Fembio Specials Frauen aus Nord- und Südtirol und dem Trentino Maria Hueber
Fembio Special: Frauen aus Nord- und Südtirol und dem Trentino
Maria Hueber
geboren am 22. Mai 1653 in Brixen, Südtirol/Italien
gestorben am 6. Juli 1705 in Brixen, Südtirol/Italien
Südtiroler Ordensgründerin und Pionierin der Mädchenbildung
370. Geburtstag am 22. Mai 2023
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Maria Hueber ist eine Pionierin der Mädchen- und Frauenbildung in Tirol und die erste Tirolerin, die einen Orden gegründet hat. Die von ihr 1700 gegründete Kongregation, die Tertiarschwestern des heiligen Franziskus, ist heute die zahlenmäßig stärkste Frauengemeinschaft Südtirols.
Maria Hueber gehört zweifelsohne zu den bedeutendsten Frauen in der Geschichte Tirols und hat auch heute noch das Zeug zur Leitfigur; ihr Leben ist biographisch gut erschlossen, und es läuft ein Seligsprechungsverfahren. Nichtsdestotrotz wird sie – wie vergleichbare Frauen in anderen Regionen auch – nur sehr langsam zu einem festen Bestandteil des »kollektiven Gedächtnisses« ihres Landes. Dies mag auch daran liegen, dass sie eine historische Gestalt ist, die sich bei näherem Hinsehen einfachen Zuordnungen gründlich entzieht.
So ist ihr die Gründung einer Schule wahrlich nicht an der Wiege gesungen worden. Für eine typisch weibliche Bildungsbiographie – wenn man überhaupt von einer solchen sprechen kann – ist Maria Hueber in ihrer Zeit ein gutes Beispiel: Als Tochter des Brixner Inwohners und Turmwächters Nikolaus Hueber und seiner Frau Anna Tapp wurde sie gerade nicht in jene bürgerliche oder adelige Oberschicht hineingeboren, in der Zugang zu Bildung auch für Mädchen zwar nicht selbstverständlich, aber doch nicht ungewöhnlich war. Im Gegenteil: Für ihre früh verwitwete Mutter Anna Tapp, die als Näherin und Krankenpflegerin ihre Kinder ernährte, war das Schulgeld unerschwinglich. Deshalb hat Anna Tapp ihrer Tochter selbst das Lesen beigebracht, und diese hat dann autodidaktisch auch noch das Schreiben gelernt. Mit dem Nähen wurde bei Anna Tapp auch gleich das Rechnen unterrichtet.
An ihren verschiedenen Dienststellen in Bozen und Brixen, ganz besonders aber in Innsbruck und wohl auch in Salzburg, ist Maria Huebers Bildung noch vertieft und ergänzt worden, vor allem im religiös-geistlichen Bereich. Im Erwachsenenalter dürfte Maria Hueber insgesamt über eine Bildung verfügt haben, die den Durchschnitt ihrer Zeitgenossinnen und Zeitgenossen weit übertraf. Eine Bildungsinstitution aber hat sie – wie die allergrößte Mehrheit der Frauen ihrer Zeit – wohl nie besucht.
Von ihrer Kindheit an war Maria Hueber in verschiedenen weltlichen und geistlichen Haushalten im Dienst; so bestritt sie nicht nur ihren eigenen Lebensunterhalt, sondern unterstützte auch ihre Mutter. Ihre erste Stelle fand sie in Bozen als »Kindsmagd«, danach diente sie bei mehreren angesehenen Geistlichen in Brixen. In den siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts übersiedelte Maria Hueber aus Brixen nach Innsbruck und dann nach Salzburg. Die Gründe für diesen Umzug sind unbekannt. Während die Stelle in Innsbruck zu den positiven Erfahrungen zählt, war Maria Hueber wegen ihrer Frömmigkeit an ihren beiden Dienststellen in Salzburg Anfeindungen ausgesetzt, so dass sie zu ihrer – mittlerweile in bitterer Not lebenden – Mutter nach Brixen zurückkehrte.
Stichwort »Frömmigkeit«: Maria Huebers Affinität zu religiösen Lebensformen und ihr Interesse an geistigen und geistlichen Fragestellungen sind früh dokumentiert. Für eine Frau ihrer Zeit verfügte sie erstens über eine mehr als überdurchschnittliche religiöse Bildung und pflegte zweitens ein sehr gutes persönliches Netzwerk: dazu gehörten ihre geistlichen Dienstherren, aber auch eine Reihe von franziskanischen Beichtvätern; sie hielt diese Kontakte durch eine ausgedehnte Korrespondenz über Jahre aufrecht. Schon relativ früh entschied sie sich gegen eine Ehe, aber auch gegen einen Eintritt in den sehr kontemplativen Orden der Servitinnen in Innsbruck, zu denen sie gute persönliche Beziehungen hatte. Doch der Weg zu der ihr angemessenen Lebensform war noch weit – standen doch Kirche wie Gesellschaft ihrer Zeit dem eigenständigen religiösen und spirituellen Engagement von Frauen grundsätzlich misstrauisch bis ablehnend gegenüber. Ein erster Schritt war für Maria Hueber der Eintritt in eine Laiengemeinschaft, den Dritten Orden des heiligen Franziskus; das Professversprechen legte sie 1679 ab.
Wie sich die Idee der Gründung einer neuen Frauengemeinschaft entwickelt hat, ist letztlich unklar. Nach dem »Kleinen Protokoll« von Maria Huebers Beichtvater Isidor Kirnigl hat er selbst im Jahr 1700 das Generalkapitel der Franziskaner in Rom besucht, wo er eine Frauengemeinschaft kennengelernt habe, die – betreut von Franziskanern – kleine Mädchen in den Andachtsübungen unterwiesen und sie verköstigten. Er habe Maria Hueber dies für Brixen vorgeschlagen und sie habe geantwortet, »diß wer jhr Freidt«. Als die Schule – und mit ihr das Kongregationsleben – dann am 12. September 1700 startete, war Maria Hueber 47 alt und hatte nur noch knapp fünf Jahre Zeit, um das Begonnene zu festigen und zu sichern.
Was die konkrete Gestaltung des schulischen Alltags betrifft, sind bis dato alle Fragen offen. Fest steht, dass Maria Hueber und ihre erste Mitschwester, Regina Pfurner, unterrichtet haben, also Lehrerinnen waren. Für Maria Hueber muss damit ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen sein.
Hier scheint die Rolle der männlichen Förderer, die in der Ordenshistoriographie als Ideengeber, Initiatoren und Retter dargestellt werden, als relativ fraglich – vor allem angesichts der Tatsache, dass die »Rückendeckung« eines Männerordens in erster Linie als »Legitimation« gegenüber der kirchlichen Obrigkeit eine existenzielle Notwendigkeit war, dass es sich also bei der Betonung der Rollen der geistlichen Betreuer und Beichtväter durchaus um eine »Legitimationsstrategie« gehandelt haben kann.
Denn Maria Hueber war durchaus selbst gut genug vernetzt und für eine Frau ihrer Zeit auch so weit gereist, dass sie ähnliche weibliche Schulorden gekannt haben könnte. Mit der Gründung einer eigenen Kongregation muss Maria Hueber auf einen Mangel im »Angebot« der bestehenden Gemeinschaften reagiert haben.
Vor dem Hintergrund der Entscheidung Maria Huebers gegen einen kontemplativen Orden lässt es sich als sicher annehmen, dass sie und ihre ersten Mitschwestern den Wunsch nach der vita activa, nach Arbeit für und in der Welt hatten. Ein solcher Berufsweg war zu Maria Huebers Zeit nur im Rahmen einer kirchlichen Institution und einer geistlichen Berufung möglich.
Maria Huebers Kongregation, die Tertiarschwestern, sind heute zahlenmäßig die weitaus stärkste Ordensgemeinschaft Südtirols (rund 160 Schwestern), betreiben das Herz-Jesu-Institut in Mühlbach, das Pädagogische Gymnasium in Bozen (geleitet von Tanna-Frau Heidi Hintner) sowie das Krankenhaus »Marienklinik« in Bozen und sind in der Mission in Kamerun und Bolivien aktiv.
Verfasserin: Eva Cescutti
Zitate
345 Maria Hueber (31. Juli) wurde zu Brixen in Tyrol am 22. Mai 1653 geboren. Ihr Vater hieß Nikolaus und war ein gemeiner Bürger der Stadt, ohne bedeutendes Vermögen. Er starb da Maria erst ein Vierteljahr alt war. Ihre sehr fromme Mutter mußte nun sich und ihre drei kleinen Kinder als Taglöhnerin und Krankenwärterin ernähren. Da sie aus Armuth ihre Kinder nicht in die Schule schicken konnte, unterwies sie dieselben auch im Lesen, Schreiben und Rechnen und in allen weiblichen Handarbeiten, so daß Maria ein sehr braver und brauchbarer Dienstbote wurde.
Maria war von Jugend auf außerordentlich fromm gewesen, und wie an Alter, so nahm sie auch täglich an Frömmigkeit und Gnade zu. Durch ein besonderes Vorkommniß bestimmt, hatte sie schon als kleines Mädchen dem dreieinigen Gott versprochen, als Jungfrau ihm zu dienen. Außerordentliche Zustände machten ihren Leib ganz krank, so daß sie nach zehn Jahren keinem Dienst mehr vorstehen konnte und wieder nach Brixen zu ihrer Mutter zurückkehren mußte. Hier führte sie ein ungemein strenges und ganz in Gott verborgenes Leben und wurde ein Mitglied des sogenannten dritten Ordens des hl. Franz von Assisi.
Sie hatte viele Erscheinungen, und soll sogar einmal in der Ekstase von Christus selbst die hl. Communion empfangen haben. Sie litt auch die Schmerzen der Dornenkrone. Dem Fürstbischof von Brixen, Paulinus Mayr, hat sie seinen Tod acht Tage voraus angekündigt, obwohl er damals noch ganz gesund war. Sie wurde deßhalb als Hexe angeklagt, aber schuldlos erklärt.
Nach dem Tode ihrer Mutter, welche im J. 1696 in dem seltenen Alter von 99 Jahren starb, eröffnete sie im Hause einer gewissen Regina Pfurner eine Nähschule für arme Mädchen. Aus diesem unscheinbaren Anfange ist der Orden der armen Schulschwestern nach der dritten Regel des hl. Franz von Assisi entstanden, welcher bis auf den heutigen Tag an mehreren Orten Tyrols, z.B. Brixen, Bozen, Kaltern etc. sehr segensreich wirkt. Maria wurde die erste Vorsteherin dieses frommen Vereins und blieb es, bis sie, ganz verzehrt von hl. Gottesliebe, am 31. Juli 1707 an einem Freitage Morgens um 9 Uhr nach einem langen Todeskampfe gottselig hinüberging zu ihrem göttlichen Bräutigam. (J. M. R.)
Lexikoneintrag, in: Stadler, Johann Evangelist (Hg.) (2005): Vollständiges Heiligen-Lexikon. Neusatz und Faksimile der Ausgabe Augsburg, 1858 – 1882. CD-Rom. Berlin: Directmedia Publishing (Digitale Bibliothek, 106), S. 26187 f.
Links
Kongregation der Tertiarschwestern des heiligen Franziskus.
Online verfügbar unter http://www.tertiarschwestern.it/index_de.html, zuletzt geprüft am 04.05.2023.
Marienklinik Bozen – Casa di cura S. Maria.
Online verfügbar unter http://www.marienklinik.it/, zuletzt geprüft am 04.05.2023.
Gnadl, Michaela (2005): »Dank sei Gott für Süeß und Sauer«. Unheilvolle Salzburger Jahre der Ordensfrau Maria Hueber. In: Traunsteiner Tagblatt, 48/2005.
Online verfügbar unter https://www.traunsteiner-tagblatt.de/das-traunsteiner-tagblatt/chiemgau-blaetter/chiemgau-blaetter-2018_ausgabe,-dank-sei-gott-fuer-sueess-und-sauer-_chid,461.html, zuletzt geprüft am 04.05.2023.
Literatur & Quellen
Gelmi, Josef (1993): Maria Hueber (1653 – 1705). Eine der bedeutendsten Frauen Tirols. Bozen. Athesia. ISBN 88-7014-726-6.
(Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Gelmi, Josef (1995): Maria Hueber. »Mutter Anfängerin« der Tertiarschwestern des hl. Franziskus in Brixen. Josef Gelmi. Kehl. Echo-Buchverlag. ISBN 3-927095-21-4.
(WorldCat-Suche)
Vettori, Marianne (1963): Gekrönt mit Dornen und Rosen. Maria Hueber von Brixen, gottselige Mutter Anfängerin der Franziskaner-Tertiarschwestern, in heimatlicher Umwelt und bewegter Zeit. Brixen. Franziskaner-Tertiarschwestern.
(Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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