbesitz Gut Lochkov. Ihr Vater ist ein angesehener Prager Notar und Anwalt. Die Erziehung und Bildung erfolgt zwar breit, aber unsystematisch durch Hauslehrer. Eigentlich will Lola Sängerin werden, gelobt wird ihre außergewöhnlich schöne Stimme. Allerdings wird diese durch falsche Gesangspädagogen verhunzt, sodass sie sich auf die Schriftstellerei verlegt, dort jedoch auch immer wieder Musiker und Musikerlebnisse einflicht. Sie sagt darüber in späteren Jahren: „Die Beziehung zur Musik ist mein Liebesverhältnis, die zur Literatur meine Vernunftheirat.“
Mit 15 Jahren veröffentlicht sie ihre erste Novelle „Niklas Z.“ in „Bohemia“ einer Beilage der „Prager Zeitung“. Weitere kleinere Publikationen folgen in diversen Blättern. Nachdem die Familie durch den Tod des Vaters ihren luxuriösen Lebensstil einschränken muss, verbündet sich Lola, wie sie im Familienkreis heißt, mit ihrer als bildende Künstlerin – Jugendstil-Glaskunst – erfolgreichen Schwester Marie (Luise Kirschner, 1852-1931). Die beiden leben in Paris, Rom und vor allem viele Jahre in Berlin und später Prag bis zu ihrem Lebensende zusammen. Zwei unverheiratete, extravagante und extrovertierte Künstlerinnen, die sich einen aufwendigen Lebensstiel leisten können, denn nach dem ersten Erfolgsroman „Ehre“ von 1883 folgt bis in die Vorkriegszeit 1914 ein Roman oder Novellenband dem nächsten, stets Verkaufserfolge. Den Künstlernamen „Schubin“ entnimmt Lola Kirschner der Novelle „Elene“ des von ihr verehrten Iwan Turgeniew, den sie schon in den frühen 1880ern bei einer Paris-Reise mit ihrer Mutter und Marie im Kreis der betagten George Sand kennengelernt hat. In Berlin führen die beiden Schwestern in Maries Atelier einen künstlerischen „Donnerstagskreis“; in dem sich von 1888 bis zum ersten Weltkrieg die kaisertreue Berliner Kulturaristokratie trifft.
Schon vor 1914 und erst recht in der Weimarer Republik erlahmt das Interesse an Ossip Schubin. Sie lebt mit Marie im Sommer auf angemieteten böhmischen Schlössern und im Winter in Prag, im Hotel „Blauer Stern“. Sie zehrt von der früheren Berühmtheit und stirbt, ein wenig vereinsamt und hochbetagt, fast 80jährig. Ihre letzte Ruhestätte findet sie in der Familiengruft auf dem Prager Friedhof Malvazinky.
(Text von 2024 aus dem Buch “...immer Luise” von Siegfried Carl; mit freundlicher Genehmigung des Verfassers).
Verfasserin: Siegfried Carl
Literatur & Quellen
Brinker-Gabler, Gisela, Karola Ludwig & Angela Wöffen. 1986. Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1800-1945. München. dtv TB 3282.
Budke, Petra & Jutta Schulze. 1995. Schriftstellerinnen in Berlin 1871 bis 1945: Ein Lexikon zu Leben und Werk. Berlin. Orlanda.
Wilhelmy-Dollinger, Petra. 2000. Die Berliner Salons. Berlin; New York. de Gruyter.
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