Fembio Specials Europäische Jüdinnen Maria Leitner
Fembio Special: Europäische Jüdinnen
Maria Leitner
(Marja Leitner; Maria Lékai [ungarische Namensversion])
geboren am 19. Januar 1892 in Varaždin (Österreich-Ungarn, heute Jugoslawien)
gestorben am 14. März 1942 in Marseille
ungarische Schriftstellerin und Journalistin deutscher Sprache
80. Todestag am 14. März 2022
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Maria Leitner, deren Schriften leider nicht mehr oder nicht leicht auffindbar sind, leistete durch ihre Reportagen, Erzählungen und Romane über die Lebensbedingungen der sozial Benachteiligten, besonders der Frauen, im Amerika und Europa der 1920er Jahre einen einmaligen Beitrag zur Sozialgeschichtsschreibung. Aus einer kleinbürgerlichen jüdischen Familie stammend, wuchs sie deutschsprachig in Budapest auf. 1910-1913 studierte sie im Ausland und schrieb dann bis 1919 für linke Zeitungen in Budapest. In dieser Zeit wurde Leitner Mitglied der Kommunistischen Partei und Mitbegründerin des Kommunistischen Jugendverbandes Ungarns. Nach dem Sturz der ungarischen Räterepublik musste sie mit ihren beiden Brüdern vor den Pogromen fliehen. Sie ging zunächst nach Wien, dann nach Berlin, wo sie als Lektorin im Verlag der Jugendinternationale arbeitete.
Zwischen 1925 und 1930 bereiste die unerschrockene und wissensdurstige Journalistin Nord-, Mittel- und Südamerika, wo sie sich durch Gelegenheitsarbeiten – sie nahm mehr als 80 Stellen an (z.B. als Küchenhilfe oder Fabrikarbeiterin) – ihren Lebensunterhalt verdiente und authentisches Material für ihre Reportagen sammelte. Sie ging nach Britisch- und Französisch-Guayana, nach Curaçao und Haiti, berichtete über Prostituierte, Gefangene, Diamantengräber und Kolonialbeamte.
Die besten dieser Reportagen gab Leitner1932 als Buch, Eine Frau reist durch die Welt, heraus. Der Roman Hotel Amerika (1930) schildert einen Tag aus dem Leben einer Wäscherin in einem Luxushotel, die zum Schluss »nicht mehr auf den ersehnten Märchenprinzen wartet, sondern eine neue Lebensperspektive an der Seite ihrer Klassengenossen findet« (W. Emmerich). Das Buch wurde 1933 von der Nazi-Reichsschrifttumskammer verboten, und Leitner musste noch einmal fliehen, wahrscheinlich erst nach Prag und dann nach Paris.
Sie veröffentlichte 1936-39 noch Artikel in linken Exilzeitschriften (u.a. in Die neue Weltbühne). Die z.T. sehr genauen Berichte über Hitler-Deutschland lassen vermuten, dass sie noch mehrere Male illegal nach Deutschland zurückgekehrt ist. Ihr letzter Roman, Elisabeth, ein Hitlermädchen, erschien 1937 als Fortsetzungsroman in einer Pariser Zeitung. Er erzählt von einem Mädchen, das seinen blinden Glauben an die Ideologie zuletzt als Täuschung erkennt.
1940 wurde Leitner im französischen Frauenlager Gurs (Pyrenäen) interniert. Sie konnte aus dem Lager zuerst nach Toulouse, dann nach Marseille fliehen, wo sie sich um ein Visum für die USA bemühte. Zuletzt gesehen wurde sie im Frühjahr 1941 von [url=https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/anna-seghers]Anna Seghers[/url]. Nach dem Krieg wurden Leitners Bücher nur in der DDR veröffentlicht.
(Text von 1992)
Verfasserin: Joey Horsley
Zitate
Sie war eher klein und zierlich, ernsthaft. Sie machte kein großes Wesen aus sich selber [...] und wirkte eher durch ihre Persönlichkeit und Reife. (Otto Schudel)
Kann die Emigration nicht stolz auf ihre Literatur sein? Können die Vertriebenen, die Ausgeraubten nicht mit Recht fragen: sind nicht doch wir die Reichen geblieben, und sind nicht wir es, die Deutschland beschenken? (Maria Leitner)
Links
DNB, Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Maria Leitner. Bücher und Medien. (Link aufrufen)
Frauen-Kultur-Archiv: Maria Leitner. Kurzbiografie, journalistische Texte und Auszüge aus Briefen. (Link aufrufen)
Leitner, Maria: Hotel Amerika (1930). Onlinefassung. (Link aufrufen)
Schmid, Hans (2009): Kein Platz im Hotel Amerika, Teil 1. Über Maria Leitner, die Pionierin der Undercover-ReportageTelepolis. (Link aufrufen)
Schmid, Hans (2010): Kein Platz im Hotel Amerika, Teil 2. In geheimer Mission im Dritten ReichTelepolis. (Link aufrufen)
Wikipedia (Hg.): Maria Leitner (Link aufrufen)
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Literatur & Quellen
Brinker-Gabler, Gisela; Ludwig, Karola et al. (1986): Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen. 1800 - 1945. Originalausg. München. Deutscher Taschenbuch-Verlag (dtv, 3282) ISBN 3-423-03282-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Emmerich, W. (1953-85): Maria Leitner. In: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.): Neue deutsche Biographie. 14 Bände. Berlin. Duncker und Humblot. ISBN 3-428-00181-8 (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Leitner, Maria (1923): Tibetanische Märchen. Berlin. Axel Juncker. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Leitner, Maria (1930): Hotel Amerika. Ein Reportage-Roman. 1.-6. Tsd. Berlin. Neuer Deutscher Verlag. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Leitner, Maria (1932): Eine Frau reist durch die Welt. 1.-5. Tsd. Berlin, Wien. Agis-Verlag. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Leitner, Maria (1985): Elisabeth, ein Hitlermädchen. Erzählende Prosa, Reportagen und Berichte. Hrsg. von Helga W. Schwarz. 1. Aufl. Berlin, Weimar. Aufbau-Verlag. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Leitner, Maria (1999): Reportagen aus Amerika. Eine Frauenreise durch die Welt der Arbeit in den 1920er Jahren. Hrsg., bearb. und Nachw. von Gabriele Habinger. Wien. Promedia. (Edition Frauenfahrten) ISBN 3-85371-150-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Schwarz, Helga (1987): Maria Leitner - eine Verschollene des Exils? In: Koebner, Thomas (Hg.): Fluchtpunkte des Exils und andere Themen. München. Ed. Text + Kritik (Exilforschung, 5). ISBN 3-88377-263-1 S. 123–134 (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Schwarz, Helga W. (1989): Internationalistinnen. 6 Lebensbilder. 1. Aufl. Berlin. Militärverlag der DDR. (Kleine Militärgeschichte : Biografien) ISBN 3-327-00676-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Siegel, Eva-Maria (1993): Jugend, Frauen, Drittes Reich. Autorinnen im Exil 1933 - 1945. Zugl.: Berlin, Humboldt-Univ., Diss., 1991. Paffenweiler. Centaurus-Verl.-Ges. (Thetis, 5) ISBN 3-89085-738-8. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
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