Fembio Specials Philosophinnen Marie de Rabutin-Chantal, Marquise de Sévigné
Fembio Special: Philosophinnen
Marie de Rabutin-Chantal, Marquise de Sévigné
geboren am 5. Februar 1626 in Paris
gestorben am 18. April 1696 im Château de Grignan
französische Schriftstellerin
325. Todestag am 18. April 2021
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Das Leben der berühmtesten Epistolière des 17. Jahrhunderts ist schnell erzählt: Früh verwaist, verbrachte sie eine liebevoll behütete Kindheit in der Familie der Mutter, bekam eine sorgfältige Erziehung und heiratete mit 18 Jahren den Marquis de Sévigné, mit dem sie zwei Kinder hatte. Die Ehe war nicht glücklich, der Mann hatte häufig Affären mit anderen Frauen und fiel im Duell nach nur siebenjähriger Ehe.
Von da an spielte sich das Leben der jungen Witwe vorwiegend auf dem Landgut Rochers in der Bretagne, später in Paris ab, wo die charmante, geistreiche, überaus attraktive Marquise sich im eigenen gesellschaftlichen Erfolg und in dem ihrer schönen Tochter sonnte. Deren Heirat mit dem Grafen Grignan, dem sie in die Provence folgen mußte, bedeutete einen tiefen Einschnitt im Leben der Mutter.
Folge der schmerzlichen Trennung von der abgöttisch geliebten Tochter war eine umfangreiche Sammlung von Briefen (1500 Briefe in 25 Jahren, in der Mehrzahl an die Tochter), die zum Prototyp dieser Literaturgattung wurden. Ihr lässiger Plauderton, ihre Frische, Spontaneität und Natürlichkeit wurden als ganz neu und typisch weiblich empfunden. Witzige, auch kritische Beobachtungen über Vorfälle am Hofe des Sonnenkönigs, Klatschgeschichten über Theateraufführungen, kluge Gedanken über anspruchsvolle Literatur trafen das Interesse ihrer aristokratischen FreundInnen, in deren Salons die Briefe vorgelesen wurden.
Im Druck erschienen sie erst lange nach dem Tode der Verfasserin, wurden dann besonders weiblichen Leserinnen zur Lektüre empfohlen, wiewohl diese darin auch Kühnheiten finden konnten wie die folgende berühmte Drohung an den Schwiegersohn, der die geliebte Tochter zu häufig schwängerte: “Ich werde Ihnen Ihre Frau wieder wegnehmen. Denken Sie, daß ich sie Ihnen gegeben habe, damit Sie sie töten, ihre Gesundheit, ihre Schönheit, ihre Jugend zerstören? Ich meine es ernst.”
Madame de Sévigné galt als heiter, mondän, ja kokett, doch zeigt sich in den Briefen auch eine gelegentliche Neigung zur Melancholie, ein Hang zur Einsamkeit, zu manchmal quälenden Fragen nach Alter und Tod. Auch am Symbol selbstloser Mütterlichkeit, zu dem sie hochstilisiert wurde, kann man Kratzer entdecken und sich fragen, wie oft wohl die eher zurückhaltend und kühl wirkende Tochter sich von der Mutter bedrängt gefühlt hat, durch die überschwenglichen Liebesbeteuerungen, die aufdringlichen Ratschläge und Sorgen um die Gesundheit, durch die Ungeduld, mit der die Mutter Rückäußerung und Bestätigung erwartete. Das Mutter–Tochter–Verhältnis war labiler, in manchen Jahren gefährdeter, als es die Legende wahrhaben will. Erst nach manchen Kämpfen gelangte es zur Harmonie, und der Tod der Marquise de Sévigné nach erschöpfender Pflege der kranken Tochter wirkte dann als krönende Apotheose mütterlicher Hingabe.
(Text von 1995)
Verfasserin: Ursula Schweers
Literatur & Quellen
Duchène, Roger. 1982. Mme de Sévigné ou la chance d'être femme. Librairie Arthème Fayard.
Martin, Marie-Madeleine. 1982. Das Genie der Frauen. [= Le génie des femmes]. Aus dem Frz. von Heinrich Willersinn. Memmingen. Maximilian Dietrich Vlg.
Mossiker, Frances. 1985. Madame de Sévigné: A Life and Letters. New York. Columbia UP.
Nies, Fritz. 1972. Gattungspoetik und Publikumsstruktur: Zur Geschichte der Sévignébriefe. München. Fink.
Sartori, Eva Martin & Dorothy Wynne Zimmerman. 1991. French Women Writers: A Bio-Bibliographical Source Book. New York. Greenwood.
Sévigné, Mme de. 1972-78. Correspondance de Mme de Sévigné. Bibliothèque de la Pléiade. Paris. Gallimard.
Sévigné, Mme de. 1979. Briefe. Hg. und aus dem Frz. übs. von Theodora von der Mühl. Frankfurt/M. Insel TB.
Stanley, Arthur. 1973 [1946]. Madame de Sévigné: Her Letters and Her World. Folcroft, PA. Folcroft Library Editions.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.