Fembio Specials Frauen aus Zürich Mileva Einstein-Marić
Fembio Special: Frauen aus Zürich
Mileva Einstein-Marić
geboren am 19. Dezember 1875 in Titel, Serbien
gestorben am 4. August 1948 in Zürich
serbische Mathematikerin und Physikerin
75. Todestag am 4. August 2023
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
KURZBIOGRAFIE: Mileva Einstein-Marić, Studentin am Polytechnikum Zürich, zweite Frau, die an der Abteilung VI A: Mathematik und Physik ein volles Studium absolvierte. Heiratet Albert Einstein. Bringt drei seiner Kinder zur Welt, überlebt dreimal das Kindbett, wird von ihm betrogen, verlassen, mit den Kindern kurz vor dem 1. Weltkrieg nach Zürich abgeschoben, geschieden. Zieht seine zwei Söhne auf. Pflegt den schizophrenen Sohn. Stirbt.
“Die Abwesenheit von Beweismaterial ist kein Beweis für Abwesenheit.” Carl Sagan, Physiker
Im Jahre 1896 kam Mileva Marić an das Polytechnikum in Zürich, die heutige Eidgenössische Technische Hochschule (ETH). Ihr Weg, der sie an die ETH brachte, war von erstaunlichen Leistungen und Erfolgen gezeichnet. Am 19. Dez. 1875 in Titel im damaligen Österreich-Ungarn, heutigen Serbien, in eine wohlhabende Familie geboren, fiel ihre Intelligenz ihren Eltern bald auf: Sie schickten sie auf immer exklusivere Schulen, bis sie am Ende als Privatschülerin und einziges Mädchen an das Obergymnasium in Zagreb zugelassen wurde. Nach einem Jahr durfte sie am Physikunterricht der Eliteschule teilnehmen. Ihre Noten waren exzellent; in Mathematik und Physik erhielt sie von ihren Lehrern das Prädikat „brillant“. Mit 18 Jahren beschloss sie in das deutschsprachige Land zu gehen, wo Frauen zum Studium zugelassen waren, in die Schweiz. Nachdem sie in Zürich die Reifeprüfung abgelegt und ein Semester Medizin studiert hatte, begann sie ihr Studium am Polytechnikum. Um zugelassen zu werden, musste sie eine zusätzliche Prüfung in Mathematik bestehen.
Die ETH ist noch heute eine männlich geprägte Eliteinstitution. Wie muss die Atmosphäre 1896 gewesen sein, als Mileva Marić hier zu studieren begann? Die allgemeine Einstellung war damals, dass Frauen nicht an die Hochschule gehören. Die männlichen Professoren hatten deshalb keine positiven Erwartungen an Studentinnen, und sie wurden nicht so betreut und gefördert wie die männlichen Studenten, die mit dem Eintritt in die Institution die Mitgliedschaft erwerben und von ihren Privilegien profitieren.
Meta von Salis, erste promovierte Schweizer Historikerin, schrieb 1884:
„Schwerer zu ertragen und bitterer ist der lächelnde Skeptizismus einiger Professoren, die ironisch immer die Frage wiederholen, ob man bei seinem Fach bleiben wolle.”
Wir beginnen erst seit kurzer Zeit zu verstehen, dass Faktoren wie Erwartungen in den Köpfen der Lehrenden an ihre Studentinnen, Männernetzwerke, die Studentinnen von Förderung und Empfehlung ausschließen, und psychisch belastende Studien- und Prüfungsbedingungen enorme Behinderungen für Frauen schaffen, die sich in ihren Leistungen niederschlagen können. Diese neuen Erkenntnisse sind wichtig, um die Studienerfahrungen von Mileva Einstein-Marić einschätzen zu können. Zu ihrer Zeit, vor über hundert Jahren, waren Studium und besonders akademische Laufbahn eine Männerdomäne; von Frauen wurde erwartet, dass sie bei Verlobung oder Verheiratung eigene Interessen zurückstellen, ihr Studium aufgeben und ihren Mann unterstützen.
Die Abbruchquote von Studentinnen an Schweizer Hochschulen lag bis 1900 bei 90% (heute 38%)
Als Mileva Marić 1896 ihr Studium an der Abteilung VI A: Mathematik und Physik begann, waren vor ihr fünf Studentinnen an dieser Abteilung eingeschrieben gewesen: vier von ihnen nur ein bis zwei Jahre, eine einzige, Marie Elisabeth Stephansen aus Norwegen, schloss nach fünfjährigem Studium mit dem Diplom ab. Marić war damit die zweite Studentin, die ein volles Studium an dieser Abteilung absolvierte; sie hing ein fünftes Jahr als Repetentin an. Nach Stephansen schlossen bis 1927 noch zwei Frauen an dieser Abteilung mit dem Diplom ab. Von 1871 – 1927, also in knapp 60 Jahren, gab es nur vier Studentinnen, die ein ordentliches Studium von 4 – 5 Jahren an der Abteilung VI A absolvierten und Maric war die einzige unter ihnen, die ohne Diplom mit nur einem Abgangszeugnis abging.
Zur Zeit ihres Studiums gab es am Polytechnikum obligatorische Studienpläne, jährliche Leistungsnoten, die zum Übergang ins nächste Studienjahr verlangt waren, Disziplinarregeln, die ungenügenden Fleiss bestraften. Die Diplomarbeit konnte an der Universität als Doktorarbeit eingereicht werden. Diese Bedingungen geben dem Abgangszeugnis samt Diplomarbeit auch ohne bestandene Diplomprüfung eine enorme Bedeutung.
Im selben Jahr mit ihr, an derselben Abteilung, begann Albert Einstein sein Studium. Sie besuchten die gleichen Veranstaltungen, sie arbeiteten und lasen zusammen, befreundeten sich und verliebten sich schließlich. Sie schrieben beide ihre Diplomarbeit bei Professor Weber, bei dem sie beide im physikalischen Labor im letzten Studienjahr die gleichen Noten hatten; ihre Themen waren aus demselben Gebiet: Wärmeleitung. Mileva Marić war von ihrem Thema fasziniert, arbeitete hart, berichtete in einem Brief an ihre Freundin, Helene Savić, Professor Weber sehe mit Freuden ihren zukünftigen Forschungen entgegen. Albert Einstein sagte später, das Thema sei völlig uninteressant für ihn gewesen.
Die Abschlussprüfung für das Diplom war 1900. Albert Einstein wurde mit einem Notendurchschnitt von 4,91 durchgelassen (6 ist die beste Note in der Schweiz, 1 die schlechteste, 4,91 lag also knapp unter einer deutschen Zwei). Die drei anderen männlichen Prüflinge hatten alle ein Mittel über 5. Mileva Marić war die einzige Frau, die geprüft wurde; ihr Notendurchschnitt war 4,00, das entspricht unserer Note 3, sie bestand die Prüfung nicht. Auch bei der Wiederholung ein Jahr später mit dem gleichen Durchschnitt von 4.00 bestand sie die Prüfung nicht. Zu dem Zeitpunkt war Mileva schon schwanger und wurde von Alberts Eltern als mögliche Schwiegertochter abgelehnt.
Bei Mileva Einstein-Marić galten offensichtlich Sonderbedingungen für ihre beiden Diplom-Prüfungen - es wurde weder die neue Prüfungsordnung eingehalten noch waltete die übliche professorale Güte gegenüber männlichen Repetenten, deren Leben man nicht zerstören wollte.
Mileva Marić fuhr nach der zweiten Diplomprüfung nachhause und gebar Ende Januar 1902 ein Mädchen. Albert sah seine Tochter nie. Als Albert und Mileva ein Jahr später heirateten, hätten sie ihre Tochter zu sich nehmen und damit legitimieren können. Vermutlich erlaubte es der Beamtenstatus von Albert – so niedrig seine Stelle am Berner Patentamt auch war – nicht, ein uneheliches Kind öffentlich einzugestehen. Oder erlaubte es sich Albert nicht – so unkonventionell er sich gab – sein Kind zu legitimieren?
1904 kam Hans Albert auf die Welt und 1910 ein zweiter Sohn, Eduard. Kurz danach begann Albert eine Affäre mit seiner Kusine Elsa in Berlin.
Die Relativitätstheorie von 1905: Wir wissen nicht und werden vielleicht nie wissen, wer wie viel beitrug zu den Arbeiten, die 1905 erschienen. Die Originalmanuskripte wurden von Albert Einstein zerstört. Das Einzige, was wir wissen ist, dass das Ergebnis unter dem Namen Albert Einstein veröffentlicht wurde. Mileva Einstein-Marić war die Jahre während des Studiums und vor dem Erscheinen der Relativitätstheorie, ab ihrer Verheiratung am 6. Januar 1903 vierundzwanzig Stunden am Tag die wichtigste intellektuelle Bezugsperson für Albert Einstein. Er schätzte ihr Genie:
“Wie glücklich bin ich, dass ich in Dir eine ebenbürtige Kreatur gefunden habe, die gleich kräftig und selbständig ist, wie ich selbst” (Albert an Mileva, 27. März 1901)
Sie war seine längste (mindestens fünzehn Jahre) intimste und intensivste Gesprächspartnerin; sie war seine erste Kritikerin, eine wichtige Funktion vor allem für eine dialogische Natur wie Einstein. Da sie die gleiche wissenschaftliche Ausbildung (und mehr) hatte wie Einstein, ist es nur plausibel, dass sie seine Interessen teilte und mit ihm zusammenarbeitete, wie es sein Wunsch war:
“Bis Du mein liebes Weiberl bist, wollen wir recht eifrig zusammen wissenschaftlich arbeiten, dass wir keine alten Philistersleut werden, gellst. Meine Schwester kam mir so philiströs vor. Das darfst Du mir ja nie werden, es wäre mir schrecklich. Du musst immer meine Hex bleiben und mein Gassenbub.” (Albert an Mileva, 28.12.1901)
In seinen Briefen sprach Einstein immer wieder von den gemeinsamen Arbeiten:
“Wie glücklich und stolz werde ich sein, wenn wir beide zusammen unsere Arbeit über die Relativbewegung siegreich zu Ende geführt haben! Wenn ich so andere Leute sehe, dann kommt mir´s so recht, was an dir ist!“ (Albert an Mileva, März 1901)
Und es ist durchaus möglich, dass sie genau wie Sophie Taeuber-Arp “Schritt für Schritt seinen Ideen die Realität eroberte” (Mair über Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp).
Wir haben keine Aussagen von Mileva Einstein-Marić über ihre Kollaboration mit ihrem Mann; wir haben allerdings die wütende Verhinderung ihrer Autobiographie durch ihren geschiedenen Mann, den sie um Erlaubnis bat:
“Meine Heiterkeit aber hast Du entfesselt, indem Du mir mit Deinen Memoiren drohst. Überlegst Du Dir denn gar nicht, dass keine Katze sich um ein solches Geschreibsel kümmern würde, wenn der Mann, mit dem Du es zu tun hast, nicht zufällig etwas besonderes geleistet hätte? Wenn man eine Null ist, so ist nichts dagegen einzuwenden, aber man soll schön bescheiden sein und das Maul halten. Dies rate ich Dir.” (Albert an Mileva, 24.Okt. 1925)
Verrät sich das Genie hier - in der Vehemenz, mit der er ihr alles wegnehmen muss? Mileva Einstein-Marić hielt sich an das Redeverbot; kurz vor Ende ihres Lebens soll sie in einem Brief geschrieben haben, dass Albert sie beraubt habe um ihr Lebensglück, ihre wissenschaftliche Arbeit und um ihre finanzielle Sicherheit im Alter. (Krstić, S.70)
1914 wurde Albert Einstein an die Preussische Akademie der Wissenschaften in Berlin berufen; Mileva wehrte sich gegen Berlin, aber der Ehemann bestimmte den Wohnort. Unter falschen Vorzeichen verfrachtete Einstein seine ganze Familie nach Berlin:
„Längstens nächstes Frühjahr komme ich also für immer nach Berlin. … Ich freue mich schon sehr auf die schönen Zeiten, die wir dort zusammen verbringen werden.“ (Albert an Elsa,14. 7.1913)
Mileva ahnte nicht, dass die beiden schon lange von Scheidung redeten:
„Glaubst du, es sei so leicht, sich scheiden zu lassen, wenn man von der Schuld des anderen Teil keinen Beweis hat,“ (Albert an Elsa, vor dem 2. Dezember 1913.)
Er wird sechs Jahre später aufgrund von Ehebruch von seiner Seite geschieden.
Aber zunächst bewerkstelligt Mileva noch einen Umzug nach Berlin, mit vierjährigem kranken Kind und zehnjährigem Sohn. Es kommt zum Eklat, als sie den Verrat erkennt. Sie geht mit ihren Kindern zurück nach Zürich; der erste Weltkrieg bricht aus; der Vater und Ehemann bleibt in Berlin, lebt mit seiner Kusine zusammen und heiratet sie schliesslich zwei Wochen nach der Scheidung 1919; seine Stieftochter Ilse wäre ihm lieber gewesen.
Von 1914 an war Mileva, die schon vorher zuständig war für Hausarbeit und Kinder und ihrem Mann alles abnahm, allein für ihre Kinder verantwortlich, sie wurde in den fünf Jahren vor der Scheidung schwer krank, hatte große Geldsorgen und pflegte den kranken Sohn ihr Leben lang.
Die Korrespondenz zwischen Mileva, den beiden Söhnen und Albert von 1914 – 1948 ist zutiefst erschütternd. Die bittenden Briefe der Kinder an ihn und die rüde-überheblichen, punitiven Antworten, die sie von ihrem Vater bekamen, wären allein ein Buch wert. Jedenfalls geht aus der Korrespondenz hervor, dass Mileva mit dem Versprechen des Nobelpreisgeldes von Anfang an hintergangen wurde; zunächst wurde sie erpresst, damit sie in die Scheidung einwilligte, dann wurde sie immer weiter mit Worten hingehalten und getäuscht, manchmal durchschaute sie die Täuschungen, weist darauf hin, dass Albert sich nicht an die Abmachungen hält, als er Geld in den USA anlegte, dann fragt der erwachsene Sohn nach, wem das Geld gehöre, dessen Höhe er nicht kenne, das nun auf seine Erbschaft angerechnet werden solle, legt den Finger auf die Wunde: “eine Abfindung für Mama”, muss sich entschuldigen und entschuldigen. Der erbitterte pathologische Kampf um das Nobelpreisgeld geht bis zum Tod der Beteiligten. Einstein behielt immer die Kontrolle, gründete eine US-Corporation und musste bei jedem Schritt um Einwilligung gebeten werden. Mileva, die sich zeitweilig Essen vom Mund absparte und um einen Beitrag zu einem 15-Franken-Buch für den kranken Sohn betteln musste, hatte nie die alleinige Verfügung über das Geld, bis ihr - superbe Ironie des Schicksals und psychische Gerechtigkeit - am Ende ihres Lebens versehentlich der Verkaufspreis des letzten Hauses in bar ausgehändigt wurde. Zu dem Zeitpunkt war sie durch die jahrzehntelange Belastung mit der Pflege des schizophrenen jüngsten Sohnes, durch die jahrelange Überforderung mit Hausverwaltung, Mietern, Käufern, Verhandlungen mit Banken, Steuerbehörden, Anwälten in zwei Sprachen, durch die ständige Bedrohung, finanziell betrogen zu werden und doch Einstein und seiner Corporation gegenüber verantwortlich zu sein, so geschwächt und schwer erkrankt, dass sie ihr Leben aufgab. Die Geldsumme wurde hektisch von den Hinterbliebenen gesucht und in toto unter der Matratze gefunden!
Beim Lesen der Korrespondenz wurde mir klar: Albert hat Mileva nicht nur um ihr Lebensglück gebracht, nicht nur um ihre wissenschaftliche Arbeit und ihre finanzielle Sicherheit, er hat sie um ihr Leben gebracht. Er hat sie unter die Erde gebracht.
Vorsicht ist geboten bei der Sekundärliteratur zur Einstein-Familie. Ich habe 1990 bei der Konferenz der American Association for the Advancement of Science in New Orleans als erste auf den Sexismus und Rassismus bei der Beschreibung von Mileva Einstein-Marić in den Einstein-Biographien hingewiesen. Die neueren Werke sind nicht viel besser. So besteht ein Autor entgegen allen historischen Tatsachen auf Einstein-Marić’ mittelmässiger Intelligenz, dem nächsten unterläuft im Dokumentarfilm Einstein's Wife der Ausdruck “Hure” über die schwangere unverheiratete Mileva, und die Herausgeber der Love Letters bringen es in ihrer Einleitung, die voller ungestützter Interpretationen ist, fertig, ihr alles wegzunehmen: ab 1902 sei sie nicht mehr die intellektuell und emotional beeindruckende Partnerin gewesen, die sie vorher war. Zur gleichen Zeit kreieren sie nebenbei einen neuen Mythos: Einstein, der Wanderer zwischen den Welten, das einsame Genie – entgegen den Tatsachen, dass Einstein es immer verstand, sich mit Frauen, Freunden, und vor allem wissenschaftlichen Korrespondenten, Partnern, Beratern und Mitarbeitern zu umgeben, die alle für ihn arbeiteten. Es ist nichts anderes zu erwarten von den männlichen Autoren des Einstein-Establishments; wir dürfen aber mit Spannung die nächsten Bände erwarten:
- Albert Einstein – Elsa Loewenthal: The Love Letters II Mileva Einstein-Marić
- Albert Einstein: Die Scheidungsbriefe Hans Albert Einstein und Eduard Einstein – Albert Einstein: Die Kinderbriefe und nicht zu vergessen:
- Mileva Einstein-Marić – Albert Einstein: Die “Versöhnungsbriefe.”
Aber auch die Autorinnen sind nicht ohne Vorurteile – kein Artikel, kein Buch, in dem nicht die negativen Klischees über die Erscheinung von Mileva Einstein-Maric abgeschrieben und wiederholt werden. Oder neue Unwahrheiten in die Welt gesetzt werden, natürlich immer zum Image-Schutz von Albert. So entdeckt von Thadden (16.12. 2004, DIE ZEIT, Nr.52) den wahren Grund, warum Einstein seine erste Frau verliess: Er hatte keine Ruhe, um arbeiten zu können, weil sie so eifersüchtig war - ganz grundlos, denn der Ehebruch wird nicht erwähnt. Nach von Thadden “erfolgte die Trennung”, “Mileva Marić (sic!) blieb allein mit den Kindern. In der Sphäre der Wissenschaft herrschte Ruhe.” So einfach ist das!
Vorsicht ist auch geboten, wenn der serbische Nationalismus Mileva Einstein-Marić vereinnahmen will oder wenn der schöne serbische Titel für die Korrespondenz von Mileva Einstein-Marić mit ihrer Freundin Helene Savić: Eine Freundschaft im Englischen plötzlich: “In Alberts Schatten: das Leben und die Briefe von Mileva Marić, Einsteins erster Frau” lautet.
Natürlich bin auch ich nicht objektiv; ich argumentierte von Anfang an aus feministischer Perspektive im Interesse von Mileva Einstein-Marić. Im Gegensatz zu den anderen Autoren, deren Politik es ist, unter wissenschaftlicher Verbrämung Geschichte im Interesse von Einstein zu schreiben, lege ich meine Motivation offen. Das Leben von Mileva Einstein-Marić hat mich, seit ich von ihr hörte, berührt: ein Leben, das trotz aller guten Vorbedingungen – eine beschützende Familie, intellektuelle Förderung und finanzielle Unterstützung, Studium in Zürich – nicht gelang, ein Leben, in dem Erwartungen nicht in Erfüllung gingen, ein Leben, dem Glück und Erfolg verwehrt blieben. Würden wir sie heute als große theoretische Physikerin kennen, hätte sie Einstein nicht getroffen? Dass sie als hochbegabte junge Frau ihr Studium begann und als verarmte, unbedeutende Frau ihr Leben beendete, dazwischen sich für ihren Mann und ihre Söhne abrackerte, dieses Schicksal teilt sie mit vielen Frauen unserer Geschichte. Und diese Geschichte ist nicht nur genau so wichtig wie die patriarchale Männergeschichte, sondern sie ist auch ein Korrektiv für die einseitige und oft fehlerhafte Männergeschichte. Die konverse Frage bleibt: Was wäre aus Einstein geworden, wenn er Marić nicht kennengelernt hätte? Hätte er sein Diplom bestanden, seine Diplomarbeit geschrieben, hätte er die Stelle in Bern angenommen, hätte es eine Akademie Olympia gegeben, aber vor allem wäre er so produktiv und kreativ gewesen ohne Mileva, ihre Präsenz und ihre Arbeit? Gäbe es ohne sie und alles, was sie für ihn auf allen Ebenen tat, überhaupt das Genie? Denn wie wir von anderen Genies wissen: Sie arbeitet – er ist das Genie.
Albert Einsteins Vorschriften für seine Frau, nachdem er 1914 an die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin berufen worden war. Zitiert nach Collected Papers of Albert Einstein, vol. VIII, 1998:
A Du sorgst dafür,
1. dass meine Kleider und Wäsche ordentlich im Stand gehalten werden.
2. dass ich die drei Mahlzeiten im Zimmer ordnungsgemäß vorgesetzt bekomme.
3. dass mein Schlaf- und Arbeitszimmer stets in guter Ordnung gehalten sind, insbesondere, dass der Schreibtisch mir allein zur Verfügung steht.B Du verzichtest auf alle persönlichen Beziehungen zu mir, soweit deren Aufrechterhaltung aus gesellschaftlichen Gründen nicht unbedingt geboten ist. Insbesondere verzichtest Du darauf,
1. dass ich zu Hause bei Dir sitze.
2. dass ich zusammen mit Dir ausgehe oder verreise.C Du verpflichtest Dich ausdrücklich, im Verkehr mit mir folgende Punkte zu beachten:
1. Du hast weder Zärtlichkeiten von mir zu erwarten noch mir irgendwelche Vorwürfe zu machen.
2. Du hast eine an mich gerichtete Rede sofort zu sistieren, wenn ich darum ersuche.
3. Du hast mein Schlaf- bzw. Arbeitszimmer sofort und ohne Widerrede zu verlassen, wenn ich darum ersuche.D Du verpflichtest Dich, weder durch Worte noch durch Handlungen mich in den Augen meiner Kinder herabzusetzen.
Kurz nach Kenntnisnahme der Vorschriften verlässt Mileva mit den beiden Söhnen Berlin, für immer.
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Verfasserin: Senta Trömel-Plötz
Links
Literatur & Quellen
Collected Papers of Albert Einstein, Vol.I - X, 1987 – 2007, Princeton, Princeton University Press. Fünfzehn Bände stehen noch aus.
Geraldine Hilton, Autorin und Produzentin. 2002. Einstein’s Wife, Dokumentarfilm, ausgestrahlt u.a. von ARTE und PBS (US Public Broadcasting System)
Djordje Krstić, 2002: Mileva & Albert Einstein: Love and Joint Scientific Work, Ljubljana. didakta.
Roswitha Mair. 2002. Von ihren Träumen sprach sie nie: Das Leben der Künstlerin Sophie Taeuber- Arp. Stuttgart. Herder.
Inge Stephan. 1989. Das Schicksal der begabten Frau: Im Schatten berühmter Männer. Stuttgart. Kreuz.
Desanka Trbuhović-Gjurić. 1983. Im Schatten Albert Einsteins. Bern. Haupt
Senta Trömel-Plötz .1990. “Mileva Einstein-Marić: The Woman who did Einstein’s Mathematics.” Women’s Studies International Forum 13,5.
—-.1992. “Mileva Einstein-Marić: Die Frau, die Einsteins mathematische Probleme löste”. In: Trömel-Plötz: Vatersprache Mutterland: Beobachtungen zu Sprache und Politik. München. Frauenoffensive.
—-. 2005. „Mileva Einstein-Marić: Eine Annäherung.” Wortstück (in Auszügen). In: Karin Dalla Torre. Hg. filadressa. Kontexte der Südtiroler Literatur 03 : 05. Februar, S. 65 – 78
—-. 2006. “Parallelen, Linien, Verbindungen: geniale Frauen in der Kunst zur Zeit von Mileva Einstein-Marić.” Wortstück. Unver.
Evan Harris Walker. 1989. “Did Einstein Espouse His Spouse’s Ideas?” Physics Today, February
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