Fembio Specials Berühmte Lyrikerinnen Mechthild von Magdeburg
Fembio Special: Berühmte Lyrikerinnen
Mechthild von Magdeburg
geboren ca. 1207/10 in der Gegend um Magdeburg
gestorben 1282 oder 1294 im Zisterzienserinnenkloster Helfta in Eisleben
deutsche Mystikerin, Dichterin, Begine
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Mechthilds Buch, von ihr selbst nach göttlicher Eingebung “Das fließende Licht der Gottheit” genannt, gibt in höchst individueller, bildhafter Sprache wieder, was der Magdeburger Begine an mystischen Begegnungen mit Gott widerfuhr. Das in sieben Bücher gegliederte Werk enthält Mechthilds Gespräche mit Gott. In der Eindringlichkeit und Ursprünglichkeit der Sprache, in der Innigkeit der Dialoge mit dem göttlichen Liebhaber erreicht Mechthilds Text einen hohen dichterischen Rang. Es “treten uns Formen und Bilder entgegen, die ihre Welt- und Seelenerfahrung in einer für das Mittelalter sonst nicht bezeugten Unmittelbarkeit spiegeln.” (Kurt Ruh)
Mechthild entstammte wahrscheinlich einer adligen Familie - ihre Sprache und ihre Bilder lassen auf eine höfische Erziehung schließen. Ab dem zwölften Lebensjahr empfing sie täglich einen göttlichen “Gruß” - so nannte sie ihre mystischen Begegnungen mit Gott. 1230 verließ sie die Familie, “um in der Liebe Gottes zu leben”, und zog nach Magdeburg, wo sie 40 Jahre als Begine lebte. Vielleicht leitete sie sogar zeitweilig die Gemeinde der religiösen, aber nicht ordensgebundenen Frauen. Jedenfalls bekam sie geistliche Beratung von den Dominikanern, insbesondere von ihrem Beichtvater Heinrich von Halle, der sie 1250 schließlich überredete, ihre Visionen und geistlichen Erlebnisse aufzuschreiben. Dies tat sie dann eigenhändig, auch in der Überzeugung, daß es Gottes Wille sei: “Denn du hießest mich selber, es zu schreiben.” Bis 1270 wurden sechs der sieben Bücher des “Fließenden Lichts” auf Pergament gebracht, von Heinrich gesammelt und mit Kapitelüberschriften versehen.
Mechthild verstand ihr Buch als Botschaft an die Gläubigen und Geistlichen, denn sie sah die Kirche in Gefahr, von innen ausgehöhlt zu werden – die mächtigen, oft eher weltlich-üppig lebenden Domherren nennt sie z.B. “stinkende Böcke” (VI,3). Ihre eigene einzigartige Beziehung zu Gott sollte die Menschen zu einem stärkeren, leidenschaftlicheren Glauben inspirieren. In der Vereinigung mit Gott erfährt die minnende Seele “eine Höhe, über die nichts geht” (VI, 3). In ihrer Mystik der Gottesliebe geht Mechthild auf Traditionen der höfischen Minnelyrik und des biblischen Hohen Liedes zurück; einzigartig ist bei ihr das gegenseitige Verlangen Gottes und der Seele: “Wo zwei heiße Verlangen zusammenkommen, / da ist die Minne vollkommen” (VII, 16). Gott ist “minnekrank nach ihr” (III,2), “ein brennender Gott in seiner Sehnsucht” (I, 17). Nach eigener Aussage führte Mechthild in Magdeburg ein Leben mit vielen inneren und äußeren Anfechtungen und auch schweren Krankheiten. Um 1270 wurde sie im Kloster Helfta bei Eisleben aufgenommen, wo sie bei den gelehrten Nonnen (u. a. Mechthild von Hackeborn, Gertrud die Grosse) Geborgenheit und Anerkennung fand und ihnen das siebte Buch ihrer Offenbarungen diktierte. Das mittelniederdeutsche Original des “Fließenden Lichts” ging verloren; eine zu Mechthilds Lebzeiten verfertigte lateinische Teilübersetzung und eine oberdeutsche alemannische Übersetzung aus dem 14. Jahrhundert überlebten.
Verfasserin: Joey Horsley
Zitate
(Nach Margot Schmidts Übersetzung, zitiert in: Mechthild von Magdeburg “Ich tanze, wenn du mich führst.” Ein Höhepunkt deutscher Mystik. Die Zahlen beziehen sich auf Buch und Kapitel des “Fließenden Lichts”. )
Wird ein Mensch zu einer Stund
von wahrer Liebe gänzlich wund,
so wird er nie mehr recht gesund,
er küsse denn denselben Mund,
der seine Seele machte wund. (II, 15)
Das übersüße Verlangen, wonnig, hungrig, minnevoll, fließt überschwenglich von Gott immer tiefer in die Seele. (VI,22)
Die Seele spricht zu Christus: “Ich tanze, Herr, wenn du mich führst!
Soll ich sehr springen, Mußt du selber vorsingen.
Dann springe ich in die Minne,
Von der Minne in die Erkenntnis,
Von der Erkenntnis in den Genuß,
Vom Genuß über alle menschlichen Sinne.
Dort will ich verbleiben und doch höher kreisen. (I,44)
Links
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon: Mechthild von Magdeburg.
Bistum Magdeburg: 800 Jahre Mechthild von Magdeburg - Mechthildjahr - Ein Projekt des Bistums Magdeburg. Mit Biografie und weiteren Informationen zu Leben und Werk Mechthilds von Magdeburg sowie Veranstaltungshinweisen.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Literatur von und über Mechthild von Magdeburg.
NolteX-Verlag: Persönlichkeiten. Mechthild von Magdeburg. Kurzbiografie, weitere Zitate.
Tscheer, Rosmarie (1998): Das fliessende Licht der Gottheit. Mechthild von Magdeburg. Leitartikel. In: Schweizerische Kirchenzeitung, Jg. 166, H. 46.
www.deutsche-liebeslyrik.de (25.07.2005): Mechthild von Magdeburg. Verzeichnis. Einige Texte von Mechthild von Magdeburg.
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Literatur & Quellen
Quellen
Mechthild von Magdeburg; Schmidt, Margot (1988): “Ich tanze, wenn Du mich führst”. Ein Höhepunkt deutscher Mystik. Orig.-Ausg. Freiburg im Breisgau: Herder (Herder-Bücherei, 1549
Mechthild von Magdeburg; Vollmann-Profe, Gisela (1990): Das fließende Licht der Gottheit : nach der Einsiedler-Handschrift in kritischem Vergleich mit der gesamten Überlieferung. Band 1 : Text. Herausgegeben von Hans Neumann. München: Artemis-Verl (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters, 100).
Mechthild von Magdeburg; Vollmann-Profe, Gisela (1993): Das fließende Licht der Gottheit : nach der Einsiedler-Handschrift in kritischem Vergleich mit der gesamten Überlieferung. Band 2 : Untersuchungen. Herausgegeben von Hans Neumann. München: Artemis-Verl (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters, 101).
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Weiterführende Literatur
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Bangert, Michael; Keul, Hildegund (1998): “Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht”. Die Mystik der Frauen von Helfta. Leipzig: Benno-Verl.
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Gall, Morell P. (Hg.) (1989): Offenbarungen der Schwester Mechthild von Magdeburg oder Das fließende Licht der Gottheit. Aus d. einzigen Hs. d. Stiftes Einsiedeln. Unveränd. reprograf. Nachdr. d. Ausg. Regensburg 1869. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
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Hochenauer, Josef; Mechthild von Magdeburg (2001): 'Meine irdischen Freunde liebe ich wie Gefährten der Ewigkeit'. Mechthild von Magdeburg, aus ihrem Werk “Das fließende Licht der Gottheit”. Worte ihrer Gotteserfahrung. 1. Aufl. Lindenberg: Kunstverl. Fink.
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Wiethaus, Ulrike (1996): Ecstatic transformation. Transpersonal psychology in the work of Mechthild of Magdeburg. 1st ed. Syracuse, NY: Syracuse University Press.
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