Fembio Specials Frauenbeziehungen Lotte Lenya
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Lotte Lenya
(Karoline Wilhelmine Charlotte Blamauer [Geburtsname])
geboren am 18. Oktober 1898 in Wien
gestorben 27. November 1981 in New York City
deutsch-amerikanische Sängerin und Schauspielerin
125. Geburtstag am 18. Oktober 2023
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Ist von der Zusammenarbeit Bert Brechts und Kurt Weills die Rede, wird Lotte Lenya fast immer vergessen – dabei prägte sie, mit ihrem unverwechselbaren Timbre, jenen spezifischen Gesangsstil, der den Brecht/Weill-Songs entscheidend zur Popularität verhalf und bis heute unerreicht blieb.
Erste Theatererfahrungen sammelte Lenya in Zürich und Berlin. 1924 lernte sie den Komponisten Kurt Weill kennen; 1926 heirateten sie. 1927 arbeiteten Brecht und Weill am Mahagonny-Songspiel, das mit Lotte Lenya zum Kammermusikfest in Baden-Baden unter heftigen Publikumsreaktionen startete. Ihr legendäres Berlin-Debüt als Brecht/Weill-Interpretin gab sie 1928 in der Uraufführung der Dreigroschenoper als Spelunken-Jenny, von ihr auch 1930/31 in der G.W.-Pabst-Verfilmung gespielt. Brecht und Weill schrieben ihr nun mehrere Songs in Happy End und der Mahagonny-Oper sozusagen in die Kehle.
Vor den Nazis emigriert, arbeitete das Trio in Frankreich am Ballett Die sieben Todsünden der Kleinbürger. Die Hauptfigur ist – entsprechend der “normalen” Bewußtseinsspaltung des Menschen im Kapitalismus - szenisch zweigeteilt: in die nach Geld strebende Anna I und die das Leben genießen wollende Anna II. Anna I führt als Gesangspartie durch die Handlung. Das war 1933 zur Uraufführung Lotte Lenya. Weiter in die USA emigriert, gelang ihr - Jahre nach Kurt Weill - der künstlerische Durchbruch erst 1954, als sie wiederum die Spelunken-Jenny spielte: über sieben Jahre in 2707 Aufführungen. Gleichzeitig trug sie durch Funk- und Schallplattenaufnahmen zur Wiederverbreitung der Brecht/Weillschen Werke in Deutschland und Europa bei.
An der Anna I wird besonders deutlich, wie Lotte Lenya ihre tiefe Wirkung erzielt: Einerseits akzeptiert sie voll und ganz das Gesetz des Kapitalismus, sich für Geld zu verkaufen, sei es durch Prostitution oder in der bürgerlichen Ehe - gleichzeitig aber konstatiert sie fassungslos den Verlust ihrer ureigensten Wünsche, ihrer Persönlichkeit, und leidet darunter. So werden Brechts “Verse von erhabener Banalität” (Klabund) zu Abbildern großer menschlicher Tragödien.
Lotte Lenya, die als Kind von ihrem trunksüchtigen Vater jeden Tag verprügelt worden war, brachte es auf fünf Ehen (zwei mit Kurt Weill). Nach dem Tod Weills heiratete sie den schwulen Schauspieler George Davis, 1962 (mit 64 Jahren) den 27 Jahre jüngeren Maler Detwiler. Von ihrem letzten Ehemann, der wie die beiden davor alkoholkrank war, ließ sie sich 1973 nach zwei Jahren scheiden.
Es scheint, daß auch Lotte Lenya - wie die meisten von uns - zutiefst in den Konflikt der Anna verstrickt war.
Karsten Bartels und Luise F. Pusch
Zitate
Meine Frau ... Sie ist eine miserable Hausfrau, aber eine sehr gute Schauspielerin. Sie kann keine Noten lesen, aber wenn sie singt, dann hören die Leute zu wie bei Caruso. (Übrigens kann mir jeder Komponist leidtun, dessen Frau Noten lesen kann.) Sie kümmert sich nicht um meine Arbeit (das ist einer ihrer größten Vorzüge). Aber sie wäre sehr böse, wenn ich mich nicht für ihre Arbeit interessieren würde. Sie hat stets einige Freunde, was sie damit begründet, daß sie sich mit Frauen schlecht verträgt. (Vielleicht verträgt sie sich aber auch mit Frauen darum so schlecht, weil sie stets einige Freunde hat.) Sie hat mich geheiratet, weil sie gern das Gruseln lernen wollte, und sie behauptet, dieser Wunsch sei ihr in ausreichendem Maße in Erfüllung gegangen. Meine Frau heißt Lotte Lenya.
(Kurt Weill)
Du hast es so gesungen, wie ich es geschrieben habe.
(Bert Brecht zu Lotte Lenya)
Literatur & Quellen
Lotte Lenya in der Deutschen Nationalbibliothek
Lenya, Lotte & Kurt Weill. 1998. “Sprich leise, wenn du Liebe sagst”: Der Briefwechsel Kurt Weill - Lotte Lenya. Köln. Kiepenheuer & Witsch.
Rosteck, Jens. 2005. Zwei auf einer Insel: Lotte Lenya und Kurt Weill. Frankfurt/M. Suhrkamp TB.
Spoto, Donald. 1989. Die Seeräuber-Jenny: Das bewegte Leben der Lotte Lenya. Aus d. am. Engl. von Michaela Grabinger. München; Zürich. Droemer Knaur.
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