Fembio Specials Frauenbeziehungen Ika Freudenberg
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Ika Freudenberg
(Ika (eig. Friederike) Freudenberg)
geboren am 24. März 1858 in Raubach/Westerwald
gestorben am 9. Januar 1912 in München
Pionierin der Münchner Frauenbewegung
Mitgründerin und langjährige Vorsitzende des Vereins für Fraueninteressen
165. Geburtstag am 24. März 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Friederike (genannt: Ika) Freudenberg wurde am 24. März 1858 in Raubach im Westerwald geboren. Ihr Vater Johann Philipp betrieb die dortige Eisenhütte. Da das Eisenhüttenwesen im Westerwald in den 1860er Jahren allerdings stark im Niedergang war, gab Johann Philipp Freudenberg den noch laufenden Betrieb um 1866 ab und ließ sich mit der Familie in Wiesbaden nieder.
Die Familie erkannte früh Ikas musikalisches Talent und ermöglichte ihr eine Ausbildung am Konservatorium ihres deutlich älteren Bruders Wilhelm. Wilhelm Freudenberg war Kapellmeister, ging später nach Berlin und baute dort den Chor der Gedächtniskirche auf. Anders als ihr Bruder trat Ika Freudenberg allerdings nach dem Studium nicht öffentlich als Musikerin in Erscheinung, sondern unterrichtete am Konservatorium.
Spätestens 1893 begann sie, sich in der Frauenbewegung zu engagieren. Sie wurde Mitglied im Verein Frauenbildungsreform, der die Zulassung von Frauen und Mädchen zu gymnasialer und universitärer Bildung forderte. Vermutlich in diesem Rahmen knüpfte sie Kontakt zu den Münchner Frauenrechtlerinnen Sophia Goudstikker und Anita Augspurg. Privat lebte sie mit einer etwa gleichaltrigen Lebensgefährtin namens Emmy Preußer (1857-1899) zusammen.
1894: Nach München!
Im Frühjahr 1894 brachen Ika Freudenberg und Emmy Preußer in Wiesbaden ihre Zelte ab und zogen nach München. Schon kurz nach der Ankunft gründete Freudenberg mit Sophia Goudstikker und Anita Augspurg die Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau. Zunächst als klassischer Verein zur Förderung der Mädchen- und Frauenbildung gegründet, erweiterte die Gesellschaft bald ihren Fokus auf Frauen aller Schichten und Lebenslagen. Wenige Jahre nach der Gründung unterhielt sie unter anderem eine Stellenvermittlung für weibliche Lehrlinge, eine Rechtsberatungsstelle für Frauen, eine Jugendgruppe, ein Institut für soziale Arbeit sowie diverse Kommissionen, die Berichte etwa zu volkswirtschaftlichen Fragen oder zur Lage von Arbeiterinnen verfassten.
Bald entstanden im Umfeld weitere Organisationen – darunter ein Verein zur Errichtung eines Mädchengymnasiums, ein Kostümbüro für weibliche Bühnenangehörige (Frauen in den darstellenden Künsten mussten ihre Ausrüstung oft selbst mitbringen), ein Verein für wirtschaftliche Frauenschulen, eine Vereinigung politisch aktiver Frauen und ein Zweigverein der Internationalen Abolitionistischen Föderation, die sich gegen Repressalien gegenüber Prostituierten wandte, Ausstiegsmöglichkeiten schuf und bessere Erwerbsmöglichkeiten und Wohnarrangements für ehelose Frauen der Arbeiterschicht forderte.
Ein Bereich, der Freudenberg besonders am Herzen lag, war die Situation der Kellnerinnen in den Wirtshäusern. Der Verein unterstützte Veranstaltungen, in denen Kellnerinnen ihre Belange besprechen und sich organisieren konnten. Freudenbergs Initiative führte zur Gründung eines Kellnerinnenvereins, der sich später der Gewerkschaftsbewegung anschloss.
Ausweitung der Aktivitäten
Neben der Arbeit an der Basis ging es Ika Freudenberg auch darum, die Frauenbewegung auf breitere Füße zu stellen und die politische und gesellschaftliche Partizipation von Frauen zu fördern.1896 trat die Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau daher dem zwei Jahre zuvor gegründeten Bund deutscher Frauenvereine bei, der als Dachverband die Bestrebungen der bürgerlichen Frauenbewegung bündelte. 1898 wurde Ika Freudenberg in den Vorstand gewählt; ein Jahr später organisierte sie mit dem Bayerischen Frauentag einen landesweit beachteten Frauenkongress.
1899 erfolgte die Umbenennung der Gesellschaft in Verein für Fraueninteressen. In den folgenden Jahren entstanden nach seinem Modell zahlreiche weitere Vereine, die sich 1909 auf Freudenbergs Initiative zum Hauptverband bayerischer Frauenvereine zusammenschlossen. Auch hier führte Ika Freudenberg den Vorsitz.
Ika Freudenbergs Humor und ihr diplomatisches Geschick machten sie zu einer beliebten Vortragsrednerin und Moderatorin. Gleichzeitig war sie auch privat stark eingespannt: Emmy Preußer war ernsthaft erkrankt, und Freudenberg selbst übernahm die Pflege der Lebensgefährtin bis zu deren frühem Tod am 1. Februar 1899.
Lebensgemeinschaft mit Sophia Goudstikker
Im Sommer desselben Jahres siedelte Freudenberg zu Sophia Goudstikker über, die sich soeben ein großes Haus hatte bauen lassen. Dort hatte Goudstikker eigentlich mit Anita Augspurg einziehen wollen, aber die Bande zwischen den beiden hatten sich mittlerweile gelockert – unter anderem (aber nicht nur), weil Augspurg zum einen ein Studium in Zürich aufgenommen hatte und zum anderen auf einem Kongress in Berlin die Frauenrechtlerin Lida Gustava Heymann kennengelernt hatte.
Auch wenn das Arrangement zwischen Goudstikker und Freudenberg zunächst rein praktisch anmutet, lässt sich erkennen, dass aus der Wohngemeinschaftbald eine enge Lebens- und Arbeitsgemeinschaft und sehr wahrscheinlich Liebesbeziehung wurde. „Ika und Puck“, wie sie in der Frauenbewegung genannt wurden, reisten gemeinsam zu Kongressen, arbeiteten im Verein für Fraueninteressen und empfingen in Goudstikkers Salon namhafte Gäste aus dem künstlerisch-literarischen Leben. Zusammen knüpften sie ein ausgedehntes Netzwerk fortschrittlich denkender Männer und Frauen und fungierten somit auch als Brückenbauerinnen zwischen Frauenbewegung und anderen progressiven Zirkeln.
Diagnose: Brustkrebs
1905, kurz nach der Rückkehr von einer Italienreise mit der eng befreundeten Gertrud Bäumer, wurde bei Ika Freudenberg Brustkrebs diagnostiziert. Anfang 1906 unterzog sie sich einer Mastektomie, was jedoch nur vorübergehend Anlass zur Hoffnung bot.
Sie arbeitete weiter, solange es ihre Kraft zuließ, hielt Vorträge und leitete Versammlungen, publizierte Artikel und Beiträge zu Sammelbänden, etwa zur Beteiligung von Frauen in der Politik, zur Repräsentation von Frauen in politischen Parteien, zu Recht und Realität der Ehe und zur Einbindung der Jugend in die Bewegungsarbeit. Im Jahr 1911 fasste Ika Freudenberg, schon geschwächt durch ihre Krankheit, ihre Analysen und Erfahrungen in ihrem ersten und einzigen Buch zusammen: Die Frau und die Kultur des öffentlichen Lebens ist ein umfassender Gesellschaftsentwurf, in dem Frauen Zugang zu Bildung und Erwerbsarbeit, Teilhabe am öffentlichen Leben und nicht zuletzt politische Rechte (einschließlich des aktiven und passiven Wahlrechts) haben. Hier, wie auch in vielen anderen Schriften Ika Freudenbergs, wird klar, welch intellektuelles Vermögen in dieser Frau steckte, die zwar nie eine Universität besucht hatte, sich aber im Privatstudium eingehend mit den unterschiedlichsten geistes- und sozialwissenschaftlichen Gebieten befasst hatte – darunter Philosophie, Volkswirtschaft, Geschichte und Soziologie.
Die Umsetzung ihres Entwurfs und die Einführung des Frauenwahlrechts sollte Ika Freudenberg nicht mehr erleben. Am 11. Dezember 1911 leitete sie ihre letzte Versammlung – laut Vereinskollegin Anna Freund bereits „mit versagender Stimme.“ Am Tag darauf brach sie zusammen und sollte sich nicht wieder erholen. Ika Freudenberg starb am 9. Januar 1912 im Alter von 53 Jahren.
Ika Freudenberg war Macherin und Denkerin, sie war integrierende Kraft, konnte zum Lachen bringen und führte gemeinsam mit Sophia Goudstikker ein offenes Haus, in dem Netzwerke entstanden, in denen gesellschaftliche Veränderung angestoßen werden konnten. Sie war damit, wie viele Frauenrechtlerinnen ihrer Zeit, nicht nur Aktivistin für die Hälfte der Menschheit, sondern auch eine Wegbereiterin der Demokratie.
(Text von 2022)
Verfasserin: Bianca Walther
Literatur & Quellen
Anna Freund: „Gedächtnisrede, gehalten bei der Trauerfeier für Ika Freudenberg im Großen Saale des Künstlerhauses zu München am 31. Januar 1912“, in: Frauenstreben, 9. Jg. (1912), Nr. 4 (17.2.1912).
Gertrud Bäumer: Gestalt und Wandel. Frauenbildnisse, 48.-52. Tsd., Berlin 1939.
Gertrud Bäumer: Ika Freudenberg. Ein Gedenkblatt. Separatabdruck aus der Monatsschrift Die Frau, 19. Jg (1912), Nr. 5.
Ika Freudenberg: Die Frau und die Kultur des öffentlichen Lebens, Leipzig 1911.
Gabriele Reuter: Ika Freudenberg, in: Der Tag 20. Januar 1912.
Bianca Walther: „Es ist so was Lebendiges drum.“ Ika Freudenberg (1858-1912) und die Münchner Frauenbewegung, online verfügbar unter https://biancawalther.de/ika-freudenberg.
Bildquelle: Porträt Ika Freudenberg (um 1904): Sophia Goudstikker/Atelier Elvira. Abgedruckt in Gertrud Bäumer, Gestalt und Wandel, ggü. S. 432.
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