Fembio Specials Frauen aus Karlsruhe Karoline von Günderrode
Fembio Special: Frauen aus Karlsruhe
Karoline von Günderrode
geboren am 11. Februar 1780 in Karlsruhe
gestorben am 26. Juli 1806 in Winkel im Rheingau
deutsche Schriftstellerin
245. Geburtstag am 11. Februar 2025
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Karoline stammte aus einer verarmten, gebildeten Adelsfamilie und war die Älteste von insgesamt sechs Geschwistern. 1797 trat sie in Frankfurt in ein adeliges Damenstift ein – eine Institution, in der unverheiratete, verarmte adelige Frauen versorgt wurden, von wo aus sie sich aber auch in Ruhe eine gute Partie suchen konnten. Karoline wurde als schön, sanft und schüchtern beschrieben. In Gesprächen mit ihrer Freundin Lisette Mettingh erkannte sie die Benachteiligung der Frau in der Gesellschaft. Ein Ausweg, der Beschränkung zu entkommen, war Bildung, die sich Karoline durch unermüdliches Lesen erwarb. Ihre Bildung war bald auf der Höhe der Zeit. Karoline befaßte sich mit Literatur, Philosophie, fernöstlicher und nordischer Mythologie, Chemie, Geographie, Religionsgeschichte, Physiognomie, Latein und Verslehre. Überdies schrieb sie Dramen und Gedichte, vor allem aber Briefe - der Brief etabliert sich in der Romantik als eigene literarische Gattung. Briefe waren ein Ausweis geistiger Bildung und emotionaler Erlebnisfähigkeit, und weil sie meist vorgelesen wurden, waren sie immer an ein halböffentliches Publikum gerichtet. Wegen eines Augenleidens litt Karoline zeitlebens an heftigen Kopfschmerzattacken und benutzte, um ihre Augen zu schonen, zum Schreiben grünes Papier.
Karoline war mit Bettina, Gunda und Clemens von Brentano befreundet. Bettina und Karoline spielten Rollenspiele, in denen Karoline immer die Männerrolle übernahm, so daß sie von Bettina scherzhaft “Günter” genannt wurde. Karoline konnte sich nicht mit der ihr zugewiesenen weiblichen Rolle abfinden; hellsichtig bemerkte sie einmal: “Die Männlichkeit und die Weiblichkeit, wie sie gewöhnlich genommen werden, sind Hindernisse der Menschlichkeit.” Sie litt sehr unter den beengenden Rollenzuschreibungen. In einem Brief an Gunda von Brentano schreibt sie: “Schon oft hatte ich den unweiblichen Wunsch, mich in ein wildes Schlachtengetümmel zu werfen, zu sterben. Warum ward ich kein Mann! Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglückseligkeit. Nur das Wilde, Große, Glänzende gefällt mir. Es ist ein unseliges, aber unverbesserliches Mißverhältnis in meiner Seele; und es wird und muß so bleiben, denn ich bin ein Weib und habe Begierden wie ein Mann, ohne Männerkraft. Darum bin ich so wechselnd, und so uneins mit mir…”
Karoline litt unter nervös bedingter Schwermut und hatte ein unberechenbares Temperament, das manche abstieß. Gleichzeitig ging sie gerne auf Bälle, interessierte sich für Gesellschaftstanz, Hauswirtschaft, Handarbeiten und Musizieren. Bei einer Abendgesellschaft traf sie Friedrich Karl von Savigny, damals noch Jurastudent, später ein bedeutender Rechtsgelehrter, in den sie sich leidenschaftlich verliebte. Es kam zu Annäherungen, die eine Heirat nahelegten, doch Savigny, von Günderodes Bildung abgeschreckt, heiratete lieber die nicht so hochgebildete Gunda von Brentano.
Nach der gescheiterten Liebe zu Savigny widmete Karoline sich vor allem der Kunst, um, wie sie sagte, ihre Persönlichkeit zu vervollkommnen. In der Kunst wollte sie Leben und Schreiben vereinen. Hier orientierte sie sich vor allem an Schelling, der neben Fichte, Schlegel und Novalis ihr bevorzugter Denker wurde. Sie schrieb Dramen, z.B. Hildegund und Nikator, oder Mora, in denen meist heldenhafte, starke Frauen im Mittelpunkt standen. Sie kritisierte in ihrem Werk die Werte der bürgerlichen Gesellschaft und das traditionelle Rollenbild.
Zunehmend vereinsamte sie, da ihre Schwester und zwei ihrer Freundinnen heirateten. Nun wird Schreiben immer mehr zum Mittel der Selbstbehauptung. Unter dem männlichen Pseudonym Tian veröffentlicht sie Gedichte und Phantasien, ein Werk bestehend aus lyrisch-epischen Dichtungen, Dramenfragmenten und Prosastücken. Ihre Dichtungen sind von Gedanken der romantischen Philosophie geprägt. Ansonsten suchte sie in den Mythen und Religionen Asiens und Ägyptens nach Vorstellungen vom Tod als Wiedergeburt. Die Einheit von Ich und Welt wollte sie denken können und zugleich erleben. Höhepunkt ihres dichterischen Schaffens ist Die Idee der Erde. Hier entwickelt sie das Prinzip des “Vortrefflichen” und versteht darunter den Prozeß der Einswerdung mit der Natur.
Im August 1804 lernte sie den mit einer dreizehn Jahre älteren Frau verheirateten Heidelberger Altertumsforscher Friedrich Creuzer kennen. Eine große Liebe entwickelte sich. Sie verstanden sich nicht nur menschlich, sondern auch wissenschaftlich und literarisch sehr gut. Sie hatten gemeinsame Interessen und förderten sich gegenseitig. Sie hatten sogar Pläne für ein gemeinsames Werk – ideale Bedingungen für ein gemeinsames Leben. Creuzers Frau hatte sogar in eine Scheidung eingewilligt, doch Creuzer, der wegen der heimlichen Liebe zur Günderrode Depressionen hatte und Angst vor einem öffentlichen Skandal, suchte Rat bei zwei befreundeten Kollegen und schob die Scheidung auf. Seine Freunde rieten ihm von der Heirat mit Günderrode ab, sie würde keine bürgerliche Hausfrau abgeben, außerdem sei ihr Schellingstudium sehr bedenklich. Nun forderte Creuzer von ihr, sie solle seinen Freunden einen Brief schreiben, in dem sie sich für ein stilles Eheleben ausspräche und der Schellinglektüre abschwüre. Karoline wehrte sich gegen diese Zumutungen und faßte den Plan, mit Creuzer nach Alexandria, oder in Männerkleidern nach Rußland zu fliehen. Sie wollte auch gemeinsam mit Creuzer sterben. Creuzer wurde unter dieser großen Anspannung krank und bat seinen Freund Daub, an Günderrode einen Absagebrief zu schreiben. Karoline befand sich gerade in Winkel im Rheingau. Sie machte sich zu einem Spaziergang auf und erdolchte sich am Rheinufer.
(Text von 2005)
Verfasserin: Sibylle Duda
Zitate
Ich fasse die Änderung deiner Gesinnung nicht. Wie oft hast du mir gesagt, meine Liebe erhelle, erhebe dein ganzes Leben, und nun findest du unser Verhältnis schädlich. Wie viel hättest du ehmals gegeben, dir dies Schädliche zu erringen. Aber so seid Ihr, das Errungene hat Euch immer Mängel. ... Mir ist, du seist ein Schiffer, dem ich mein ganzes Leben anvertraut, nun brausen aber die Stürme, die Wogen heben sich. Die Winde führen mir verwehte Töne zu, ich lausche und höre, wie der Schiffer Rat hält mit seinem Freunde, ob er mich nicht über Bord werfen soll oder aussetzen am öden Ufer?
(Karoline von Günderrode an Friedrich Creuzer)
Links
Literatur & Quellen
Arnim, Bettina von. 1992 [1840]. Die Günderode. Mit einem Essay von Christa Wolf. Frankfurt/M. Insel TB.
Arnim, Bettina von. 2006 [1840]. Die Günderrode. [Text und Kommentar]. Hg. Walter Schmitz. Frankfurt/M. Deutscher Klassiker-Verlag im Taschenbuch.
Gersdorff, Dagmar von. 2006. Die Erde ist mir Heimat nicht geworden: Das Leben der Karoline von Günderrode. Frankfurt/M. Insel.
Günderrode, Karoline von. 1997 [1979]. Der Schatten eines Traumes: Gedichte, Prosa, Briefe, Zeugnisse von Zeitgenossen. Hg. und mit einem Essay von Christa Wolf. München. dtv.
Günderrode, Karoline von. 1998. Gedichte, Prosa, Briefe. Hg. von Hannelore Schlaffer. Stuttgart. Reclam.
Günderrode, Karoline von. 2006. Sämtliche Werke und ausgewählte Studien. Historisch-kritische Ausg. Hg. Walter Morgenthaler. Frankfurt/M; Basel. Stroemfeld.
Hille, Markus. 1999. Karoline von Günderrode. Reinbek b. Hamburg. rororo monographie.
Wolf, Christa. 2002 [1979]. Kein Ort. Nirgends. München. Luchterhand.
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