Fembio Specials Frauenbeziehungen Janet Flanner
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Janet Flanner
(Genet [Pseudonym])
geboren am 13. März 1892 in Indianapolis, IN
gestorben am 7. November 1978 in New York, NY
US-amerikanische Journalistin und Schriftstellerin
130. Geburtstag am 13. März 2022
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
»Wir alle hatten das Ziel, so schnell wie möglich berühmte Schriftstellerinnen zu werden«, schrieb Janet Flanner (Pseudonym Genet) im Rückblick auf die zwanziger Jahre in Paris. 1922 war sie mit ihrer ersten großen Liebe Solita Solano nach Paris gekommen und hatte gleich ihren einzigen Roman The Cubical City (1926) geschrieben, einen autobiographisch geprägten Liebesroman über eine junge, unabhängige Künstlerin in New York mit eingeschobenen Bemerkungen über die (sexuelle) Unterdrückung der Frau.
Paris bedeutete für sie Freiheit und die Freundschaft mit gleichgesinnten Schriftstellerinnen wie Nancy Cunard, Djuna Barnes, Hemingway. Sie genoss die französische Küche, die Cafés, die Salons von Natalie Barney und Gertrude Stein, die Diskussionen über Literatur und moderne Kunst. Ihre geistreichen Briefe brachten ihr 1925 das Angebot, eine Kolumne über das Pariser Leben für die neugegründete Zeitschrift The New Yorker zu schreiben.
In den ersten Jahren schrieb sie vor allem über kulturelle Ereignisse, Mode und Pariser Persönlichkeiten. Diese Arbeiten (1972 als Paris was yesterday in Buchform veröffentlicht) sind eine wunderbare Chronik des aufregenden kulturellen Lebens dieser Zeit. Erst mit dem Aufkommen des Faschismus in den dreißiger Jahren entwickelte sie sich zu einer gut informierten politischen Journalistin. Nach der Landung der Alliierten 1944 war sie offizielle Kriegsberichterstatterin in Uniform, die in wackeligen Flugzeugen im zerstörten Europa herumflog und über Buchenwald und die Nürnberger Prozesse vor Ort berichtete. Viele ihrer »Briefe aus Paris« wurden später zusammen mit ihren Porträts von Isadora Duncan, Picasso, Hitler u. a. in Buchform veröffentlicht und brachten ihr weite Anerkennung. So erhielt sie 1966 für ihr Pariser Tagebuch 1945-1965 den prestigeträchtigen National Book Award.
Fast 50 Jahre lang, bis zum Alter von 83 Jahren, arbeitete Flanner unter dem Pseudonym Genet für den New Yorker in Paris. In all diesen Jahren wohnte sie im Hotel, was sie von der ungeliebten Hausarbeit befreite. Ihr Leben war vor allem vom Schreiben, aber auch von ihren Freundschaften geprägt.
Neben Solita Solano, die ihre Arbeit ein Leben lang als »Amateursekretärin und Hüterin ihres Wortschatzes« unterstützte, gab es noch zwei weitere große Lieben in ihrem Leben: die amerikanische Schauspielerin Noel Murphy, in deren idyllischem Landhaus in Orgeval bei Paris sie ab 1932 einen Teil der Woche verbrachte, und die italienisch-amerikanische Journalistin und Verlegerin Natalia Danesi Murray, mit der sie während der Kriegsjahre in New York zusammenlebte. Die von Murray herausgegebenen und kommentierten Flanner-Briefe sind ein eindrucksvolles Dokument ihrer Zeit sowie einer intensiven, lebendigen Beziehung, die langen Phasen der schmerzlichen Trennung standhielt.
Verfasserin: Gabriele Koch
Zitate
Sie hatte eine ganz eigene Art, journalistische Texte zu schreiben ... Sie sprang oft im selben Satz von einem Thema zum anderen ... Dies gab ihren Lesern nicht nur einen faszinierenden Einblick in ihre Denkweise, sondern vermittelte ihnen auch das Gefühl, im Augenblick des Schreibens anwesend zu sein ... Sie war eine scharfe Beobachterin, jedoch in keinster Weise objektiv oder distanziert.
(Andrea Weiss)
Die menschlichen Wracks, die ich an einem kalten Samstag, kurz nachdem unsere Armee Köln eingenommen hatte, durch das Torgitter des Gestapogefängnisses Klingelpütz in die Freiheit wanken sah, waren, gezeichnet und ausgehungert, der leibhaftige Beweis dafür, dass es die »schlechten Deutschen« sehr wohl gegeben hat. Im Rausch dieser ersten Stunde in Freiheit und frischer Luft benahmen sich diese Männer und Frauen, die wegen ihrer entschiedenen politischen Haltung eingesperrt worden waren, wie Irre: sie schluchzten, fielen über die Pflastersteine des Hofes, schüttelten die Köpfe und fassten sich an die Schläfen, die so viele Schläge erlitten hatten. Aus der Nase eines französischen Jungen spritzte das helle Blut in erregtem Puls. Ein hoher, einst kräftiger holländischer Arbeiter schrie immer wieder auf deutsch: »Wir dürfen nie vergessen! Schwört es!«
(Janet Flanner in »Paris, Germany«.)
Links
Behrendt, Meike: Scharfer Blick hinter lockerer Fassade. Rezension zu »Paris, Germany«. In: Die Zeit, Nr. 16 vom 10.04.1992. (Link aufrufen)
Flanner, Janet: Comet. Artikel über die Karriere der Modedesignerin Elsa Schiaparelli. In: The New Yorker, 18. Juni 1932. (Link aufrufen)
Flanner, Janet: »Jetzt kriechen die Kölner aus den Löchern«. Auszüge aus »Paris, Germany«. (Link aufrufen)
Google Buchsuche: Janet Flanner. (Link aufrufen)
Internet Movie Database: Janet Flanner. (Link aufrufen)
Janet Flanner auf der Literaturlandkarte. Was lesen Menschen, die Janet Flanner mögen, sonst noch? (Link aufrufen)
König, Sabine; Jung, Anne-K.: Eine Amerikanerin in Paris: Janet Flanner. lespress.de. (Link aufrufen)
Library of Congress Exhibition: Janet Flanner – Women Come to the Front. (Link aufrufen)
The New Yorker: Archivsuche Janet Flanner. 651 Beiträge werden gefunden, die meisten sind noch nicht online zu lesen (nur Zusammenfassung). (Link aufrufen)
Wikipedia: Janet Flanner. (Link aufrufen)
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Literatur & Quellen
Benstock, Shari (1986): Women of the left bank. Paris 1900 – 1940. Austin, Tex. University of Texas Press. ISBN 0-292-79029-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Dictionary of literary biography (1978ff.). Detroit. Gale Research Company. (WorldCat-Suche)
Enzensberger, Hans Magnus (Hg.) (2001): Europa in Ruinen. Augenzeugenberichte aus den Jahren 1944 – 1948. (=Europa in Trümmern). Texte von Stig Dagerman, Alfred Döblin, Janet Flanner, Max Frisch, Martha Gellhorn, John Gunther, Norman Lewis, A.J. Liebling, Robert, Thompson Pell und Edmund Wilson. Frankfurt am Main. Eichborn (Die andere Bibliothek, 65). ISBN 3-8218-4409-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Flanner, Janet (Hg.) (1995): Darlinghissima. Briefe an eine Freundin. Herausgegeben und kommentiert von Natalia Danesi Murray. Aus dem Englischen von Kyra Stromberg und Heinrich von Berenberg. München. Kunstmann. ISBN 3-88897-155-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche) Rezension von Luise F. Pusch zu diesem Buch
Flanner, Janet (1992): Paris, Germany … Reportagen aus Europa 1931 – 1950. Mit Fotografien von Werner Bischof, zusammengestellt von Klaus Blanc. Aus dem am. Englisch von Angelika Felenda. München. Kunstmann. ISBN 3-88897-059-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Flanner, Janet (1993): Legendäre Frauen und ein Mann. Transatlantische Portraits. Herausgegeben von Klaus Blanc. München. Kunstmann. ISBN 3-88897-078-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Lesinska, Zofia P. (2002): Perspectives of four women writers on the Second World War. Gertrude Stein, Janet Flanner, Kay Boyle, and Rebecca West. New York. Lang (Studies in literary criticism and theory, 17). ISBN 978-0-8204-6103-8. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Murray, William (2000): Janet, my mother, and me. A memoir of growing up with Janet Flanner and Natalia Danesi Murray. New York. Simon & Schuster. ISBN 0-684-80966-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche) Rezension von Luise F. Pusch zu diesem Buch
Weiss, Andrea (Paris was a woman): Paris war eine Frau. Die Frauen von der Left Bank. Djuna Barnes, Janet Flanner, Gertrude Stein & Co. Aus dem Englischen von Susanne Goerdt. Dortmund. Edition Ebersbach, 1996. ISBN 3-931782-00-X. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)Wineapple, Brenda (1989): Genêt. A biography of Janet Flanner. New York. Ticknor & Fields. ISBN 0899194427. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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