Fembio Specials Widerstandskämpferinnen Johanna Tesch
Fembio Special: Widerstandskämpferinnen
Johanna Tesch
(Johanna Friederike Carillon [Geburtsname])
geboren am 24. März 1875 in Frankfurt am Main
gestorben am 13./14. März 1945 im KZ Ravensbrück
deutsche Politikerin (SPD), Frauenrechtlerin, Opfer des Nazi-Terrors
145. Geburtstag am 24. März 2020
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Nahe dem ehemaligen Wohnhaus von Johanna Tesch im Frankfurter Stadtteil Riederwald erinnern ein Platz und die zugehörige U-Bahnstation an die Frau, die »mit ihrem politischen Wirken und ihrem unbeirrbaren Festhalten an der Menschenwürde, mit ihrem Kampf gegen ungerechte Verhältnisse und politische Vorurteile, mit ihrem Mut ... der Stadt Frankfurt ein Vorbild geschenkt hat« (Kulturdezernentin Linda Reisch anlässlich der Enthüllung einer Gedenktafel).
Johanna Tesch kannte aus eigener Anschauung die Nöte und Sorgen der »kleinen Leute«. Praktisch und hilfsbereit veranlagt, bemühte sie sich bald nach ihrer Heirat mit dem Sozialdemokraten Richard Tesch um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen besonders für die benachteiligten Frauen (1902 Gründung des »Bildungsvereins für Frauen und Mädchen der Arbeiterklasse«, 1906 Ortsgruppe des »Zentralverbands der Hausangestellten«).
Bis zum Ende des 1. Weltkrieges übernimmt sie trotz ihrer Berufstätigkeit und einer Familie mit drei Söhnen noch zahlreiche soziale Aufgaben. Bei den Frankfurter Sozialdemokraten spielte sie eine wichtige Rolle, unterstützte gerade junge Parteimitglieder und vermittelte zwischen den Jugendorganisationen und den »Alten«. Kennzeichnend für ihr politisches Wirken sind ihr Gerechtigkeitsgefühl, ihre Toleranz und nicht zuletzt Güte und Uneigennützigkeit.
Als 1919 bei der Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung erstmals auch Frauen das Stimmrecht erhielten, geht Tesch für Hessen-Nassau nach Weimar, dann bis 1924 in den deutschen Reichstag nach Berlin. Früh sieht sie die Gefahr durch reaktionäre Kräfte und setzt sich für eine Einigung der Arbeiterbewegungen ein. Nach 1924 macht sich die SPD die hervorragenden Redefähigkeiten Teschs zunutze: in ganz Hessen hält sie Vorträge u.a. über Wohnungsnot, zur Steuerpolitik, zu pädagogischen Fragen und immer wieder zu frauenspezifischen Themen.
Mit der Machtübernahme der Nazis und dem Verbot der SPD verliert Teschs Mann seine Stelle bei der sozialdemokratischen Zeitung »Volksstimme«, so dass neben allem anderen konkrete wirtschaftliche Sorgen das Alltagsleben bestimmen. Trotzdem lässt sich Tesch nicht entmutigen. Ihren jüngsten Sohn Carl, der nach dem Auffliegen einer illegalen Gruppe gerade noch in die Schweiz entkommen kann, hält sie über Deckadressen mit Informationen aus Hitler-Deutschland auf dem Laufenden. Mit Geldern, die sie auf geheimen Wegen aus der Schweiz bekommt, unterstützt sie still und unauffällig politische Häftlinge und ihre Familien. 1937 oder 1938 gelingt es ihr, ihren Sohn im Exil zu besuchen, wobei sie auch mit führenden Schweizer Sozialdemokraten zusammentrifft. Dabei ist sie es, die den angesichts der außenpolitischen Erfolge Hitlers verzagten Genossinnen Mut zuspricht!
Nach dem missglückten Attentat vom 20. Juli 1944 wird am 22. August auch Johanna Tesch von der Gestapo verhaftet und nach einmonatigen Verhören in das KZ Ravensbrück eingeliefert. Ihr Mann versucht verzweifelt für seine schwer herz- und nierenkranke Frau die Haftentlassung zu erreichen. Ein halbes Jahr übersteht Johanna Tesch die unmenschlichen, brutalen Haftbedingungen, bevor sie kurz vor ihrem 70. Geburtstag völlig entkräftet stirbt.
Text aus dem Jahr 2000
Verfasserin: Adriane von Hoop
Zitate
»Wir teilen die Auffassung des Herrn Kollegen Andre nicht, daß die Hausfrauen ihre Arbeit dann selber machen würden. Dazu sind sie vorläufig noch gar nicht zu haben. Den Ofen ausräumen, Teppich klopfen, Parkettböden schrubben, das sind keine Arbeiten, zu denen man manikurte Hände gebrauchen kann und bei denen auch der Teint der Damen notleidet.« (Aus Johanna Teschs Rede zur Lage der Hausangestellten auf der 347. Sitzung des Deutschen Reichstages am den 5. Mai 1923)
Links
Datenbank der deutschen Parlamentsabgeordneten: Tesch (Hessen-Nassau), Johanna, geb. am 24.03.1875 in Frankfurt a. M. Online verfügbar unter http://www.reichstag-abgeordnetendatenbank.de/selectmaske.html?pnd=130078948&recherche=ja, abgerufen am 10.03.2015. WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6Wvz3m34K.
Friedrich-Ebert Stiftung: SPD-Reichstagsabgeordnete der Weimarer Republik. Online verfügbar unter http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/recherche/spd/reichstagsabgeordnete.htm, abgerufen am 10.03.2015. WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6Wvz5Mxes.
Historisches Museum Frankfurt: Frankfurter Frauenzimmer - Biografie Johanna Tesch. Online verfügbar unter http://www.frankfurterfrauenzimmer.de/ep10-detail.html?bio=dj, abgerufen am 10.03.2015. WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6Wvz7DRLH.
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main: Gedenktafeln – Johanna Tesch. Online verfügbar unter http://www.stadtgeschichte-ffm.de/service/gedenktafeln/tesch.html, abgerufen am 10.03.2015. WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6Wvz8uJ6F.
Rhein-Main-Wiki - Das Online-Lexikon für Rhein-Main (2009): Johanna Tesch. Online verfügbar unter http://www.rhein-main-wiki.de/index.php?title=Johanna_Tesch, abgerufen am 10.03.2015. WebCite®-Archivfassung: http://www.webcitation.org/6WvzAdDaG.
Verhandlungen des Deutschen Reichstags: 347. Sitzung, Sonnabend, den 5. Mai 1923. Redebeitrag Johanna Tesch. Online verfügbar unter http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w1_bsb00000043_00594.html, abgerufen am 10.03.2015.
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Literatur & Quellen
Elling, Hanna (1986): Frauen im deutschen Widerstand 1933 - 45. 4. Aufl. Frankfurt a.M. Röderberg-Verl. (Bibliothek des Widerstandes) ISBN 3876820243. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Huber, Antje und Brunn, Anke (Hg.) (1984): Die Sozialdemokratinnen. Verdient die Nachtigall Lob, wenn sie singt? Stuttgart. Seewald. (Frauen in der Politik) ISBN 3512006833. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Schumacher, Martin (Hg.) (1994): M.d.R., die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933 - 1945 ; eine biographische Dokumentation ; mit einem Forschungsbericht zur Verfolgung deutscher und ausländischer Parlamentarier im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich. Düsseldorf. Droste. (Veröffentlichung der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der Politischen Parteien) ISBN 3770051831. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
Historisches Museum Frankfurt Wikipedia
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