Fembio Specials FemBiografien von Ursula Schweers (1921-2019) Liselotte von der Pfalz
Fembio Special: FemBiografien von Ursula Schweers (1921-2019)
Liselotte von der Pfalz
(Elisabeth Charlotte von der Pfalz, Herzogin von Orléans)
geboren am 27. Mai 1652 in Heidelberg
gestorben am 8. Dezember 1722 in Saint Cloud
deutsche Briefschreiberin; Schwägerin Ludwigs XIV.
400. Todestag am 8. Dezember 2022
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Ein Band mit Briefen der Liselotte von der Pfalz gehört von jeher in den Bücherschrank gutbürgerlicher deutscher Familien. Ihr drastischer Stil, die kritischen Urteile, auch herzliche Anteilnahme an geliebten Menschen sind noch heute ein ungetrübtes Lesevergnügen und eine unerschöpfliche Quelle für zeitgeschichtliche Forschung.
Liselotte von der Pfalz, Tochter des pfälzischen Kurfürsten Karl Ludwig und seiner ersten Gemahlin Charlotte von Hessen-Kassel, war ein wildes und ungebärdiges Kind, fröhlich und frech, mit Lust auf dumme Streiche. Um sie vor Familienstreitereien wegen seiner Geliebten zu schützen, schickte Karl Ludwig die siebenjährige Tochter zu seiner Schwester Sophie von Hannover. Dort verlebte sie die glücklichsten Jahre ihrer Kindheit und bekam vielfältige geistige Anregungen, die Wissensdurst und Leseleidenschaft weckten.
Nach vier Jahren wieder zurück in der Pfalz, führte sie ihr recht ungebundenes Leben weiter, erzogen im reformiert-calvinistischen Glauben, leidlich gezähmt von einer Gouvernante. 1671 wurde Liselotte nach erzwungener Konversion zum Katholizismus mit Philipp von Orléans (Titel: “Monsieur”), dem jüngeren Bruder von Ludwig XIV., vermählt (“Papa hatte mich auf dem hals, war bange, ich möchte ein alt jüngferchen werden”). 51 Jahre lebte sie am französischen Königshof, ab 1701 als Witwe, später als Mutter des Regenten. Mit den Sitten des höfischen Lebens, den unzähligen Festlichkeiten, der Schmuck- und Prunksucht der Damen konnte sie sich nie abfinden. Sie litt unter den Intrigen der Höflinge und der Verschwendungssucht von Monsieur, dessen homosexuelle Neigung sie dagegen duldsam ertrug, solange seine Günstlinge sie nicht mit übler Nachrede verfolgten. Nachdem das Paar mit einiger Mühe seinen dynastischen Verpflichtungen nachgekommen war – Liselotte gebar drei Kinder – schliefen sie getrennt, was Madame durchaus begrüßte (“Ich habe das handwerck, kinder zu machen, gar nicht geliebt”. “Glücklich, wer nicht geheurat ist.”)
Die Zuneigung des Königs, der ihre fröhliche Natürlichkeit und Ehrlichkeit schätzte und sie zu ihrer Freude häufig zu Theaterbesuchen und auf die Jagd mitnahm, erleichterte ihr die ersten Jahre. Erst als Ludwig ihr seine Gunst entzog – wie sie annahm unter dem Einfluß seiner Mätresse Mme de Maintenon (“die alte zott”) – begann ihre Leidenszeit (“wenn man durch trübsal selig wird, habe ich an meiner seligkeit gar nicht zu zweifeln”). Schwer belastet wurde ihr Verhältnis zum König, als er unter dem Vorwand, die Erbrechte seiner Schwägerin zu verteidigen, in die Pfalz einfiel und das Land verwüstete, was sie ihm nie verzieh. Sie lebte schliesslich völlig isoliert, fand nur Trost im täglichen Schreiben seitenlanger Briefe.
Eine Schönheit ist Liselotte wohl nie gewesen; ihr Gesicht war von Blatternarben entstellt, im Alter wurde sie unmäßig dick. Sie starb mit siebzig Jahren und wurde nach ihrem Wunsch ohne Trauerpomp beigesetzt. Ihre Briefe korrigieren das Bild von der naiven, ungehobelten deutschen Prinzessin am feinen französischen Hof. Sie beweisen umfassende Bildung und selbständiges Denken.
(Text von 2001)
Verfasserin: Ursula Schweers
Zitate
Den es ist mir all mein leben leydt gewessen, ein weibsmensch zu sein, und churfürst zu sein wehre mir, die wahrheit zu sagen, beßer ahngestanden, als Madame zu sein. Sollte man meinem rat folgen, würde nie kein zwang über die religion werden und man würde die laster und nicht den glauben verfolgen. Wenn man jungfer wider kann werden, nachdem man in 10 jahren nicht bey sein mann geschlaffen hat, so bin ich es gar gewiss wider.
Literatur & Quellen
Briefe von Liselotte von der Pfalz. Hg. Annedore Haberl. München. Hanser. 1996. Cruysse, Dirk van der. 1995 [1988].
“Madame sein ist ein ellendes Handwerck”: Liselotte von der Pfalz - Eine deutsche Prinzessin am Hof des Sonnenkönigs. Aus d. Frz. von Inge Leipold. München; Zürich. Serie Piper, Bd. 2141.
Lebrige, Arlette. 1991 [1986]. Liselotte von der Pfalz. Aus dem Frz. von Andrea Spingler. München. Heyne TB 12/202.
Pathos, Klatsch und Ehrlichkeit: Liselotte von der Pfalz am Hofe des Sonnenkönigs. Romanica et Comparatistica, hg. von Klaus J. Mattheier & Paul Valentin. Tübingen. Stauffenberg. 1990.
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