Fembio Specials Frauenbeziehungen Louise Michel
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Louise Michel
(Clémence Louise Michel)
geboren am 29. Mai 1830 auf Schloß Vroncourt (Haute-Marne)
gestorben am 9. Januar 1905 in Marseille
französische Revolutionärin und Anarchistin, Lehrerin und Schriftstellerin
190. Geburtstag am 29. Mai 2020
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Louise Michel, Revolutionärin und Anarchistin, genannt die “rote Jungfrau” oder “moderne Jeanne d'Arc”, war die zentrale Gestalt der Pariser Kommune, jenes Volksaufstands, der sich im Frühjahr 1871 zehn Wochen lang der neuen bürgerlichen Regierung und den preußischen Siegern widersetzte. Zum ersten Mal in der Geschichte übernahmen ArbeiterInnen die Macht. Louise Michel organisierte nicht nur die Versorgung der Hungernden und Verwundeten, sie beteiligte sich in der Uniform der Nationalgarde auch am bewaffneten Kampf. Nachdem der Aufstand blutig niedergeschlagen worden war, machte man Louise Michel und den anderen RevolutionärInnen den Prozeß. 1873 wurden die meisten von ihnen, soweit sie nicht in dem berüchtigten Straflager Satory umgekommen waren, in die Strafkolonie Neukaledonien nordöstlich von Australien deportiert.
1880 kamen die KommunardInnen dank einer Amnestie wieder frei. Nach einem triumphalen Empfang in Paris nahm Louise Michel sofort den Kampf für die Revolution wieder auf. Das letzte Drittel ihres Lebens war diesem Kampf gewidmet. Die charismatische Vortragsrednerin bereiste ganz Frankreich und war überall in Europa gefragt, die Sache des Sozialismus voranzutreiben.
Louise Michel war die uneheliche Tochter von Marianne Michel, die im Schloß der Familie Demahis am Rande des Dörfchens Vroncourt im Osten Frankreichs aufgewachsen war. Louises Vater war der junge Demahis. Er ließ Marianne sitzen, aber die aufgeklärten Großeltern erzogen Louise wie ein legitimes Enkelkind. Mutter und Tochter waren einander zeitlebens aufs engste verbunden.
Nachdem die Großeltern gestorben waren, mußte Louise mit ihrer Mutter das Schloss verlassen. Michel ließ sich zur Lehrerin ausbilden, da sie aber als Republikanerin keinen Eid auf das Kaiserreich Napoleons III. ablegen wollte, gründete sie ihre eigene kleine Schule. 1856 ging sie nach Paris, es war ihr in der Provinz zu eng geworden. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt weiter als Lehrerin und pflegte engen Kontakt mit SozialistInnen und AnarchistInnen.
Louise Michel ertrug ihr entbehrungsreiches kämpferisches Leben auch dank der Unterstützung einiger Frauen, mit denen sie ihr Leben teilte, angefangen mit der Mutter, die sie geradezu vergötterte. Als Lehrerin lebte sie in enger Gemeinschaft mit ihrer Kollegin Julie Longchamps. Die Strapazen der Verbannung teilte sie mit Natalie Lemel, während eine andere enge Freundin, Marie Ferré, die Schwester des hingerichteten Revolutionärs Théophile Ferré, sich um Louises Mutter kümmerte. Charlotte Vauvelle schließlich wich Louise während ihrer letzten fünfzehn Jahre nicht von der Seite.
Im übrigen halfen Louise Michel ihre dichterische Sensibilität und Kreativität (sie schrieb Gedichte zu jeder Gelegenheit; Dichter wie Hugo und Verlaine priesen die mitreißende Revolutionärin in ihren Gedichten) und die seltene Gabe, aus jeder noch so aussichtslosen Situation das Beste zu machen. Vier endlose Monate dauerte die Überfahrt nach Neukaledonien. Viele ihrer Mit-Deportierten verfielen dem Trübsinn. Sie aber, die zum ersten Mal das Meer erlebt, genießt die Seereise in vollen Zügen. Als sie am Ort der Verbannung angelangt ist, versinkt sie nicht etwa in Heimweh und Selbstmitleid, sondern widmet sich der neuen Umgebung mit lebhaftem Interesse und wird umgehend aktiv, zum Segen aller. Sie “impft” mit Erfolg kranke Papayabäume, pflegt kranke Tiere, freundet sich mit den KanakInnen an, lernt ihre Sprache und zeichnet als erste ihre Lieder und Sagen auf. Als später in Paris ein Attentäter sie niederschießt, setzt sie sich für seinen Freispruch ein. Und die BesucherInnen ihrer einfachen Behausung im Londoner Exil begrüßt ihr Papagei mit “Es lebe die Anarchie!” Was für eine Frau!
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
“Aber den stärksten Eindruck machte eine andere Gestalt, mit der ich leise befreundet wurde. Eine sechzigjährige, magre alte Jungfer mit spitzer Nase, offenem Haar und gütig-feurigen Augen: Louise Michel. Sie mißverstand mich und meinen törichten Beruf als Kongreßbummler und forderte mich in einem unserer Gespräche auf: “Eh bien, jeune homme – steigen Sie auf die Tribüne, reden Sie!” Ich tat es nicht, aber sie selbst hörte ich dann am Abend reden, als sie auf der Anarchistentribüne stand. Sie sprach – einfältig, schlicht und voll der tiefen Güte, die ihr innewohnt; sie sprach für die Elenden, die Leidenden, die misérables foules, sie appellierte schlicht an das, was uns alle einigt, die souffrance humaine, und sie schloss fast resiginerten Tones: vive la liberté. Ich kann die alte Frau nicht vergessen. Wer ihre Stimme hörte, der wird sie noch Jahre hindurch hören. (Alfred Kerr am 9. August 1896, zitiert nach: Alfred Kerr. 1999 (1997). Wo liegt Berlin? Briefe aus der Reichshauptstadt 1895-1900. Hg. Günther Rühle. Berlin. Siedler TB. S. 190).
Links
http://flag.blackened.net/revolt/ws98/ws55_louise.html
Literatur & Quellen
d'Eaubonne, Françoise.1985. Louise Michel la Canaque: 1873-1880. Paris. Encre.
Gauthier, Xavière. 1999. La vierge rouge: Biographie de Louise Michel. Paris. Les Éditions de Paris.
Goldsmith, Margaret L. 1976 [1935]. Seven Women Against the World. Westport, CN. Hyperion.
Kestenholz, Salomé. 1988. Die Gleichheit vor dem Schafott: Porträts französischer Revolutionärinnen. Darmstadt. Sammlg. Luchterhand 818.
Kramer, Bernd. Hg. 2004. Leben - Ideen - Kampf : Louise Michel und die Pariser Kommune von 1871. Übs. aus dem Frz. von Renate Samie; aus dem am. Engl. von Dita Stafski. Berlin. Kramer.
Lejeune, Paule. 2002 (1978). Louise Michel, l'indomptable. Paris; Budapest; Turin. l'Harmattan.
Michel, Louise. 1977 [1886]. Memoiren [=Mémoires de Louise Michel, écrits par elle-même]. Übs. Claude Acinde. o.O. Frauenpolitik.
Michel, Louise. 1999. Je vous écris de ma nuit: Correspondance générale de Louise Michel, 1850-1904. Hg. und mit Anm. von Xavière Gauthier. Paris. Editions de Paris.
Mullaney, Marie Marmo. 1990. “Sexual Politics in the Career and Legend of Louise Michel”, Signs Vol. 15 No 2, 1990, 300-22. Peine, Sibylle. 1995. Ohne Furcht in Weite hinaus: Biographien streitbarer Französinnen. Solothurn; Düsseldorf. Benziger.
Ragon, Michel. 1999. Georges et Louise: Le Vendéen et l'anarchiste. Paris. Albin Michel.
Ribeyreix, Christine. 2002. Louise Michel: quand l'aurore se lèvera. Périgueux. La Lauze.
Thomas, Edith. 1971. Louise Michel; ou, La Velléda de l'anarchie. Paris. Gallimard.
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