Fembio Specials Heilige, Kirchenfrauen, Märtyrerinnen, Mystikerinnen, Wohltäterinnen Maria Goretti
Fembio Special: Heilige, Kirchenfrauen, Märtyrerinnen, Mystikerinnen, Wohltäterinnen
Maria Goretti
geboren am 16. Oktober 1890 in Corinaldo
gestorben am 6. Juli 1902 in Nettuno
italienische Märtyrerin und Heilige
120. Todestag am 6. Juli 2022
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Maria Goretti wurde 1902 mit elf Jahren Opfer eines brutalen Sexualmordes und dafür 1950 von Papst Pius XII. heiliggesprochen und damit zur jüngsten Heiligen der katholischen Kirche: “Zum erstenmal in der Geschichte der Heiligsprechungen war die Feier, an der mehr als eine halbe Million Menschen teilnahmen, auf den Petersplatz verlegt worden, und zum erstenmal konnte auch die Mutter einer Heiligen an der Kanonisation eines ihrer Kinder teilnehmen.”
Die Begründung der Kirche für diese Heiligsprechung ist für den gesunden Menschenverstand schier unfaßbar: “Durch die Kanonisierung Maria Gorettis ehrt die katholische Kirche auch unzählige andere, die in ähnlichen Umständen den Tod der Sünde vorzogen” (Farmer, 1979). Nach Auffassung der Kirche begeht also ein Mädchen, ein Kind von elf Jahren, das vergewaltigt wird, eine Sünde. Maria Goretti entging dieser Gefahr: Sie wehrte sich gegen den Vergewaltiger und wurde erstochen, mit einem spitzen, scharfen Messer: “Vierzehn tiefe Wunden brachte er ihr bei und vier kleinere.” Einfühlsam fährt der Hagiograph (W. Schamoni in Manns 1975) fort: “Dieses Ende war nur die Vollendung, die Krönung ihres jungen Lebens gewesen. Dieser Heldenmut, in dem sie sagen konnte, sie wolle lieber sterben als eine schwere Sünde begehen, war ihr nicht unvermittelt gekommen.”
Maria Goretti hat nicht gesagt, sie wolle lieber sterben als eine schwere Sünde begehen. Das Kind war sich über die korrekte Verteilung von Schuld/Sünde und Unschuld keine Sekunde im unklaren. “Nein, nein”, hat sie geschrien, “das ist Sünde, Alessandro, du kommst in die Hölle.” Und wieder, noch in ihren Wundfieberphantasien, kurz bevor sie starb: “Tu es nicht, Alessandro, du kommst in die Hölle.”
Alessandro war einer aus dem “Nahbereich” seines Opfers. Marias Mutter, eine junge Witwe, der Witwer Serenelli und dessen Sohn Alessandro hatten zusammen ein kleines Stück Land gepachtet. Bevor er sie umbrachte, hatte Alessandro sein Opfer wochenlang mit Morddrohungen terrorisiert. In der Hagiographie liest sich das so: “Die unaussprechliche Not der letzten Wochen hatte ihr Gnadenleben zur letzten Reife gebracht und das Martyrium als Blüte und Frucht gezeigt.”
Alessandro Serenelli wurde zu 30 Jahren Zwangsarbeit verurteilt und 1928 vorzeitig entlassen. Von ihm stammt folgende Charakterisierung des armen Kindes: “Ich habe sie nicht anders gekannt als gut, den Eltern gehorsam, gottesfürchtig, ernst, nicht leichtsinnig und launenhaft wie andere Mädchen; auf der Straße war sie immer bescheiden und ausschließlich darauf bedacht, empfangene Aufträge auszuführen.” Er schließt, anscheinend ohne alle Ironie: “Sie mied gefährliche Gesellschaft, wie ihre Mutter es ihr anbefahl.”
(Original der gekürzten Fassung aus Pusch/Gretter, Berühmte Frauen: 300 Portraits, Bd 2)
Verfasserin: Luise F. Pusch
Literatur & Quellen
Farmer, David Hugh. 1979. The Oxford Dictionary of Saints. Oxford. Clarendon Press.
Guerri, Giordano Bruno. 1984. Povera santa, povero assassino: La vera storia di Maria Goretti. Mailand. Mondadori.
Manns, Peter. Hg. 1975. Die Heiligen: Alle Biographien zum Regionalkalender für das deutsche Sprachgebiet. Mainz. Matthias-Grünewald-Verlag.
Stenzel, Eileen J. 1994. “Maria Goretti: Rape and the Politics of Sainthood”, in: Schüssler Fiorenza, Elisabeth & M. Shawn Copeland, Hg. Violence against Women. London. SCM Press.
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