Fembio Specials Frauenbeziehungen Marie Kundt
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Marie Kundt
Bildquelle Lette-Verein Berlin, Archiv
(Marie Julia Berta Emma Kundt)
geboren am 4. Februar 1870 in Neustrelitz
gestorben am 2. April 1932 in Berlin
deutsche Fotografin; 19 Jahre Direktorin der Photographischen Lehranstalt des Lette-Vereins
90. Todestag am 2. April 2022
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Marie Julia Berta Emma Kundt wurde am 4. Februar 1870 als zweites Kind von Helene Marie Elisabeth Kundt geb. Willert und Hans Carl Heinrich Kundt, einem Hauptmann im Mecklenburgischen Grenadier-Regiment 89, in Neustrelitz geboren, lebte jedoch im schulfähigen Alter bereits in Merseburg. Ihre Brüder Hans und Jasper Kundt wurden Offiziere.
Für Maries weiteres Leben spielte auch ihr Onkel Hans Kundt eine wichtige Rolle; er war Lehrer und Mentor von Conrad Röntgen, dem Erfinder der X-Strahlen.
Nach der Schulzeit ging Marie nach Berlin, sie wollte einen größeren Wirkungskreis als Familie und Handarbeiten. Dort lernte sie zunächst an der Königlichen Kunstschule und legte zwei Lehrerinnenexamen ab. Ihr erster Anlaufpunkt in Berlin war vermutlich ihr Onkel August Kundt, der seit 1888 einen Lehrstuhl für Physik an der Berliner Universität (heute Humboldt-Universität) innehatte.
Zu dieser Zeit war ein neues technisches Verfahren zum Erzeugen von Bildern - die Fotografie - erfunden worden.
Die Tochter des Sozialreformers Wilhelm Adolf Lette, Anna Schepeler-Lette, gründete die Photographische Lehranstalt des Lette-Vereins, eine Berufsschule für unverheiratete Frauen. Marie Kundt wurde eine der ersten Schülerinnen an dieser Einrichtung.
Mit dieser Schule begann ein neuer Abschnitt der Berufsausbildung für Frauen.
Diese weltweit erste schulische Ausbildungsstätte im Bereich der Fotografie ermöglichte eine Ausbildung zur Fotografin oder zum Fotografen, die bisher nur in Ateliers und Betrieben möglich war.
Das ging nicht ohne Widerstand: Was bisher nur für katholische Priester galt, das Zölibat, wurde nun auf Lehrerinnen ausgedehnt. Sie durften nur ihrem Beruf nachgehen, so lange sie unverheiratet waren. Auch am Lette-Verein durften um 1900 nur unverheiratete Frauen unterrichten.
Ab 1891 begann Fräulein Kundt eine Tätigkeit als Assistentin des Direktors Dankmar Schultz-Hencke und setzte sich mit großer Energie für den Aufbau dieser Schule ein. Wahrscheinlich hat sie während ihrer Jahre als Assistentin auch vier Semester Physik und Photochemie an der Berliner Universität studiert.
Der Direktor der Photographischen Lehranstalt Dankmar Schulz-Hencke führte 1896 mit Hilfe seiner Assistentin einen Versuch mit der neu entwickelten Röntgentechnik vor. Die erste Röntgenaufnahme, die in Berlin angefertigt wurde, zeigte die rechte Hand von Marie Kundt mit den deutlich erkennbaren zwei Ringen, einem Diamant- und einem Goldring. Sie staunte selbst: “Ich habe noch nie so eine Überraschung erlebt, wie in dem Moment, da das Bild meiner Hand auf der Platte erschien.”
Marie Kundt war zielstrebig, sie entwickelte das Ausbildungskonzept und den entsprechenden Lehrplan. Die ersten Absolventinnen der Lette-Schule, Röntgen-Assistentinnen und medizinisch-technische Assistentinnen, waren schnell bei vielen Krankenhäusern gefragte Fachkräfte.
Die Aufgabe dieser MTAs bestanden in der Pflege der Röhre und Geräte, der Vorbereitung und Lagerung der PatientInnen, der Bedienung der Geräte bei den Aufnahmen und Bestrahlungen, der Entwicklung, dem Trocknen und Putzen der Röntgenplatten, der Archivierung der Aufnahmen und dem Schreiben der Befunde.
Marie Kundt sorgte dafür, dass die Lette-Schule bereits im Februar 1896 eine eigene Röntgenanlage bekam. 1912 bestand sie ihre Meisterprüfung, die sie zur Ausbildung von Fotografen befähigte, denn seit 1910 wurden auch Männer an der Lette-Schule ausgebildet. Diese Schulungen wurden von der Fotografin Carola Lohde geleitet; sie war die Lebensgefährtin von Marie Kundt.
1913 wurde Kundt schließlich Direktorin der Photographischen Lehranstalt und blieb es bis zu ihrem Tod im Jahr 1932.
Der Lette-Verein war inzwischen mit all seinen Schulen in ein neues Haus am Viktoria-Luise-Platz in Schöneberg umgezogen. Marie Kund war damit die erste Frau, der eine höhere Fachschule für männliche und weibliche Schüler unterstellt war.
Ihre Arbeit wurde von verschiedenen Seiten mit Auszeichnungen gewürdigt, von der deutschen Kaiserin, vom Deutschen Roten Kreuz ebenso wie vom Großherzog von Mecklenburg-Strelitz.
Marie Kundt war wesentlich an der Entwicklung der Ausbildung der Technischen Assistentinnen in der Medizin und der Metallografie beteiligt. Sie arbeitete außerdem mit vielen Firmen und wissenschaftlichen Institutionen zusammen, unter anderem mit Hans Virchow von der Berliner Charité. Und ihre Röntgenassistentinnen waren mit ihrer Medizintechnik auch bei der Behandlung von Kriegsverwundeten geschätzt.
In vielen Vorträgen und Artikeln, deren Manuskripte im Archiv des Lette-Vereins erhalten sind, ist ihr Fachwissen und ihre engagierte und kundige Sicht auf den fotografischen Beruf festgehalten. 1895 gründete Marie Kundt den „Club der ehemaligen Schülerinnen der Photographischen Lehranstalt“. Ein solches Netzwerk von Fachfrauen mit weltweiten Verbindungen war damals ganz sicher Neuland. 1919 entstand aus dieser Verbindung der erste Berufsverband der Technischen Assistentinnen BOTAWI „Bund der Organisationen Technischer Assistentinnen“, dem Marie Kundt bis 1929 vorstand.
Beim alljährlich im Mai stattfindenden Deutschen Röntgenkongress gibt es - neben einigen nach anderen Röntgen-WissenschaftlerInnen benannten Versammlungsräumen - auch einen Marie-Kundt-Saal.
Seit 2013 gibt es einen Marie-Kundt-Preis für die Ausbildung von medizinisch-technischen Assistentinnen. Der mit 2000 Euro dotierte Preis wird vom Dachverband für Technologen und Analytiker in der Medizin (DVTA) verliehen.
Verfasserin: Dagmar Hemke
Links
www.lette-verein.de
Wikipedia: Stichwort „Marie Kundt“
Deutscher Röntgenkongress (die-saele-des-roeko-und-ihre-paten)
Literatur & Quellen
Biografisches Lexikon für Mecklenburg Band 9, 2018 (Haase, Ruff: Marie Kundt).
Stadtmuseum Berlin, Paul Spies und Martina Weinland. Hg. 2016. Berlin - Stadt der Frauen: couragiert & feminin. 20 außergewöhnliche Biografien.
Ausstellungs-Informationen „Berlin - Stadt der Frauen“ 2016 im Ephraimpalais.
Archiv des Lette-Vereins
Gedenkschrift zum Tode von Marie Kundt, Lette-Verein 1932
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