Fembio Specials Frauenbeziehungen Lota de Macedo Soares
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Lota de Macedo Soares
(Maria Carlota Costallat de Macedo Soares)
geboren am 16. März 1910 in Paris
gestorben am 25. September 1967 in New York
brasilianische Architektin und Landschaftsdesignerin
55. Todestag am 25. September 2022
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Lota, wie sie von allen genannt wurde, kam als Tochter einer prominenten aristokratischen Familie zur Welt. Ihr Vater arbeitete als Leutnant der brasilianischen Marine in Paris, die Familie kehrte nach Rio de Janeiro zurück, als Lota 12 Jahre alt war. In den 1940er Jahren besuchte sie Kurse am Museum of Modern Art in New York und arbeitete für den bedeutenden brasilianischen modernistischen Maler Candido Portinari, der später das Foyer der UNO mit den beiden Großgemälden „Krieg und Frieden“ ausstattete. In New York lernte sie die Tänzerin Mary Morse kennen, mit der sie die folgenden 10 Jahre in Brasilien zusammenlebte. Lota hat nie eine Universität besucht oder ein Studium abgeschlossen und ist doch bis heute eine hoch angesehene Architektin, Designerin und Landschaftsarchitektin. Von ihren ZeitgenossInnen wurde sie als außergewöhnliche Persönlichkeit von großer Ausstrahlung geschildert: hoch begabt und intelligent, großzügig und kommunikativ, phantasie- und humorvoll, charismatisch, expressiv, scharfsinnig und scharfzüngig, enthusiastisch, magnetisch, temperamentvoll, pragmatisch, schnell, mehrsprachig, überaus gebildet und immer bereit zu harter Arbeit – es heißt, man habe sie an den aufgekrempelten Hemdsärmeln erkennen können.
1950 begann sie nahe der Stadt Petropolis, mitten in den Bergen über Rio de Janeiro, mit dem Bau eines Hauses im modernistischen Stil – es war das erste dieser Art in Brasilien. Zum ersten Mal bestanden Träger und Rahmen eines Hauses aus Stahl, als weitere Baumaterialien wurden nur noch möglichst unbearbeiteter Stein, Beton und Glas verwendet. Alle Materialien blieben sichtbar, so dass das Haus leicht und transparent wirkt und die Grenzen zwischen Gebäude und umgebender Natur zu verschwimmen scheinen. Mit seinen schräg gestellten Dächern gleicht es einem Schmetterling, der seine Flügel ausbreitet, um gleich in die Luft abzuheben. Als Architekt engagierte sie den jungen Sergio Bernardes. Carmen L. de Oliveira beschreibt in ihrem Roman Flores rara es banalíssimas: A história de Lota de Macedo Soares e Elizabeth Bishop die Planungsgespräche zwischen den beiden als Feuerwerke: beide stritten leidenschaftlich für ihre Auffassungen von moderner Architektur. „Er hatte zwar das Architekturdiplom, aber sie war Lota de Macedo Soares“.
Die technischen Innovationen des Hauses wurden Bernardes zugeschrieben, das Design und die gelungene Verbindung von üppiger Natur mit ihren Felsen und Quellen und der Hausanlage aber tragen Lotas Handschrift. Elegant, anspruchsvoll, organisch und funktional liegt es eingebettet in seiner paradiesischen Umgebung und ist bis heute als meisterliches Gesamtkunstwerk anerkannt.
Während der Bauphase des Hauses lernte Lota die damals bereits bekannte US-amerikanische Dichterin Elizabeth Bishop kennen. Die beiden brillanten Frauen, jede prominent im eigenen Land, wurden ein Paar und verbrachten die folgenden 15 Jahre gemeinsam in Lotas Haus, dessen Faszination Bishop in einem ihrer ausdrucksvollsten Gedichte preist (Song for the Rainy Season). Humorvoll zeigte Lota ihre Liebe: so besuchte sie in Rio ein Geschäft für liturgische Gewänder, um Bischofsstrümpfe zu kaufen – woraufhin Elizabeth Bishop meinte, sie könne sich nichts Schöneres zu Jeans vorstellen als magenta-pink-farbene Socken.
Großzügig entwarf und baute Lota eigens für Elizabeth ein Studio und platzierte es so, dass es einen atemberaubenden Blick auf die Berge eröffnet. Hier verfasste Elizabeth Bishop den größten Teil ihrer Sammlung „Questions of Travel“ (Reisefragen) – Gedichte, die sie als eine der größten PoetInnen ihrer Zeit ausweisen. Den Gedichtband „North & South – A Cold Spring“ (Nord & Süd – Ein kalter Frühling), für den Elizabeth Bishop 1956 während ihrer Zeit in Brasilien den Pulitzerpreis gewann, widmete sie Lota. Die Wärme des Hauses und die Wärme der Verbindung der beiden Frauen, ihre Kreativität und Leistungsfähigkeit gaben Lota den Glauben, auch größere Aufgaben bewältigen zu können.
1960 bot ihr der neugewählte Gouverneur von Guernabara, ihr langjähriger Freund und Nachbar Carlos Lacerda, die Möglichkeit, die an die Copacabana anschließende Bucht in einen Park zu verwandeln. Es entstand als Lotas berühmtestes Projekt der Flamengo-Park, 1 200 000 qm groß, bis heute eins der beliebtesten Ziele für Touristen und Einheimische - und Weltkulturerbe. Leicht machte sie es sich bei Konzeption und Durchführung des Projektes nicht. Allein acht Architekten führte sie zusammen, darunter wieder den mittlerweile angesehenen Sergio Bernardes sowie Affonso Reidy. (Ein Hauptwerk Reidys ist z. B. das 1954 im Flamengo-Park gebaute Museum für Moderne Kunst, dessen Gartenanlagen von Roberto Burle Marx entworfen wurden). Sie beauftragte Roberto Burle-Marx, den kubistischen Maler und Landschaftsgestalter, u.a. Baumarten für den Park zusammenzustellen - er pflanzte 12 000 Bäume von 190 Arten, die meisten aus Amazonien stammend. Die 40m hohen Parkleuchten erinnern in ihrer Höhe an den Mond und den Mondschein – um nur einige Superlative des Parks zu nennen. In seiner Lage und Gesamtkonzeption markiert der Flamengo-Park zudem ein wichtiges Moment in der Geschichte der Stadtplanung: zum ersten Mal wurde eine große Parkanlage nicht am Stadtrand oder außerhalb des Stadtgebietes angelegt, sondern mitten im Zentrum. Lotas Absicht war es, Lebensqualität und Freizeit, Schönheit und Erholung innerhalb der Stadt zu finden und zu genießen.
Der Bauprozess allerdings gestaltete sich zunehmend brutal. Einerseits war Lota die Primadonna des Brasilianischen Modernismus, andererseits kämpfte sie bis zur Erschöpfung mit einer veralteten und arroganten Bürokratie. Auch taten sich besonders die männlichen Teammitglieder schwer, ihr als Leiterin zu folgen. Sie bezeichneten sie als herrisch und herrschsüchtig. Besonders ihr alter Freund Burle-Marx trug seinen Konflikt mit ihr öffentlich aus und diffamierte sie in zahlreichen Zeitungsbeiträgen. (Anmerkung der Verfasserin: hier muss die Überlegung erlaubt sein, ob Lota ihren Kollegen nicht einfach die Stirn bot und ihnen ihr eigenes Verhalten entgegensetzte. Es wäre interessant zu fragen, ob dasselbe Verhalten von einem Mann nicht als Führungsqualität und Durchsetzungsvermögen eingeschätzt worden wäre…). Allerdings hatte Lota nie lernen müssen, Kompromisse zu schließen, Entgegenkommen zu zeigen oder gar Verluste hinzunehmen. Sie war und blieb „Dona Lota“, die gewohnt war, die Kontrolle in Händen zu halten. Gelang ihr das nicht in ihrer gewohnten fürsorglichen und großherzigen Weise, reagierte sie zunächst mit Zorn und Zwang, zuletzt mit Verzweiflung. Ihre fehlende reguläre Ausbildung wurde ihr schließlich zum Verhängnis, als im Laufe der Jahre die Unterstützung durch Carlos Lacerda nachließ und 1964 das Militär nach einem Putsch die Regierung Brasiliens übernahm. Noch vor seiner Fertigstellung wurde Lota die Federführung für das Parkprojekt entzogen – eine Katastrophe für sie. Sie kämpfte verbissen mit allen Mitteln und doch vergeblich, den Park in eine Stiftung zu überführen, um ihn dann unter ihrer Regie zu vollenden. Heute folgt das Parkkonzept wieder Lotas Plänen und gilt als leuchtendes Beispiel für ihre Visionen und Passionen – sie wird der „Olmsted der Tropen“ genannt.
2011 wurde das Instituto Lota de Cultura e Recreacao (Institut für Kultur und Rekreation) in Rio de Janeiro zur Erinnerung und Würdigung des kulturellen Erbes von Lota de Macedo Soares in Rio de Janeiro eröffnet und bietet bis heute Kultur-, Freizeit- und Sportveranstaltungen an.
Im Laufe der Zeit des Parkprojektes aber geriet die Beziehung von Lota und Elizabeth in immer größere Spannungen und Krisen. Bishop litt unter der Vereinsamung im Stadtappartement, Lota hatte sich für sie unerträglich verändert. Zu oft erlebte sie Lota überarbeitet, völlig erschöpft, zornig, interessiert nur am Parkprojekt. Schmerzlich vermisste sie „ihre“ Lota aus den Jahren in Petropolis. Schließlich zerbrach die Beziehung, und Elizabeth reiste zurück in die USA. Die politische Lage und die Trennung von ihrer Partnerin ließen Lota in tiefe Depressionen verfallen. 1967 verbrachte sie zunächst längere Zeit in stationärer psychiatrischer Behandlung, bis sie unter Vortäuschung ihrer Genesung das Krankenhaus verließ, um Elizabeth in New York aufzusuchen. Dort nahm sie eine Überdosis Antidepressiva, fiel ins Koma und starb 57jährig am 16. Oktober 1967. Die genauen Gründe für ihren Suizid sind nicht bekannt. Ein erschütternd trauriges Ende eines Lebens, das der Liebe und dem Streben nach Schönheit und ästhetischem Ausdruck gewidmet war.
Die Beziehung der beiden Frauen wird in den Romanen von Carmen L. Oliveira und Michael Sledge dargestellt und ist vom brasilianischen Regisseur Bruno Barreto in „Die Poetin“ verfilmt worden.
(Text von 2021)
Verfasserin: Christa Matenaar
Links
- https://institutolotta.org.br/
- https://www.ebad.info/soares-lota-de-macedo
- https://casa.abril.com.br/casas-apartamentos/casa-samambaia-a-frente-de-seu-tempo/
- https://pt.wikipedia.org/wiki/Aterro_do_Flamengo
- https://www.plataformaarquitectura.cl/cl/02-259828/clasicos-de-arquitectura-casa-lota-de-macedo-soares-sergio-bernardes
Literatur & Quellen
- Meghan Marshall, Elizabeth Bishop – A Miracle For Breakfast, New York 2017
- Carmen L. Oliveira, Rare and Commonplace Flowers – The story of Elizabeth Bishop and Lota De Macedo Soares, New Jersey 2003
- Michael Sledge, The More I Owe You, California 2010
- Poems – Elizabeth Bishop, London 2011
Film
- Die Poetin, Regie: Bruno Barreto
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