Fembio Specials Europäische Jüdinnen Ida Ehre
Fembio Special: Europäische Jüdinnen
Ida Ehre
(Ida Ehre, verh. Heyde)
geboren am 9. Juli 1900 in Prerau/Mähren
gestorben am 16. Februar 1989 in Hamburg
österreichisch-deutsche Schauspielerin, Regisseurin, Theaterleiterin
35. Todestag am 16. Februar 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
“Ida Ehre tot. Um Mitternacht blieb ihr Herz stehen” titelte die Bildzeitung am Tag nach dem Tod der Theaterleiterin. Im Hamburger Abendblatt schrieb Helmut Schmidt, sie habe “mit ganz einmaliger, unglaublicher Kraft in den von ihr geschaffenen Kammerspielen ein Theater gemacht, wie wir Hamburger es noch niemals vorher erlebt hatten. Denn sie öffnete uns den Blick auf die geistige Landschaft der Welt: Wilder, Anouilh, Sartre, Giraudoux, Gogol, Frisch und viele andere. ...keinem Künstler schulden wir Hamburger mehr als Ida Ehre.” Immer wieder führte Ida Ehre in ihren Kammerspielen Regie und holte sich dazu die besten SchauspielerInnen. Oft stand sie selbst auf der Bühne - unvergessen besonders ihre “Mutter Courage” zu ihrem 50. Bühnenjubiläum. Bis zu ihrem Tode mit 88 Jahren führte sie das Theater weiter und sicherte durch ihren ungeheuren Einsatz und ihre Persönlichkeit das Überleben auch in finanziell schwierigen Zeiten.
Schon in den 1920er Jahren war die in Wien aufgewachsene Ida Ehre eine erfolgreiche Schauspielerin und stand 1933 am Anfang einer großen Karriere in Berlin, als die Nazis der Jüdin Berufsverbot erteilten. Die Jahre der Schreckensherrschaft, in der ihre Mutter und Schwester im KZ umgebracht wurden und sie durch Denunziation fast dasselbe Schicksal erlitten hätte, haben sie für immer geprägt. In ihren Memoiren beschreibt sie, wie sie diese Zeit überlebt hat: Es war die Liebe ihrer 1928 geborenen Tochter Ruth, die ihr immer wieder die Kraft gab, weiterzumachen. Außerdem wurde sie durch ihren arischen Mann, den Arzt Dr. Heyde, geschützt. Trotz großen Druckes hat er sich nicht scheiden lassen, aber er war Deutschnationaler und wollte deshalb nach 1934 keine sexuellen Beziehungen mehr mit seiner Frau. Damit begann eine ungewöhnliche Ehe, die erst mit dem Tod Dr. Heydes endete: Er selbst hatte jahrelang eine Freundin, und Ida Ehre lernte bald einen 12 Jahre jüngeren Mann kennen und lieben. 17 Jahre lebten alle drei in einer gemeinsamen Wohnung in Hamburg. Die Beziehung endete, als Wolfgang ihr ein Ultimatum stellte und sie sich für ihren Mann entschied.
Ida Ehre war ein besondere Frau. Das Leben war ihr wichtiger als Kunst und Karriere. Sie hat immer wieder unter den schwierigsten Umständen Ungewöhnliches geschaffen und trotz allem nie den Glauben an die Menschen verloren nach dem Vorbild ihrer Mutter, die ihr aus der Gestapohaft einen Zettel zuschmuggeln ließ mit den Worten “Mein geliebtes Kind, die Welt kann nur miteinander leben, wenn das Wort Liebe groß geschrieben ist. Liebe und Toleranz.”
Verfasserin: Gabriele Koch
Zitate
(aus Ida Ehre, “Gott hat einen größeren Kopf, mein Kind…”)
Eigentlich hat man mich dazu animiert, Theater zu machen. Ich wäre lieber Psychiater geworden. Aber schließlich bin ich das ja auch geworden, so groß ist der Unterschied zu meinem Beruf gar nicht. Menschen mit Schwierigkeiten trifft man überall, egal in welchem Beruf…Zudem wird ja Theater auch schon als Therapie angewandt, insofern habe ich dann doch meinen Lebenstraum erreicht. (S. 71)
Ich hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen, was den Menschen die Schläfrigkeit aus den Augen nimmt, die Müdigkeit aus dem Herzen treibt. Ich wollte sie zum Denken bringen, zur Überlegung: Wie war diese Zeit hinter uns, welche Verantwortung tragen wir dafür, was werden wir tun, um die Zukunft zu formen. (S. 149)
Walter Jens: Sie ist für mich die sanfteste Diktatorin, die sich denken läßt. Man kann ihr nicht widerstehen. Und wenn sie flüstert, dann gibt sie Befehle, und wenn sie bittet, dann sind es Imperative. Das Ida Ehre Eigene sehe ich in der spirituellen Zähigkeit, in dem geisterfüllten Pragmatismus. Sie lebt auf der Erde, und zu gleicher Zeit träumt sie ein bißchen unter den Sternen. (188-89)
Früher zeigte man im Film die Dame ohne Unterleib, heute zeigt man den Unterleib der Dame. (Ida Ehre)
Links
Zahllose Artikel über Ida Ehre im ZEIT-Archiv
Ida Ehre - Ein Leben fürs Theater. Fotostrecke des NDR
Links geprüft am 5. Juli 2020 (AN)
Literatur & Quellen
Bake, Rita. Hg. 1994. Stadt der toten Frauen: Der Ohlsdorfer Friedhof und seine Frauen. Hamburg. Landeszentrale für politische Bildung, Große Bleichen 23, 20354 Hamburg.
Dertinger, Antje. 1989. Frauen der ersten Stunde: Aus den Gründerjahren der Bundesrepublik. Bonn. Latka.
Dick, Jutta & Marina Sassenberg. Hg. 1993. Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert: Lexikon zu Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg. rororo Handbuch 6344.
Ehre, Ida. 1988. Gott hat einen größeren Kopf, mein Kind… Reinbek bei Hamburg. Rowohlt TB.
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