Fembio Specials FemBiografien von Swantje Koch-Kanz (1939-2022) Maria Malibran
Fembio Special: FemBiografien von Swantje Koch-Kanz (1939-2022)
Maria Malibran
(María de la Felicidad García [Geburtsname]; María de la Felicidad Malibran [Ehename]; Maria Malibran de Bériot [Ehename]; genannt »La Malibran«; María-Felicia Malibran)
geboren am 24. März 1808 in Paris
gestorben am 23. September 1836 in Manchester
spanische Sängerin (Contralto/Mezzosopran) und Komponistin
215. Geburtstag am 24. März 2023
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Maria Garcia ist der Star der Sänger-Familie, die 1825 aus Paris nach Amerika reist und New York in die grosse Welt der italienischen Oper einführt: Die Mutter Joaquina als Sopran, der berühmte Vater Manuel (Gesangslehrer und Komponist von u.a. über 50 Opern) ist der Tenor, der Sohn Manuel jr., bald noch erfolgreicherer Lehrer, der Bariton. In London brillierte Maria als phänomenale Einspringerin für Giuditta Pasta. Nun singt die Siebzehnjährige in den zehn Gastspielmonaten alle Alt- und Mezzorollen von fünf aufgeführten Rossini-Opern und zweien ihres Vaters, dazu Zingarellis Romeo und Mozarts Zerlina. Außerdem heiratet sie Eugène Malibran, 27 Jahre älter und bald bankrott; da ihre Gagen geringer sind als seine Schulden, kehrt sie 1827 zurück nach Paris – ohne ihn.
Neun Jahre später ist sie tot: ab 1828 die höchstbezahlte Sängerin Europas und mit 27 weiteren Opern (sieben speziell für sie komponiert) u.a. von Louise Bertin, doch zumeist von Rossini, Donizetti und Bellini, auf langen Reisen stets unterwegs zwischen Paris, Italien und England. Zahlreich sind die Berichte von Augen- und Ohrenzeugen ihrer Kunst, ihres grossen Stimmumfangs und die Menschen unmittelbar ansprechenden tiefgegründeten Mezzos mit leicht laufender Höhe und makelloser Belcanto-Technik. Sie beherrschte ein reiches Spektrum von Alt- und Sopran-Partien, die sie virtuos, auch wohl exzessiv, und immer spontan gestaltend frei entfaltete. Sowohl Mendelssohn wie Chopin empfahlen ihren Schülern besonders das Singen der Malibran.
Klein war sie und von zarter Konstitution, „eine faule, störrische Zigeunerin“, deren ursprünglich wenig reizvolle Stimme der strenge Vater mit ihr zu höchster Professionalität entwickelte: täglich frühmorgens sorgfältige Stimmpflege und Rollenstudium, oft vormittags noch Veranstaltungen, Korrespondenz, Komposition, das Entwerfen von Kostümen, Konzerte, Lieder, Oratorien, Festivals und Bühnenproben, Opernvorstellungen, meist gefolgt von sozialen Verpflichtungen bis spät in die Nacht, – das war das normale Leben dieser Diva und faszinierenden, gebildeten, selbständigen Frau. Nach leidvollen Fehlgeburten bekommt sie einen Sohn. Dessen Vater, Charles de Bériot, heiratet sie erst nach sechs Jahren wilder Ehe, zum Entsetzen der Eltern. Einen Monat nach der Hochzeit stürzt sie, erneut schwanger, vom Pferd, tritt weiter auf, stirbt jedoch nach sechs Monaten. Bis heute: Thema von fünf Filmen, einer Oper, zwei Theaterstücken und vielen Romanen. Unvergessenes Vorbild sowie Namensgeberin eines Opernhauses – La Malibran.
(Text von 2007)
Verfasserin: Swantje Koch-Kanz
Zitate
Ehe ich die Malibran gehört, ahndete ich gar nicht, daß ein musikalischer Vortrag auch genialisch sein könne; ich dachte, der Gesang stände im Dienste der Komposition, und wie der Herr, so der Diener. Aber nein. Aus der Spielerei Rossinischer Musik machte die Malibran etwas sehr Ernstes, sehr Würdiges. Dem schönen Körper gibt sie auch eine schöne Seele.
(Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. In: Bertram, Mathias (Hg.) (2004): Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka. Studienbibliothek. Berlin. Directmedia Publ. (Digitale Bibliothek, 1). ISBN 978-3-89853-401-7, S. 12639)
Die Malibran, die hat Gott beurkundet mit der Unterschrift seiner Schöpfung, die kann keiner nachmachen. Es war wie eine Blumenflur von allen milden und stolzen, stillen und hohen, süßen und bittern Gefühlen des Menschen, mit aller Farbenpracht, allen Wohlgerüchen und allen Betäubungen der mannigfachen Blumen. Dieses Weinen, dieses Weinen ohne Tränen, habe ich nie gesehen, möchte ich nie sehen im Leben. Als ihre Tränen zu fließen anfingen, war mir die Brust wie erleichtert. Hat die Liebe so viel süße Schmeichelei, kann der Schmerz so edel sein, durchbohrt Verachtung so tief, kann der Zorn so erhaben, der Schrecken so erschrecklich, die Bitte so rührend sein? Ich wußte das alles nicht. Fragen Sie mich: hat sie das gesprochen, gesungen, mit Gebärden so dargestellt? Ich weiß es nicht. Es war alles verschmolzen. Sie sang nicht bloß mit dem Munde, alle Glieder ihres Körpers sangen. Die Töne sprühten wie Funken aus ihren Augen, aus ihren Fingern hervor, sie flossen von ihren Haaren herab. Sie sang noch, wenn sie schwieg. Ich habe mich für unverbrennlich gehalten und habe erfahren, daß ich es nicht bin; ich will künftig auf Feuer und Licht mehr achtgeben. […] Es Ihnen prosaisch zu wiederholen: die Malibran ist die größte Schauspielerin, die ich je gesehen. In der heftigsten Bewegung zeigte sie jene wahre antike Ruhe, die wir an den griechischen Tragödien bewundern und welche wahrscheinlich auch die Schauspieler der Alten hatten. Darum, des rechten Maßes sich bewußt, spielt sie auch mit einer Kühnheit, die eine andere sich nicht erlauben dürfte. Sie klammert sich flehend an den Mantel des wütenden Othello oder ihres erzürnten Vaters, sie umschnürt ihre Hände mit den Falten des Kleides, sie zerrt daran – eine Linie weiter, und es wäre lächerlich, es sähe aus, als wolle sie ihnen die Kleider vom Leibe reißen; aber sie überschreitet diese Linie nicht, und sie ist erhaben. Und ihr Gesang! Gibt es denn mehr als eine Art, darf man denn anders singen? Spricht man im Himmel auch verschiedene Dialekte? Nun, dann hat sie hoch himmlisch gesungen, meißnisch, und die andern singen platt himmlisch. Sie sehen, ich kann auch ein Narr sein – zu meinem Glücke nur ein prosaischer; denn ich kann keine Verse machen. Ich gehe nächstens einmal in die große französische Oper, und das wird mich wieder heilen.
(Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. In: Bertram, Mathias (Hg.) (2004): Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka. Studienbibliothek. Berlin. Directmedia Publ. (Digitale Bibliothek, 1). ISBN 978-3-89853-401-7, S. 12668ff.)
Links
Die Oper in Italien ist eine Katastrophe! Cecilia & Maria. Interview mit Cecilia Bartoli, geführt von Ulrich Amling und Frederik Hanssen. In: Der Tagesspiegel vom 14.09.2007.
Online verfügbar unter https://www.tagesspiegel.de/kultur/buehne/cecilia-und-maria-die-oper-in-italien-ist-eine-katastrophe/1041448.html, zuletzt geprüft am 17.03.2023.
. Cecilia Bartoli-Musikstiftung: Museo Mobile | Maria Malibran. Wanderausstellung mit Raritäten aus der Rossini- und Belcantozeit (inzwischen beendet). Biografie, Fotos.
Online verfügbar unter http://www.mariamalibran.net/de/introduction/, zuletzt geprüft am 17.03.2023.
Find A Grave Memorial: Maria Felicità Malibran (1808 – 1836).
Online verfügbar unter http://www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?GRid=5628&page=gr, zuletzt geprüft am 17.03.2023.
Google Buchsuche: Maria Malibran.
Online verfügbar unter http://books.google.de/books?q=maria+malibran&btnG=Nach+B%C3%BCchern+suchen, zuletzt geprüft am 17.03.2023.
IMSLP (2017): Malibrán, María. Compositions, Collaborations, Collections.
Online verfügbar unter http://imslp.org/wiki/Category:Malibr%C3%A1n,_Mar%C3%ADa, zuletzt geprüft am 17.03.2023.
Internet Movie Database: Maria Malibran. Filme.
Online verfügbar unter http://www.imdb.com/find?q=maria+malibran, zuletzt geprüft am 17.03.2023.
Lemke-Matwey, Christine: Maria Malibran – Die erste Diva der Theatergeschichte. Nicht mehr kostenfrei online. ZEIT online.
Online verfügbar unter http://www.zeit.de/2007/38/Diva-Malibran?page=all, zuletzt geprüft am 17.03.2023.
Smart, Mary Ann: Voiceless Songs: Maria Malibran as Composer. Onlinefassung.
Online verfügbar unter http://www.academia.edu/1823725/Voiceless_Songs_Maria_Malibran_as_Composer, zuletzt geprüft am 17.03.2023.
Ubuweb Film & Video: Werner Schroeter – Der Tod der Maria Malibran.
Online verfügbar unter http://www.ubuweb.com/film/schroeter.html, zuletzt geprüft am 17.03.2023.
Literatur & Quellen
Brand-Seltei, Erna (1972): Belcanto. Eine Kulturgeschichte der Gesangskunst. Wilhelmshaven, Amsterdam, Locarno. Heinrichshofen. ISBN 3-7959-0066-7.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Buerkli, Georg (1840): Züge aus dem Leben der berühmten Sängerin Maria Malibran-Garcia. Zürich. (Neujahrstück der allgemeinen Musik-Gesellschaft in Zürich, 28) (WorldCat-Suche)
Bushnell, Howard (1979): Maria Malibran. University Park. Pennsylvania State University Press. ISBN 0-271-00222-0.
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Kühner, Hans (1954): Große Sängerinnen der Klassik und Romantik. Ihre Kunst, ihre Grösse, ihre Tragik. Mit Bildnissen. Stuttgart. Victoria Verlag Koerner.
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Larionoff, P.; Pestellini, F. (1935): Maria Malibran e i suoi tempi. Con 8 tavole fuori testo. Firence. Bemporad. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Levien, John Joseph Mewburn (1932): The Garcia family. Lectures. London. Novello and Company limited. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Levien, John Joseph Mewburn (1948): Six sovereigns of song. Lectures. John Braham—The Garcia family—Sir Charles Santley. London. Novello.
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Bartoli, Cecilia (2007): Maria. Kompositionen von Maria Malibran, Giuseppe Persiani, Felix Mendelssohn-Bartholdy et al. Enthält ein umfangreiches Booklet mit vielen Informationen zu Malibran. London, England. Decca. Audio-CD (80 min)
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Merlin, María las Mercedes Santa Cruz y Montalvo de; Lotz, Georg (1839): Maria Malibran als Weib und Künstlerin nebst Charakterzügen und Anecdoten aus ihrem Leben. Nach der Gräfin von Merlin von Georg Lotz. Leipzig. Kummer. (WorldCat-Suche)
Pougin, Arthur (1911): Marie Malibran. Histoire d'une cantatrice. Reprint of the 1911 ed. published by Plon, Paris. Genève. Minkoff Reprint. 1973. ISBN 2-8266-0036-2.
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Pougin, Arthur (1911): Marie Malibran. The story of a great singer. London. E. Nash.
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Noten
Boulanger, Nadia; Malibran, Maria et al. (2001): Nineteenth century French art songs. Partitur. Medium/high voice. Bryn Mawr, PA. Hildegard Publishing.
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García, Manuel; Malibran, Maria et al. (1997): Songs and duets of Garcia, Malibran and Viardot. Rediscovered songs by legendary singers. Low [voice]. Van Nuys, CA. Alfred Publishing Co. ISBN 0882847864.
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García, Manuel; Malibran, Maria et al. (1997): Songs and duets of García, Malibran and Viardot. Rediscovered songs by legendary singers. High [voice]. Van Nuys, Calif. Alfred Pub. Co. ISBN 0882847856.
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Quellen
Ferris, George T. (1891): Great Singers. Second series: Malibran to Titiens. New York. Appleton & Cie. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Fischer-Dieskau, Dietrich (1990): Wenn Musik der Liebe Nahrung ist. Künstlerschicksale im 19. Jahrhundert. Stuttgart. Deutsche Verlagsanstalt. ISBN 3-421-06571-3.
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FitzLyon, April (1987): Maria Malibran. Diva of the romantic age. London. Souvenir Press. (A Condor Book) ISBN 0-285-65030-0.
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Nathan, Isaac (1837): Madame Malibran. Biographische Skizze nach dem Englischen von A. von Treskow. Quedlinburg & Leipzig.
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Olivier, Antje; Weingartz-Perschel, Karin (1988): Komponistinnen von A-Z. 1. Aufl. Düsseldorf. Tokkata. ISBN 3-9801603-0-0.
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Riggs, Geoffrey S. (2003): The assoluta voice in opera, 1797 – 1847. Jefferson, NC. McFarland. ISBN 0-7864-1401-4.
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Rutherford, Susan (2006): The Prima Donna and opera, 1815 – 1930. Cambridge. Cambridge University Press. (Cambridge Studies in opera) ISBN 0-521-85167-X.
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Schleifer, Martha Furman und Glickman, Sylvia (Hg.) (1996): Women composers. Music through the ages. Darin: Maria Felicia Malibran (1808-1836) / Jaimeé Ard. New York. Hall & Company. ISBN 0783816146.
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