Fembio Specials Frauenbeziehungen Maddalena Campiglia
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Maddalena Campiglia
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geboren am 13. April 1553 in Vicenza
gestorben am 7. Januar 1595 in Vicenza
italienische Dichterin der Renaissance
470. Geburtstag am 13. April 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
„Hier stand das Haus, in dem Maddalena Campiglia starb, Dichterin des 16. Jahrhunderts, von [Torquato] Tasso hoch gepriesen.“ Diese Inschrift befindet sich an einem Gebäude im Zentrum der norditalienischen Stadt Vicenza, dem Palazzo Leoni Montanari, das heute ein Kunstmuseum beherbergt. Die Gedenktafel wurde allerdings nicht am Haupteingang, sondern eher unauffällig an einer Seitenmauer des Palazzos angebracht. Initiatorin dafür war 1852 eine Bewohnerin, die bei aller Bescheidenheit in der Wahl des Ortes für die Tafel nicht vergaß, sich selbst zu erwähnen: „In memoria Elena Tiepolo Milan Massari MDCCCXVII.“ endet die Inschrift, die somit auch ein Zeugnis frauenbezogener Erinnerungskultur ist.
Maddalena Campiglia wurde 1553 in Vicenza geboren, ihre Eltern, Polissena Verlato und Carlo Campiglia, waren adelig und beide verwitwet. Für die damalige Zeit lebten sie in skandalösen Verhältnissen, da sie erst 1565 heirateten, nachdem sie – neben ihren Kindern aus erster Ehe – drei gemeinsame Kinder hatten, von denen Maddalena das jüngste war.
Maddalena erhielt eine ihrer sozialen Herkunft entsprechende, standesgemäße Erziehung, zu der Literatur, Dichtung und Musik gehörten. Sie besuchte regelmäßig die kulturellen Veranstaltungen im Haus ihrer Cousine Elena, der Frau des Marchese Guido Sforza Gonzaga. Dadurch erhielt sie wesentliche Impulse für ihre künstlerische Entwicklung und konnte zudem wichtige gesellschaftliche Kontakte knüpfen, unter anderem zu dem Schriftsteller und Diplomat Curzio Gonzaga, den sie später zum Verwalter ihres schriftstellerischen Nachlasses bestimmte.
Als 1571 Maddalenas Vater und im Jahr darauf ihre Mutter starb, erbte sie ein Vermögen, das sie mit 25 Jahren erhalten sollte, allerdings nur, wenn sie bis dahin noch nicht verheiratet war. Von ihrer Familie – insbesondere von ihren zwei älteren Brüdern – wurde sie 1576 zur Heirat mit Dionisio Colzè gedrängt, den sie wenig später wieder verließ. Die Ehe, eine sogenannte „Jungfernehe“, bei der die Eheleute kein sexuelles Verhältnis pflegten, war dementsprechend kinderlos. In ihrem Testament erklärte Maddalena Campiglia: „Vor Gott war er nie mein Ehemann“. Sie widmete sich ganz der Dichtung und bekundete selbstbewusst, dass ihre geistigen Werke ihre Kinder seien. So verfasste sie zunächst religiöse Texte über die heilige Maria und die heilige Barbara, die sie u.a. der Ordensschwester Vittoria Trissino-Frattina widmete (Campiglia 1585). Campiglia proklamiert darin die Jungfräulichkeit als idealen physischen und spirituellen Zustand für Frauen, der sie von vielen ihrer sozialen Pflichten entbindet, und der zugleich die Liebe zu Frauen nicht ausschließt. In ihrer Dichtung „Flori. Waldmärchen“ (1588) beklagt die Nymphe Flori das Verschwinden ihrer Geliebten Amaranta. Obwohl Flori durch einen Zauber gezwungen wird, sich in einen Mann zu verlieben, beschließt sie, Jungfrau zu bleiben. Inspiriert wurde das Werk unter anderem von Isabella Pallavicini Lupi, der Marchesa von Soragna, die Campiglias Geliebte und wahrscheinlich auch ihre Mäzenin war. Zur Hochzeit von Isabellas Sohn verfasste sie die Dichtung „Calisa“ (1589), in der Campiglia selbst – wie schon im vorigen Werk – in der Figur der Flori erkennbar wird, Isabella in der Protagonistin Calisa. In einem Vers heißt es dort über Flori: „donna amando pur donna essendo“ – „und doch als Frau Frauen liebend“. Flori besteht darauf, dass man der Liebe keine Vorschriften machen kann:
„Ich weiß, dass ich – eine Frau –, eine Frau liebe, oh mehr noch, dass ich,
eine einfache Nymphe, eine himmlische Göttin auf Erden anbete […]
Im Tempel meines Herzens ist Calisas Seele
meine Göttin, mein Idol, das über mich waltet …“
Im weiteren Verlauf erhält die Protagonistin Aussicht auf potenzielle Erfüllung ihres Verlangens:
„Nun denn, Flori, liebe und hoffe, dass vielleicht
eines Tages deine Liebe, so wundersam sie auch ist, Früchte tragen wird.“
Aus Sicht der Literaturwissenschaft stellt „Flori“ eine Neuerung in der damals zeitgemäßen Schäfer- bzw. Pastoraldichtung dar. Campiglia „bearbeitet das Thema Arkadien auf eine für die Zeit ungewöhnliche Weise und erweitert den rural-dramatischen Gattungsbezug erheblich“ (Lohse 2015, S. 620).
Zu ihren Gedichten, die in verschiedenen Anthologien ihrer Zeit erschienen, gehören auch vier Sonette an Isabella.
Maddalena Campiglia starb nach langer Krankheit mit nur 41 Jahren am 7. Januar 1595 in Vicenza, wo sie auf ihren Wunsch in der Kirche Santa Maria in Araceli im Grab der Äbtissin Giulia Cisotta begraben wurde.
(Text von 2018; alle Übersetzungen aus dem Italienischen von der Autorin)
Verfasserin: Isabel Morgenstern
Literatur & Quellen
Primärliteratur
Campiglia, Maddalena (1585): Discorso sopra l'Annonciatione della Beata Vergine, & la Incarnatione del S.N. Giesu Christo. Vicenza: Appresso Perin libraro & Giorgio Greco compagni.
Campiglia, Maddalena (1588): Flori. Favola boscareccia. Vicenza: Ediz. Perin e Brunelli.
Campiglia, Maddalena (1589): Calisa. Egloga. Vicenza: Ediz. Greco.
Campiglia, Maddalena (2004): Flori, a pastoral drama. A bilingual edition with an Introduction and Notes by Virginia Cox and Lisa Sampson. Translated by Virginia Cox. (The Other Voice in Early Modern Europe.) Chicago: University of Chicago Press.
Sekundärliteratur
Chemello, Adriana (2003): ‘Donne a poetar esperte’: la ‘rimatrice dimessa’ Maddalena Campiglia. In: La littérature au féminin. Special issue, 46: 65-101.
Cox, Virgina (Hrsg.) (2013): Lyric Poetry by Women of the Italian Renaissance. Baltimore: The Johns Hopkins University Press.
Di Rienzo, Maria G. (1997): 'Donna amando pur donna essendo': Maddalena Campiglia (Vicenza 1553-1595). In: Babilonia, 11. http://www.culturagay.it/biografia/100
Lohse, Rolf (2015): Renaissancedrama und humanistische Poetik in Italien. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag. Somma, Anna Lisa (2014): “Meglio ancora delle sue opere, che nessuno più legge”:1 note per la riscoperta di Maddalena Campiglia (1553-1595). In: Revista Italiano UERJ, 1, 5: 182-213.
Rumor, Sebastiano (1897): Per una Poetessa del secolo XVI. Vicenza: Stabilimento Tipografico S. Giuseppe.
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