Fembio Specials Europäische Jüdinnen Melitta Gräfin Schenk von Stauffenberg, geb. Schiller
Fembio Special: Europäische Jüdinnen
Melitta Schenk von Stauffenberg, geb. Schiller
Wikimedia.org
geboren am 9. Januar 1903 in Krotoschin
gestorben am 8. April 1945 bei Straubing
deutsche Fliegerin
120. Geburtstag am 9. Januar 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Familie und FreundInnen nannten sie 'Litta'.
Nach dem Abitur in Hirschberg studierte Melitta Schiller technische Physik an der TH München und schloss mit dem Diplom ab. Danach arbeitete sie als Ingenieurin bei der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt. 1936 wechselte sie zu den Askania-Werken in Berlin, wo sie mit mathematischen und fliegerischen Sonderaufgaben betraut wurde.
Seit 1929 hatte Melitta mit Enthusiasmus und Energie ihre Ausbildung zur Pilotin betrieben. Sie war die einzige Frau in Deutschland, die im Besitz aller Lizenzen für Motorflugzeuge, Kunstflug, Segelflug und Segelkunstflug war.
Im Krieg stand sie als “Flugkapitän” im Dienst der Luftwaffe und leitete die Ausbildung von Nachtjagdpiloten in Berlin-Gatow an einem Gerät, das Bruchlandungen verhinderte. 12 bis 15 Sturzflüge pro Tag – ärztlich völlig unzulässig und von keinem Piloten sonst erreicht – waren ihr selbst gewähltes Arbeitspensum. Das EK II und das Flugzeugführerabzeichen in Gold mit Brillanten und Rubinen waren ihre Auszeichnungen in der Diktatur.
Sie war sich der Zwiespältigkeit bewusst, mit vollem Einsatz einem Regime zu dienen, dem sie ansonsten kritisch gegenüber stand. Melittas Vater war Jude. Er hatte seine Kinder erst, als sie erwachsen waren und es durch die Nazis gefährlich werden konnte, darüber informiert, dass er aus einer jüdischen Pelzgroßhandelsfamilie bei Odessa stammte. Melitta gab für den Ariernachweis an, dass die Papiere in Odessa nicht auffindbar seien und stellte einen Antrag auf “Gleichstellung mit arischen Personen”. Diesem Antrag wurde Anfang 1944 stattgegeben.
Melitta von Stauffenberg litt darunter, einem verbrecherischen System zu dienen und versuchte ihre Depressionen durch intensive Beschäftigung mit technischen Problemen zu überwinden.
“Vergebliches opfer und sinnlos zehrendes dienen” schrieb später ihr Mann Alexander Graf Schenk von Stauffenberg – ein Bruder von Claus – in seinem Gedicht “Litta”.
Nach dem Attentat vom 20. Juli war Melitta die erste, die – auf Betreiben Görings – schon am 2. September aus der Sippenhaft entlassen wurde, wegen kriegswichtiger Forschungstätigkeit. Melitta nutzte ihre Privilegien, um den inhaftierten Mitgliedern der Familie Stauffenberg, wo immer sie konnte, zu helfen. Sie hielt Briefkontakt, brachte Nahrungsmittel und Kleidung in die Gefängnisse, flog immer wieder zu den verschiedenen KZs, in denen ihr Mann inhaftiert war.
Auf einem dieser Flüge ist sie in den letzten Wochen des Krieges abgeschossen worden.
(Text von 2002)
Verfasserin: Birgit Rühe
Literatur & Quellen
Bracke, Gerhard. 1990. Melitta Gräfin Stauffenberg: Das Leben einer Fliegerin. München. Langen Müller.
Hoffmann, Peter. 1992. Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder. Stuttgart. Deutsche Verlagsanstalt.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.