Fembio Specials Exilantinnen (1933-1945) Lotti Huber
Fembio Special: Exilantinnen (1933-1945)
Lotti Huber
geboren am 16. Oktober 1912 in Kiel
gestorben am 31. Mai 1998 In Berlin
deutsche Schauspielerin und Autorin
25. Todestag am 31. Mai 2023
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
“Klimpernde Wimpern, künstlich und überlang, dicke Klunker, an jedem Finger einen, wallende Gewänder und der patente Dutt: schon rein äußerlich fiel sie auf - und aus der Rolle der braven Alten. Und wenn sie erst den Mund aufmachte und sich in ihrem schwadronierenden, stark lispelnden Geplapper ergoss, womöglich zu singen begann… - dann schlug die “unwürdige Greisin” selbst ihre Kritiker in den Bann. Lotti Huber war mit ihren schrillen Schrullen ein Berliner Unikum, die die Kleinkunst der Szene gehörig aufmischte.” (Peter Zander, Nachruf, Berliner Morgenpost 2.6.1998)
Lotti Huber wurde 1912 als Tochter großbürgerlicher jüdischer Eltern in Kiel geboren. 1929 verliebt sie sich in Hillert Lueken, den Sohn des Oberbürgermeisters, und geht später mit ihm nach Berlin, wo sie Ausdruckstanz studiert. 1937 werden Lotti und Hillert wegen Rassenschande angezeigt. Hillert wird in Untersuchungshaft erschossen, Lotti kommt ins KZ Moringen in Niedersachsen, wird nach einem Jahr freigekauft und emigriert nach Palästina. In Haifa arbeitet sie einige Jahre als Tänzerin in einem Nachtclub, wo sie einen englischen Major kennenlernt, den sie 1945 heiratet. Sie gehen für kurze Zeit nach London und eröffnen dann ein Hotelrestaurant auf Zypern. 1955 lassen sie sich scheiden, und Lotti eröffnet ein eigenes Restaurant mit Bar (ihr letztes Buch, Drei Schritt vor und kein Zurück, das posthum veröffentlicht wird, trägt den Untertitel “Bargeflüster” und ist eine kühne Mischung aus Altersweisheiten und Cocktailrezepten).
1960 geht Lotti mit Colonel Norman Huber nach London, heiratet ihn und eröffnet wieder ein Restaurant. Mitte der 1960er Jahre gehen die beiden nach Berlin. Als Norman 1972 stirbt, steht sie mittellos da und muss sich als Propagandistin in Warenhäusern und Markthallen, als Statistin und Übersetzerin von Trivialromanen durchschlagen. 1981 lernt sie den schwulen Regisseur Rosa von Praunheim kennen, macht einige Filme mit ihm, u.a. “Unsere Leichen leben noch” (1981), “Anita - Tänze des Lasters” (1987) und “Affengeil” (1990), schreibt ihre Autobiographie - und wird mit 78 zum Star.
“Rosa macht aus seiner Sexualität einen Beruf”, sagte Lotti über ihren Freund. Durch seine Freude an der Provokation geriet sie in ein ähnliches Fahrwasser, was die Medien bei einer alten Frau einfach “affengeil” fanden. Ihr sollte es recht sein, sie hat das Spiel gerne mitgespielt und dem geilen Affen noch Zucker gegeben, sozusagen. Aber eigentlich fand sie: “Ich bin nicht verrückt oder schrill, ich bin natürlich.”
(Text von 2001)
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
Freunde hatten mich gewarnt, dass er [Rosa von Praunheim] seine Schauspieler rücksichtslos ausnutze, sie wie eine Zitrone ausquetsche und sie dann auf den Müll werfe. Das beeindruckte mich überhaupt nicht: “Soll er doch quetschen”, sagte ich sorglos. “Diese Zitrone hat noch viel Saft!”
Ich lebe von meiner eigenen Arbeit, von dem was ich schreibe, von meinen Auftritten auf der Bühne und den Filmen. Das ist künstlerische Arbeit, und es ist das Leben, das ich mir ein Leben lang gewünscht habe.
“'Verrückte Alte.' 'Schocker der Nation'. 'Mutmacher der Nation'. Viele Klischees sind bemüht worden, ein fast achtzigjähriges Phänomen zu charakterisieren: das graue Haar als wirre Löwenmähne offen getragen oder in einer verwegenen Konstruktion zu einem Turban aufgetürmt, Wimpern wie Krummsäbel, grellrot bemalte Lippen, die Hände heftig beringt bis zum Zeigefinger, wo der schwarze Topas funkelt; eingehüllt in fließende Stoffe… - so kennt man sie: Lotti Huber, gefragter Gast auf Bühnen und im Fernsehen und Everybodys Talkshow-Darling, seit sie im Herbst 1990 mit Autobiographie, Film und Schallplatte zum multimedialen Sprung ansetzte.” (Peter Süß)
Literatur & Quellen
Dick, Jutta & Marina Sassenberg. Hg. 1993. Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert: Lexikon zu Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg. rororo Handbuch 6344.
Huber, Lotti. 1993 [1990]. Diese Zitrone hat noch viel Saft: Ein Leben. München. dtv.
Huber, Lotti. 1994 [1991]. Jede Zeit ist meine Zeit: Gespräche. München. dtv.
Huber, Lotti. 1998. Drei Schritt vor und kein Zurück: Bargeflüster. München. dtv.
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