Fembio Specials Exilantinnen (1933-1945) Mopsa Sternheim
Fembio Special: Exilantinnen (1933-1945)
Mopsa Sternheim
(Geburtsname: Elisabeth Dorothea Löwenstein, Ehename: Dorothea von Ripper)
geboren am 10. Januar 1905 in Düsseldorf-Oberkassel
gestorben am 11. September 1954 in Paris
deutsch-österreichische Bühnenbildnerin, Kostümbildnerin und Widerstandskämpferin
120. Geburtstag am 10. Januar 2025
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Ihr Leben begann mit doppelten Namen: Elisabeth oder Dorothea wurde sie nie genannt, sondern bereits früh Mopsa. Erst als sie elf Jahre alt war, erfuhr sie, dass nicht Arthur Löwenstein, der Mann, mit dem ihre Mutter Thea Sternheim zur Zeit ihrer Geburt verheiratet gewesen war, ihr Vater war, sondern deren langjähriger Liebhaber, der jüdische Schriftsteller Carl Sternheim, mit dem sie inzwischen verheiratet war. Löwenstein hatte zur Bedingung für die Scheidung gemacht, dass die beiden Töchter - Elisabeth hatte noch eine ältere Schwester, Agnes, an der sie sehr hing - bei ihm bleiben sollten. So kam es, dass sie nur jeweils zwei Monate im Sommer mit ihrer Mutter verbringen durfte. Ihre jungen Jahre waren dann auch von der Sehnsucht nach ihr geprägt, und ihre enge Bindung sollte ihr Leben lang andauern. Erst als Löwenstein wieder heiratete, lieferte er sie bei ihrer Mutter ab, und erst jetzt erfuhr sie, dass Sternheim ihr Vater war.
Mopsa Sternheim zog zu ihrer neuen Familie nach Belgien. Ihre Mutter unterrichtete sie und ihren Bruder Klaus, der drei Jahre jünger war als sie, zu Hause. Das Ende des Ersten Weltkrieges erlebten sie in den neutralen Niederlanden. Hier lernte Mopsa Sternheim eine politisch aktive Frau kennen, durch die sie begann, sich für Politik zu interessieren. Sie war erst dreizehn Jahre alt.
Nach Kriegsende begann Carl Sternheim seiner Tochter nachzustellen. Schon früh musste sie lernen, sich gegen seine sexuellen Übergriffe zur Wehr zu setzen. Ihre Mutter stritt sich zwar mit ihm, verließ ihn aber nicht, um sie zu schützen, sondern flüchtete in Krankheiten und versuchte, sich das Leben zu nehmen. Seither hatte die Tochter das Gefühl, ihre Mutter schützen und bei guter Laune halten zu müssen. So sehr sie sich später auch darum bemühte, von ihrer Mutter loszukommen, es gelang ihr nicht. Und so lange sie mit ihren Eltern zusammenlebte, fühlte sie sich in deren Spannungsfeld zerrissen.
Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in der Schweiz zog die Familie 1922 auf den Waldhof in die Nähe von Dresden. Die Besucherinnen und Besucher der Eltern sollten großen Einfluss auf Mopsa haben. Zum Beispiel Franz Pfemfert, der die literarische und politische Zeitschrift Die Aktion herausgab, die sie schon als Kind und Jugendliche begeistert gelesen hatte, und seine Frau Anja Ramm-Pfemfert, die seit 1917 die Aktions-Buch-und Kunsthandlung mit Antiquariat in Berlin führte, sowie die sowjetische Gewerkschaftssekretärin Helene Lerner, die sie sehr liebte und die für Mopsa alles zu verkörpern schien, was einen freien Menschen ausmachte. Außerdem wohnten die Schriftstellerin Alice Rühle-Gerstel und ihr Mann Otto Rühle, ein Rätekommunist, in der Nachbarschaft. Politische Gespräche, an denen Mopsa sehr interessiert war, waren also an der Tagesordnung. Zeitlebens setzte sie sich mit den philosophischen und praktischen Seiten des Kommunismus auseinander, ohne jedoch Mitglied einer Partei zu werden. Es sollte ihr immer ein Problem bleiben, dass es nicht genügend Frauen gab, mit denen sie politische Diskussionen führen konnte.
Bereits mit siebzehn Jahren war ihr klar, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht würde verdienen können mit dem, was sie am liebsten tat, nämlich Zeichnen. Dennoch besuchte sie ab dem Frühjahr 1923 die Kunstakademie in Dresden. Sie fühlte sich dort häufig fehl am Platze und war überzeugt, nichts zu können. Von einigen jungen Frauen dort fühlte sie sich zwar angezogen, aber reden konnte sie mit ihnen nicht. Ihr Vater schlug ihr vor, das Bühnenbild und die Kostüme für die Aufführung seines Theaterstücks Nebbich in Berlin zu entwerfen. Dies war ihre erste bezahlte Arbeit, die auch gleich gut ankam.
Als ihr 1924 von dem Kölner Intendanten Gustav Hartung angeboten wurde, bei seinem Ausstattungschef Theodor Caspar das Gewerbe zu erlernen, sagte sie zu und zog nach Köln. Während ihrer dortigen Ausbildung zur Kostüm- und Bühnenbildnerin lernte sie die Schauspielerin Pamela Wedekind kennen; über sie kam sie in Kontakt mit Erika Mann und Klaus Mann. Sie waren nicht nur durch ihr Interesse an Politik verbunden, sondern auch durch ihre Drogenabhängigkeit. Am innigsten war sie mit Klaus Mann befreundet (bis zu dessen Selbstmord 1949); für sein erstes Bühnenstück Anja und Esther entwarf sie im Herbst 1925 das Bühnenbild, ebenso wie 1927 für sein nächstes Stück Revue zu vieren.
Bei der Aufführung von Carl Sternheims Die Schule von Uznach war Mopsa Sternheim für die Kostüme und das Bühnenbild verantwortlich, während Pamela Wedekind in dem Stück auf der Bühne stand. Das Leben am Theater, das konkrete Umsetzen von Ideen und den Druck der Produktion genoss sie sehr.
Nachdem sich Pamela Wedekind im gleichen Jahr mit Carl Sternheim verlobte und ihn 1930 heiratete, war es Mopsa Sternheim unmöglich, weiterhin mit ihr in Kontakt zu bleiben. Sie selber hatte 1926 eine kurze Affäre mit dem Schriftsteller Gottfried Benn.
Als sie 1926 ihre Ausbildung in Köln beendet hatte, zog sie bis 1933 nach Berlin, wo sie die Schriftstellerin Ruth Landshoff-Yorck kennenlernte, mit der sie nach zahlreichen kurzen Affären mit Frauen die erste längere Liebesbeziehung hatte. Landshoff-Yorck machte sie mit der Schweizer Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach bekannt, die ebenfalls mit Erika Mann und Klaus Mann befreundet war. Dies sollte Landshoff-Yorck jedoch später bereuen, da Mopsa Sternheim bereits morphinsüchtig war und Schwarzenbach durch sie wieder auf den Geschmack kam. Landshoff-Yorck teilte das Interesse an den beiden Geschwistern nicht, war gelangweilt von den politischen Diskussionen und hatte Probleme mit der Drogenabhängigkeit der Freundinnen, so dass sie sich immer weiter aus deren Kreis zurückzog. Die beiden Geliebten sahen sich jedoch auch nach dem Ende der Beziehung weiterhin oft. Wirkliche Distanz entstand zwischen ihnen erst später im Exil, als Mopsa Sternheim sich - im Gegensatz zu Landshoff-Yorck - politisch links engagierte.
Ebenfalls in Berlin lernte Sternheim den französischen surrealistischen Schriftsteller René Crevel kennen, mit dem sie bis zu dessen Selbstmord 1935 eine innige Freundschaft verband. Er machte ihr einen Heiratsantrag unter der Bedingung, dass sie weiter ihre Liebesbeziehungen mit anderen, sie mit Frauen, er mit Männern, pflegen würden. Durch ihn lernte sie in Paris zahlreiche Surrealisten kennen; die meisten von ihnen mochte sie nicht und diese mochten sie nicht, vor allem deren Verachtung von Frauen und von Homosexualität stießen sie ab.
1929 trat eine neue Liebe in ihr Leben: der österreichische Maler und Illustrator Rudolph von Ripper, den sie noch im gleichen Jahr heiratete. Sie planten zu dritt – also mit René Crevel - in Berlin zusammenzuleben; Sternheim pendelte jedoch lange zwischen Marokko, Paris, Berlin und Salzburg, es hielt sie nirgendwo lange.
Für Mopsa Sternheim gab es nie Zweifel daran, dass es für sie innige Zärtlichkeit nur in Beziehungen mit Frauen geben konnte, bei denen ihr aber immer die Leidenschaft für Politik fehlte. Es gab nur drei Ausnahmen in ihrem Leben: die Schauspielerin Yvonne Georgi, für die sie bereits als Kind geschwärmt hatte, die Gewerkschaftssekretärin Helene Lerner und die Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach. Ihr Begehren hielt jedoch nie lange an, zu schnell war sie immer wieder von anderen gelangweilt, wie auch von allem, was zur Routine wurde.
Nachdem Thea Sternheim bereits im Winter 1931/32 nach Paris gezogen war, da sie vom Auftreten der Nazis in Deutschland angeekelt war, zog ihre Tochter Anfang 1933 ebenfalls dorthin; in einem von den Nazis beherrschten Land wollte auch sie nicht leben. Sie begann gleich im Thälmann-Komitee zu arbeiten, das sich um deutsche Flüchtlinge kümmerte und dessen Ideen über eine Gesellschaft ohne Klassen, ohne Kirchen und ohne Grenzen sie sehr ansprachen.
Der Tod ihres innig geliebten Freundes René Crevel 1935 bedeutete für sie das Ende ihrer Jugend mit allem, was ihr daran wichtig war.
Auch wenn sie sich nur noch sporadisch sahen, unterstützte sie Rudolph von Ripper und seine Arbeiten, da sie seine Werke sehr schätzte; sie hoffte auf seinen Durchbruch. Immer wieder wurde er verhaftet, eine Zeit lang war er im KZ Oranienburg, konnte aber letztendlich nach England fliehen und ging 1938 für einige Jahre in die USA.
Über ihren Freund Edy Sackville-West, den Vetter von Vita Sackville-West, den sie in Berlin kennengelernt hatte und der den ganzen aus Berlin geflohenen FreundInnenkreis so weit wie möglich unterstützte, gelang es Mopsa Sternheim, ihre Artikel gegen Faschismus und Nationalsozialismus beim Manchester Guardian unterzubringen.
Nach Kriegsausbruch (1939) zog Mopsa Sternheim zu ihrer Mutter, da sie sich finanziell nicht mehr über Wasser halten konnte. Dies war nur für die Dauer des Krieges gedacht. Ihre Drogensucht verschlang immer wieder ihr Geld, aber ohne Drogen verlor sie den Willen zu leben, unter Drogen fühlte sie sich tatkräftiger und handlungsfähiger.
Nach dem Anschluss Österreichs galt Sternheim als „Ex-Austriche“ und bekam nur noch zeitlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigungen, 1940 wurde ihr ihre Identitätskarte entzogen, ein Jahr später wurde sie offiziell ausgebürgert und galt somit als staatenlos. Während dieser Zeit verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt mit Übersetzungen und der Mitarbeit an Filmen; das Meiste gab sie für ihre Garderobe, Zigaretten und Drogen aus.
Immer wieder versuchte sie sich an einem Roman mit dem Arbeitstitel Vivian (später: Im Zeichen der Spinne); sie wollte über ihren Selbstmordversuch nach dem Ende ihrer Affäre mit Benn schreiben, aber auch über ihre Beziehung mit Ruth Landshoff-Yorck. Das Manuskript ihres Romans gilt als verschollen.
Ihre Angst davor, dass die Nazis alle, die sie geliebt hatte, umbringen würden, wurde ihr später zur Gewissheit, als die Liste der Toten länger wurde als die der Lebenden.
Vor allem, um einen jüdischen Freund zu retten, schloss sie sich einer Widerstandsgruppe an, die mit der britischen SOE (Special Operations Executive) zusammenarbeitete. Diese Gruppe geriet jedoch zwischen die Fronten und wurde zum Spielball mehrerer DoppelagentInnen, ab Sommer 1943 wurden fast alle von den Nazis verhaftet, so auch Mopsa Sternheim. Sie wurde wie alle WiderstandskämpferInnen in das Gefängnis von Fresnes gebracht, wo sie verhört und gefoltert wurde. 1944 kam sie erst ins Sammellager in Compiègne und von dort aus ins KZ Ravensbrück. Aufgrund ihrer Sprachkenntnisse bekam sie anfangs Arbeit in einem der Büros, sie nutzte diese aber auch, um ihren französischen Kameradinnen zu helfen. Später wurde sie Blockälteste im Krankenrevier, wo sie für andere tat, was immer ihr möglich war. Dass sie dafür in den Industriehof versetzt wurde, nahm sie in Kauf. Für ihre Peiniger hatte sie nur Verachtung übrig; für sie war es selbstverständlich, sofort Kontakt zum kommunistischen Widerstand im Lager aufzunehmen. Die Kraft und den Mut, ihre Verachtung für die Nazis in Widerstand umzusetzen, einigen Frauen zu helfen und diese vor der Vernichtung zu bewahren, bekam sie vor allem aus ihrer Beziehung mit der französischen Studentin Betty George, die sie bereits auf dem Weg ins KZ kennengelernt hatte.
An sich war Sternheim in der Zeit im KZ davon ausgegangen, dass ihr Leben vorbei wäre, aber sie überlebte und wurde nach der Befreiung durch das Schwedische Rote Kreuz schwer krank nach Schweden gebracht. Erst Ende Juni 1945 konnte sie nach Paris zurückfliegen, wo sie sich auf die Suche nach FreundInnen machte. Die nächsten Jahre verbrachte sie im Wesentlichen mit Prozessen, Verhandlungen und Behördengängen. Da sie staatenlos war, erhielt sie keine finanziellen Privilegien, zudem wurden diejenigen, die mit dem britischen Geheimdienst zusammengearbeitet hatten, von der französischen Regierung als VerräterInnen behandelt. Auch aus Deutschland erhielt sie keinerlei Entschädigung, so dass sie ständig unter Geldsorgen litt. Erst nach dem Tod ihrer Tochter erhielt ihre Mutter eine Wiedergutmachungszahlung für sie.
1948 fuhr sie zum ersten Mal wieder nach Deutschland zurück, wo sie beim zweiten Ravensbrücker Prozess als Zeugin geladen war. Sie empfand es als Genugtuung, gegen das Personal des Lagers auszusagen.
Die folgenden Jahre wurden für sie zu einer Zeit der Enttäuschung. Ripper wollte die Scheidung von ihr, da er eine andere Frau heiraten wollte. Und sie sah, wie nicht nur die vom Marxismus Enttäuschten sich Yoga zuwandten und fragte sich, ob nun endgültig das Ende des Zeitalters der Ratio angebrochen sei. Auch ihre Beziehung mit Marthe Jacob, die vor dem Krieg bereits schwierig war, ließ sich nicht einfach wieder aufnehmen. Die Gräben zwischen ihnen hatten sich durch die unterschiedlichen Erfahrungen weiter vertieft.
Sternheim arbeitete weiter an ihrem Roman, übersetzte, womit sie etwas Geld verdiente, und nahm wieder regelmäßig Drogen. Sie war enttäuscht von der ganzen politischen Situation in Frankreich und bemitleidete im Wesentlichen sich selber. Ihre Hoffnungen erfüllten sich nicht: So hatte sie erhofft, mit dem Schreiben von Filmskripten Geld zu verdienen und wieder als Bühnenbildnerin aktiv zu werden. Die Arbeit am Bühnenbild zur Komödie ihres Vaters, Der Snob, die 1951 in Nürnberg aufgeführt wurde, belebte sie zwar, aber es folgten keine weiteren Aufträge.
Als sie an Krebs erkrankte, hatte sie das Gefühl, dass ihr Leben abgelaufen sei und sie alles getan hatte, was sie hatte tun wollen. Eine Operation 1954 wollte sie lieber nicht überleben und falls doch, hoffte sie, dass ihr jemand beim Sterben helfen würde – dieser Wunsch wurde ihr letztendlich erfüllt.
(Text von 2016).
Verfasserin: Doris Hermanns
Literatur & Quellen
Ehrsam, Thomas (Hg.): Briefwechsel und Aufzeichnungen: mit Briefen und Tagebuchauszügen Mopsa Sternheims, Gottfried Benn, Thea Sternheim. Göttingen, Wallstein, 2004
Martynkewicz, Wolfgang: Tanz auf dem Pulverfass. Gottfried Benn, die Frauen und die Macht. Aufbau Verlag, Berlin 2017.
Sternheim, Carl: Briefe Band 2: Briefwechsel mit Thea Sternheim, Dorothea und Klaus Sternheim: 1906-1942. Darmstadt, Luchterhand, 1988
Rieder, Ines: Mopsa Sternheim. Ein Leben am Abgrund. Wien, Zaglossus, 2016
Rieder, Ines: Wer mit wem? - Hundert Jahre lesbische Liebe. Berühmte Frauen, ihre Freundinnen, Liebhaberinnen und Lebensgefährtinnen. Wien, Wiener Frauenverlag,1994, Reihe Dokumentation; Band 10
Mopsa Sternheim in der Deutschen Nationalbibliothek
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