Fembio Specials Bauhausfrauen Lucia Moholy
Fembio Special: Bauhausfrauen
Lucia Moholy
(Lucia Moholy, geb. Schulz, auch: Lucia Moholy-Nagy, Pseudonym: Ulrich Steffen)
geboren am 18. Januar 1894 in Karolinenthal bei Prag/Praha (ehem. Österreich-Ungarn, heute: Tschechien)
gestorben am 17. Mai 1989 in Zollikon bei Zürich (Schweiz)
österreichisch-ungarisch-britische Fotografin, Kunsttheoretikerin, Publizistin
35. Todestag am 17. Mai 2024
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Untilgbar scheint der Nimbus der Bauhaus-Fotografie: »Nahezu jeder erhaltene Dunkelkammerabfall«, spöttelte der Kunstwissenschaftler Rainer K. Wick einmal, werde »wie eine Reliquie« behandelt (Wick, 1991, S. 12). Umso bemerkenswerter, dass ausgerechnet Lucia Moholy, die Fotografin, die die heute bekanntesten Aufnahmen von der Deutschen liebsten Kunstschule fertigte, zum Musterexemplar verquerer Künstlerinnen-Rezeption geriet.
»Der Künstler war er … nicht sie«: Licht und Schatten
Mit ihren neusachlichen Schwarzweiß-Aufnahmen prägte Lucia Moholy wie kein(e) zweite(r) unser Bild vom Bauhaus, seinen inzwischen zum UNESCO-Weltkulturerbe geadelten Bauten, seinen MeisterInnen und SchülerInnen. Kaum vorstellbar, wie die designhistorisch durchschlagenden Bauhaus-Produkte – Marcel Breuers hippe Freischwinger oder Wilhelm Wagenfelds kugelsegmentförmige Leuchten – je ohne Moholys unaufgeregte Werbefotos hätten zu derartigen Bestsellern avancieren können: Bis heute schmeicheln sie dem Vorzeige-Inventar bildungsbürgerlicher Eigenheime. Kaum denkbar, wie die vielzitierten »Bauhaus-Bücher« je ohne Moholys Fotos und ihre kluge, erfahrene Redaktion hätten publiziert werden können. Und auch jenseits der Bauhaus-Ära hinterließ Moholy manch kleinen Meilenstein, den sie zu Recht am Lebensende stolz identifizierte (Moholy, 1983): 1942 etwa, als sie in London die Leitung eines großen Mikro-Verfilmungsprojektes übernahm. Oder 1946, als die UNESCO sie zu einer zentralen Verfilmungsbeauftragten ernannte. Doch als Lucia Moholy 1989 stirbt, findet das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL (29.05.1989) wundersame Worte: Zur Selbstverleugnung neigend, habe sie als »bescheidene Dienerin zweier Herren« gelebt – ihres Gatten László Moholy-Nagy und des Bauhaus-Direktors Walter Gropius. »Kein Zweifel … der Künstler war er«, Moholy-Nagy, – und »nicht sie«, resümiert sechs Jahre später ihr Wiederentdecker und Biograph Rolf Sachsse (Sachsse, 1995, S. 22). Dies aber sind nicht die einzigen Trugschlüsse über Moholys Leben, wie die jüngere Forschung zeigt.
»…und ich wollte doch so furchtbar gerne fort«: Lebensstart
Bürgerlich wohlgeordnet beginnt Lucia Schulzens Leben – nahe Prag, im damals österreichisch-ungarischen Karolinenthal: Als Rechtsanwalt bietet der Vater eine solide monetäre Basis. Über die deutschstämmige Mutter ist weniger bekannt. Tochter Lucia jedenfalls ist aufgeweckt, spielt Klavier und Tennis. 1910 besteht sie das Abitur mit Auszeichnung, erlangt bald darauf die Lehrbefähigung als Englischlehrerin. Sie besucht Philosophie- und Kunstgeschichts-Vorlesungen an der Prager Uni, arbeitet in der elterlichen Kanzlei. Und doch langweilt sie sich: »Immer dieselben 20 Gesichter«, notiert sie 1915, »und ich wollte doch so furchtbar gerne fort« (zit. n. Valdivieso, S. 67). Das Verhältnis zum Vater ist angespannt. Mit 21 Jahren wagt sie eine kleine bürgerliche Missetat: Sie verlässt ihr Elternhaus. Unverheiratet. Ihren Lebensunterhalt verdient sie sich als Redaktionssekretärin in Wiesbaden. Gelegentlich publiziert sie Theaterkritiken, plant eine Fotografinnenausbildung. Doch es mangelt ihr an Zeit.
Die vollkommene Ehe? Lucia Moholy und László Moholy-Nagy
1920 trifft Lucia Schulz in Berlin auf den Mann, in dessen Schatten sie fortan gedrängt werden wird – auf den ungarischen Künstler László Moholy-Nagy (1895-1946). Schon seit fünf Jahren steht sie damals im Berufsleben, nahm Verlags-Stellen in Leipzig und Hamburg wahr, arbeitet nun als Lektorin und Pressereferentin für den Ernst Rowohlt Verlag in Berlin. Auf Heinrich Vogelers Barkenhoff hat sie längst den Sozialismus für sich entdeckt, erste Schritte in die Fotografie gewagt.
Moholy-Nagy dagegen – die Historiographie wird ihn Jahre später zum Vorreiter des »Neuen Sehens« küren – ist ein mittelloser, abgebrochener Jurastudent. Und ein künstlerisch unbeschriebenes Blatt. Vorbildlich traditionsbewusst trägt Lucia Schulz seit ihrem 27. Geburtstag seinen Nachnamen, um zugleich – weit weniger traditionsbewusst – beider Lebensunterhalt allein zu bestreiten. Zusammen ereifern sie sich im »ad hoc Wettstreit spontaner Einfälle« (Moholy, 1972, S. 13), erstellen Fotogramme, kameralos gewonnene Aufnahmen und verfassen kunsttheoretische Texte. Ihrem berühmten »Doppelportrait« von 1923 ähnlich, das beider Silhouetten untrennbar synthetisiert – scheint die Rekonstruktion des jeweiligen Anteils im Nachhinein kaum möglich. »Symbiotisch« nennt Lucia Moholy ihre Arbeitsgemeinschaft daher, betont aber, zumeist die »sprachliche Formulierung« übernommen zu haben (Moholy, 1972, S. 11).
Intern schätzt László sie angeblich als »Leuchtfeuer«, das sein »emotionales Chaos« erhellte: »Sie lehrte mich das Denken« (Sibyl Moholy-Nagy, 1972, zit. n. Valdivieso , S. 81). Extern aber kommuniziert er die Lage anders: Koproduktionen wie den fotohistorisch bedeutsamen Aufsatz »Produktion – Reproduktion« (1922) – gibt er einzig unter seinem Namen in Druck. »Die vollkommene Ehe« nannte Theodor H. van de Velde seinen wenig gynophilen Aufklärungsbestseller, den die lebensreformerisch bewegte Lucia Moholy 1927 in der Avantgarde-Zeitschrift »i 10« bespricht. In Moholy-Nagy jedenfalls fand sie den vollkommenen Ehepartner nicht: 1929 trennen sich die beiden.
Moholy verliebt sich in Theodor Neubauer (1890-1945), den politisch ebenbürtigeren KPD-Reichstagsabgeordneten und späteren NS-Widerstandskämpfer. Er ist ihre große Liebe. Doch fatalerweise wird die Nachwelt Moholy jahrelang auch aus seinem Leben herausschreiben: Neubauers erster Biograph wollte dem verheirateten Vater zweier Kinder keine außereheliche Liebe zugestehen.
Bauhaus-Künstlerin, undotiert
Fünf Jahre weilt Lucia Moholy am Bauhaus – seit László Moholy-Nagys Berufung zum Meister 1923, bis 1928. Das Bauhaus, 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründet und 1925 nach Dessau verzogen, gilt vielen als Moderne-Inkunabel per se – oder wie Moholy spöttelte – als »Wiege von allem«, was sich »als supermodernistisch gebärdet« (Moholy, 1971). Dass Gropius und seine Mannen ein eher reaktionäres Frauenbild pflegten, wurde oft gerügt, trübte die Bauhaus-Euphorie jedoch bloß marginal.
Ähnlich wie Gertrud Arndt und Marianne Brandt leidet Lucia Moholy unter dem misogynen Klima, reagiert mit »milder Ironie« (Sachsse, 1995, S. 11). Auch die androzentrische Bauhaus-Rezeption nach 1945 erzürnt sie: Zu viel werde über die Meister geschrieben, moniert sie. Endlich müsse die Rede von deren Ehefrauen sein – sie hätten maßgeblich an der »Geschichte und Nachgeschichte des Bauhauses« (zit. n. Valdevieso, S. 71) mitgewirkt. Und zwar unentgeltlich: Moholy ist im Gegensatz zu ihrem Mann und den meisten fotografierenden BauhäuslerInnen jener Tage ausgebildete Fotografin. Rasch avanciert sie zu einer Art »Hausfotografin« – Gropius nutzt ihre Aufnahmen als Grundlage jeder Bauhaus-PR, für fast jede Publikation. Eine offizielle Position, eine Entlohnung oder gar Anstellung erhält Moholy indes nicht (Baumhoff, 2009, S. 183). Ebenso unentgeltlich bringt Moholy ihr gesamtes, als Verlagsmitarbeiterin erworbenes Fachwissen zur Herausgabe der 14 »Bauhaus-Bücher« ein. Herausgeber Gropius und Moholy-Nagy hatten offiziell »weder Zeit noch Neigung, sich mit den Details der Buchherstellung zu befassen« (Moholy, 1972, S. 44). Weder Zeit noch Neigung hatten sie scheinbar auch, Moholy als Redakteurin sichtbar zu machen: Allein im Vorwort des letzten Bandes formuliert der Ex-Gatte ein kleines Dankeschön.
»Warten auf den nächsten Zug«: Dessau
Im Gegensatz zu Freundin Florence Henri zeigt sich Lucia Moholy von ihrer Bauhaus-Zeit spärlich angetan: Insbesondere der Stadt Dessau, dem einstigen Zentrum deutscher Aufklärung, kann sie wenig abgewinnen. »Dessau ist wie ein Ort, in dem man – auf der Reise – den Anschluss versäumt hat und auf den nächsten Zug warten muss« (zit. n. Baumhoff, 2009, S. 183). Schmerzlich vermisst sie das pulsierende Kulturleben Berlins. »Es hilft mir nicht, wenn jede Woche 20 Freunde hierher kommen« (zit. n. Baumhoff, 2009, S. 183/184). Ihren Mann sieht sie kaum.
Schon in Weimar plant sie, erstmals ohne eigenes Einkommen, eine Karriere als Freiberuflerin, absolviert 1923/24 eine Ausbildung im Weimarer Photoatelier Eckner, nimmt photo- und drucktechnischen Unterricht an der Leipziger Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe. 1928 geht sie zurück nach Berlin, übernimmt ein Jahr später die Leitung der Foto-Klasse der Itten-Schule.
Bald darauf entsteht ihr heute bekanntestes Selbstportrait. Den Weiblichkeitsidealen jener Tage trotzend, blickt die damals 36-Jährige darin fast provokant selbstbewusst in die Kamera – aus tief verschatteten, fragenden Augen.
»Ein kleines Stück der großen Welt«: Architektur- und Produktfotografie
Wie eine Walnussschale offenbare uns die Fotografie »ein kleines Stück der großen Welt«, findet Moholy (Moholy, 1933). Und dieses Quäntchen Universum will sie – offiziell – möglichst nüchtern und unkommentiert abgelichtet wissen. Moholy-Nagys experimentelle Strategien des »Neuen Sehens« sind nicht die ihren: Als Gropius sie im Spätherbst 1926 beauftragt, seine großenteils selbst entworfenen Dessauer Bauhausbauten zu fotografieren, verzichtet sie auf zeittypische Effekte: Sie hält die fabrikhallengleichen Fassaden, die wie Mini-Ozeandampfer konzipierten Meisterhäuser ohne dramatisch überzogene Schatten, ohne exorbitante Drauf- oder Untersichten fest. Ohne verzerrt dimensionierte Details.
Als »bis zur Kunstlosigkeit sachlich« (Sachsse, 1995, S. 17) kategorisiert Biograph Sachsse daher die meistreproduzierte Moholy-Serie. Nie habe sie den »Anspruch auf Eigengestaltung« erhoben. Was vordergründig nach Abwertung klingt, meint Sachsse als Huldigung: Moholy selbst gab vor, im Sinne der »Neuen Sachlichkeit« mit dem Kunstpathos des Expressionismus, des »Neuen Sehens« gebrochen zu haben. Ob Sachsses wohlgemeinte Schlussfolgerung allerdings, Moholy-Nagy sei der Künstler gewesen – und »nicht sie« zu einer adäquaten Moholy-Wiederentdeckung beitrug, bleibt fraglich.
So unangestrengt manch menschenleere Aufnahme Moholys anmuten mag, so diffizil geplant scheinen andere: Ihr berühmtes Foto vom Balkon des Atelierhauses (1926) etwa. Per Schattenwurf rückt Moholy die relingartige Balustrade ins Zentrum und damit Gropius Anspielung auf Ozeandampfer, die spätestens seit Le Corbusiers Buch »Vers une architecture« (1923) als Progressivitäts-Gipfel galten. Die Dessauer Stadtsilhouette dagegen taucht sie in nebulöses Dunkel und rezipiert damit ein Lieblingsmotiv der selbsternannten tabula-rasa-Moderne, die gern das strahlend Neue nach vorne, das vermeintlich Überkommene ins düstere Abseits schob.
Nicht minder subtil gestaltet Moholy ihre Produktfotografie: So dürfte es kaum Zufall sein, dass sich in Marianne Brandts Tee-Extraktkännchen (1924) ein Bauhausfenster spiegelt. Moholy lichtet die imposanten Metallfenster zeitgleich in allen erdenklichen Variationen ab – als fahnde sie nach einem Kunstschul-Signet, das sie nunmehr in Brandts Kännchen implantiert. Als ehemalige Kunstgeschichts-Studentin war sie gewiss mit ähnlichen Bild-im-Bild-Effekten der Vergangenheit vertraut, z.B. Jan van Eycks »Hochzeit des Arnolfini« (1434).
»Ich habe Menschen fotografiert wie Häuser«: Portraits
Lucia Moholys Portraits von Walter Gropius, Florence Henri und Clara Zetkin zählen heute zum Standardrepertoire vieler Foto-Bände. Entstehungszeitlich aber werden sie kaum gedruckt. Die ungewöhnliche Kombination großer Formate mit Tageslicht, mutmaßt Moholy über die Nichtbeachtung, möge ihren Zeitgenossen »etwas seltsam erschienen sein« (Lucia Moholy, 1978).
»Ich habe Menschen fotografiert wie Häuser«, sagt sie außerdem (zit. n. Sachsse, 1995, S. 19). Es ist ihr meistzitierter Satz. Und der missverständlichste: Zwar scheint sie in der Tat von dezentem Schematismus gelenkt – gern nimmt sie je eine Aufnahme en face, eine en profile, eine aus leichter Vogel- und Froschperspektive. Nur so könne sie einen objektiven Eindruck gewinnen, erklärt sie.
Auch rahmt sie – anders als Kollegin Lotte Jacobi – die Portraitierten tunlichst nicht mit persönlichen Momenten, der eigenen Wohnung gar. Sie trachtet nach möglichst neutralem Hintergrund, meidet Status- und Berufssymbole, die Kulissenhaftigkeit historischer (Studio-)Fotografie.
Von neusachlichem Dogmatismus ist sie dennoch weit entfernt. Abgesehen von den Aufnahmen Nelly und Theo van Doesburgs (1924), lichtet sie ihre Mitmenschen – meist sind es Bekannte oder Freunde – zumeist in sehr persönlichen Augenblicken ab. Bisweilen retuschiert sie die Negative – für rigide Neusachliche ein stattlicher Fauxpas. Nach eigenen Angaben sucht sie nach den Ansichten und Ausschnitten, die »für den karakter … deutlicher« (zit. n. Guttenberger, 2012, S. 169) seien. Dies sei mal das Profil, mal die Hand, mal die »Ganzfigur«. An dieser Stelle zeigt sich Moholy als Kind ihrer Zeit: Weder hinterfragt sie, ob Menschen überhaupt über eine vermeintlich unverkennbarste Seite verfügen, noch ob sich der sog. Charakter per Portrait fixieren lässt.
»Die unbeachteten Schattenseiten des Lebens«: Verlust der Negative
Fotografie schärfe den Blick für die vielen, kleinen Schönheiten des Alltags, glaubt Moholy. Und wer gelernt habe, das Vollkommene zu sehen, werde unweigerlich einen schärferen Blick »für die unbeachteten Schattenseiten des Lebens« (Moholy, 1933) entwickeln. Sie schreibt diese Zeilen am 2. Februar 1933. Seit drei Tagen ist Adolf Hitler Reichskanzler. Sechs Monate späten verhaften die Nazis ihre große Liebe, Theodor Neubauer. In ihrer Wohnung. Sie wird ihn nie wieder sehen: Monatelang inhaftiert, geht er zurück in den Widerstand. 1945 ermorden ihn die Nazis.
Nicht Moholys jüdische Wurzeln – sie sind der Atheistin einerlei – sondern ihre Verachtung des NS-Regimes veranlassen sie nach Prag, Wien, Paris zu fliehen. Ihr »wertvollste(r) Besitz« (Moholy, 1983), ihr knapp 600 Negative umfassendes Archiv, bleibt zurück. Über Umwege gelangt es in Walter Gropius‘ Obhut, wovon sie erst Jahre später erfährt. Sie zählt Gropius zu ihren »wahrsten Freunde(n)« (zit. n. Schuldenfrei, 2012, S. 264). Den Besitz ihrer Negative aber leugnet er. Jahrelang. Parallel verkauft der wohlsituierte Architekt Abzüge aus dem Archiv. Ohne Nennung der Urheberin. 1954 fliegt die Sache auf. Es kommt zum Rechtsstreit. Moholy erhält 1957 einen Bruchteil der Negative zurück. Finanziell und emotional überwindet sie den Verlust lebenslang nicht. Zumal obendrein Dritte ungefragt mit ihren Bildern arbeiten.
Sechs Jahre vor ihrem Tod macht sie die Urheberrechtsverletzungen publik (Moholy, 1983) – Namen nennt sie nicht. Anders als es der SPIEGEL-Nachruf suggeriert, leidet sie nicht unter Selbst-, sondern unter Fremdverleugnung, die sie keineswegs mit Stillschweigen, sondern – bis zuletzt – mit juristischen Schritten zu ahnden versucht (Hoiman, S. 175/76).
»Wo die Bereitschaft zu helfen … größer war«: Neubeginn in London
1934 landet Lucia Moholy mittellos in London. Hier sei »die Bereitschaft zu helfen sehr viel größer … als sonstwo (sic.)« (Moholy, 1947). Sie hält sich mit Prominentenportraits über Wasser, schreibt ein vielbeachtetes Buch über die Kulturgeschichte der Fotografie – schon seit ihrer Teilnahme an der Stuttgarter Werkbund-Ausstellung »Film und Foto« (1929) plant sie es. Das Exil hinterlässt beträchtliche Spuren. Seelisch und körperlich. Sie arbeite hart daran, »sich normal zu verhalten« (zit. n. Schuldenfrei 2012, S. 259), gesteht sie 1937.
Drei Jahre später verliert sie erneut fast ihr gesamtes Hab und Gut – im Bombenhagel. Sie stellt einen Ausreise-Antrag für die USA. Er wird abgelehnt. 1942 übernimmt sie die Leitung des kulturgeschichtlich wie militärisch-nachrichtendienstlich bedeutsamen Aslib-Mikrofilm-Service (Aslib = Association of Special Libraries and Information Bureaux). 1946 ernennt die UNESCO sie, inzwischen ist sie britische Staatsbürgerin und 52 Jahre alt, zur Verfilmungsbeauftragten für die Länder des Nahen und Mittleren Ostens (Honnef, 1998, S. 343).
»Der Lebenskreis hat sich geschlossen«: Lebensabend
Mit Vorträgen und Schriften kämpft Moholy seit Kriegsende für eine Rehabilitation des Bauhauses. Als es schließlich so weit ist, entsetzt sie die einseitige Glorifizierung: Die Debatte sei nicht frei von »Pathos und Emotion … Spuren von Esoterik« (Moholy, 1971). Ihre stets offene Kritik, so Biograph Sachsse, habe Moholys Wiederentdeckung »eher verhindert« (Sachsse, 1993). Und doch scheint sie am Lebensende – seit 1959 lebt sie in Zollikon bei Zürich – verblüffend wenig verbittert: »Der Lebenskreis hat sich geschlossen« (Sachsse, 1995, S. 27) sagt sie angeblich an ihrem 90. Geburtstag. Fünf Jahre später stirbt sie.
Verfasserin: Annette Bußmann
Links
Artcyclopedia: Lucia Moholy Online. Linksammlung.
Online verfügbar unter http://www.artcyclopedia.com/artists/moholy_lucia.html, zuletzt geprüft am 12.01.2024.
Artfacts: Lucia Moholy - Biography. Public Exhibitions, Dealer Directory, Collections, Catalogues.
Online verfügbar unter http://www.artfacts.net/en/artist/lucia-moholy-40322/profile.html, zuletzt geprüft am 12.01.2024.
Bauhaus Online: Lucia Moholy. Beruflicher Werdegang, Fotos.
Online verfügbar unter https://bauhauskooperation.de/wissen/das-bauhaus/koepfe/biografien/biografie-detail/person-Moholy-Lucia-842, zuletzt geprüft am 12.01.2024.
Fiedler, Jeannine: Moholy, Lucia, geborene Schulz. Genealogie – Leben – Werke – Literatur – Portraits. In: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 701.
Online verfügbar unter http://www.deutsche-biographie.de/sfz64197.html, zuletzt geprüft am 12.01.2024.
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Online verfügbar unter http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000036160, zuletzt geprüft am 12.01.2024.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Lucia Moholy. Bücher und Medien.
Online verfügbar unter https://portal.dnb.de/opac.htm?query=lucia+moholy&method=simpleSearch, zuletzt geprüft am 12.01.2024.
kunstaspekte: Lucia Moholy. Linksammlung (Kurzbiografie, Ausstellungen, Sammlungen, Galerien).
Online verfügbar unter https://kunstaspekte.art/person/lucia-moholy, zuletzt geprüft am 12.01.2024.
MoMA: The Collection | Lucia Moholy (British, 1894–1989).
Online verfügbar unter https://www.moma.org/artists/6922, zuletzt geprüft am 12.01.2024.
The Art Institute of Chicago: Search Collection Results – Lucia Moholy.
Online verfügbar unter https://www.artic.edu/artists/35804/lucia-moholy, zuletzt geprüft am 12.01.2024.
The Metropolitan Museum of Art: Suchergebnis Moholy, Lucia.
Online verfügbar unter https://www.metmuseum.org/search-results?q=lucia+moholy, zuletzt geprüft am 12.01.2024.
WorldCat: Ergebnis für 'lucia moholy'. Literatur.
Online verfügbar unter http://www.worldcat.org/search?q=lucia+moholy&qt=results_page, zuletzt geprüft am 12.01.2024.
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