Fembio Specials Frauenbeziehungen Marie Fillunger
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Marie Fillunger
geboren am 27. Januar 1850 in Wien
gestorben am 23. Dezember 1930 in Interlaken
österreichische Sängerin
90. Todestag am 23. Dezember 2020
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
“Mein Genchen, ich habe physische Schmerzen so viele Meilen zwischen uns zu denken… man müßte endlich einmal fliegen können, wenn ich das könnte so sähst Du mich heute noch bei Dir ... Heute sind es acht Tage, daß Du fort bist, so muß noch manche Woche vergehen, bis ich Dich wieder habe… Ich habe mich an Deinen Küssen satt und durstig getrunken und dieser Durst brennt mir nun in tiefster Seele. Der Brand wird nicht erlöschen, bis Deine Lippen mich berühren”.
Solche Briefe von Frau zu Frau sind im 19. Jahrhundert nur selten überliefert. Sie strafen das Märchen Lügen, wonach die Frauenfreundschaften damals erotisch “rein” waren. Die Sopranistin Marie Fillunger, von der diese Zeilen stammen, studierte bei der berühmten Sängerin Mathilde Marchesi de Castrone am Wiener Konservatorium und kam dort mit Johannes Brahms in Kontakt, der sie an die neu gegründete Berliner Musikhochschule weiterempfahl. Schon als Studentin konzertierte sie im In- und Ausland, doch wollte sie sich weiterbilden. In Berlin traf sie Eugenie Schumann, eine der Töchter Clara und Robert Schumanns, die ebenfalls an der Musikhochschule studierte (Klavier), und verliebte sich in sie. Die Liebe wurde erwidert, und Eugenie und Fillu blieben 55 Jahre lang, auch in Krisenzeiten, ein Paar.
Eugenie taufte sie “Fillu”, um Namensverwechslungen mit ihrer Schwester Marie zu vermeiden. Als Clara Schumann nach Frankfurt zog, zog Fillu mit und bewohnte ein Zimmer neben Eugenie. Marie war anscheinend eifersuchtig auf die Liaison. 1889 kam es zum Konflikt, und Fillu zog ohne Eugenie nach England, um dort ihr Glück zu versuchen. Sie war sofort erfolgreich und sang in zahlreichen britischen Städten. Eugenie versuchte zunächst, bei ihrer Mutter und Schwester zu leben, erkrankte dann aber 1892 in Frankfurt schwer und zog schließlich zu ihrer Geliebten nach England.
Fillus Konzertreisen mit dem Ehepaar Hallé (Klavier/Cello) führten sie bis nach Australien und Südafrika. Von 1904 bis 1912 hatte sie eine Professur an der Musikhochschule in Manchester. Das Paar verließ England während des ersten Weltkriegs und verbrachte den Rest des Lebens im schweizerischen Interlaken, wo Marie bereits lebte. Fillu und Eugenie mieteten eine Wohnung, während Marie ein eigenes Haus bewohnte - man blieb also auf Abstand. Auf dem Grabstein des kleinen, malerischen Friedhofs in Wilderswil bei Interlaken steht zu lesen: “Hier ruht zwischen Schwester und Freundin Eugenie Schumann”. Darunter ein kleiner Stein mit der Inschrift “Marie Fillunger”. Man muss Eugenie für ihren Mut bewundern, obwohl sie Fillus Lebensdaten auf dem Grabstein wegließ. Der Stein wurde übrigens auf Anregung von zwei musikliebenden Freundinnen 1999 überholt und die Daten nachträglich eingraviert.
Verfasserin: Eva Rieger
Zitate
“Von Fillu habe ich mich diesen Sommer getrennt, ich wollte Mama nicht gleich wieder verlassen… Seit drei oder vier Jahren waren wir nie länger als drei Wochen getrennt…” (Eugenie Schumann, Juli 1881).
“Fillu ist die Alte, lieb und gut mit mir (sie hat mich rührend gepflegt), immer heiter, witzig und komisch, leider aber oft verkannt… für weniger angenehme Zeiten bewahrt sie sich ihren unverwüstlichen Humor… sie studiert fleißig, spritzt den Garten und macht sich sonst nützlich” (Eugenie Schumann, 1884/5).
“Ich habe immer so viel zu thun, daß ich garnicht Zeit habe über mich nachzudenken, und das ist wohl ein Gluck, denn bei aller Befriedigung, die mir Mama's Liebe, Marien's schwesterliche Zuneigung und die Erfüllung meiner Pflichten gewährt, vermisse ich seit der Trennung von Fillu fur mein Inneres unsäglich Vieles. Das kannst Du mir gewiß nachfühlen; Du hattest für mein Freundschaftsverhältnis zu ihr stets so viel Verständnis und Theilnahme. Ihre Laufbahn hat sich aber seit unserer Trennung so glücklich gestaltet, daß es mir eine kleine Entschädigung ist.” (Eugenie Schumann an eine Freundin, nach der zeitweiligen Trennung von Fillu 1891).
Literatur & Quellen
Rieger, Eva. Hg. 2002. Mit 1000 Küßen Deine Fillu: Briefe der Sängerin Marie Fillunger an Eugenie Schumann 1875-93. Mitarb. Rosemary Hilmar. Köln. Dittrich.
Rieger, Eva. 2005. “'Deine Liebe hat mir erst gezeigt was leben heißt': Marie Fillunger (1850-1930) und Eugenie Schumann (1851-1938)”, in: Horsley, Joey & Luise F. Pusch. Hg. 2005. Berühmte Frauenpaare. Frankfurt/M. Suhrkamp. S. 61-93.
Schumann, Eugenie. 1925. Erinnerungen. Stuttgart. J. Engelhorns Nachf.
Schumann, Eugenie. 1995 [1925]. Claras Kinder. Gedichte von Felix Schumann. [Neuauflage der Erinnerungen von E. Schumann, 1925]. Hg. und Nachwort von Eva Weissweiler. Köln. Dittrich.
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