Fembio Specials Frauen aus Zürich Hilde Stieler
Fembio Special: Frauen aus Zürich
Hilde Stieler
(Hildegard Selma Gertrude Meyer [Geburtsname], Hilde Stieler [Ehename])
geboren am 28. März 1879 in Zürich, Schweiz
gestorben am 19. Februar 1965 in La Seyne, Frankreich
deutsche Schriftstellerin und Malerin
60. Todestag am 19. Februar 2025
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Geboren wurde die spätere Schriftstellerin und Malerin 1879 als Hildegard Meyer in Zürich. Sie war die Mittlere von fünf Töchtern des deutsch-jüdischen Chemikers Victor Meyer und seiner Frau, der Kaufmannstochter Hedwig Davidson. Deren ursprünglich jüdische Familie war zum Protestantismus übergetreten und auch ihre Kinder wurden christlich getauft.
Aufgewachsen in Zürich und Heidelberg, galt ihr Interesse nicht nur der Literatur, sondern auch der Musik, Malerei und Schauspielerei. Gemeinsam mit ihrem Vater unternahm sie zahlreiche Reisen, u.a. nach Paris und an die Küste der Normandie, nach Helgoland, nach Rügen und an die italienische Riviera. Ihr Vater hatte als Jugendlicher Schauspieler werden wollen. Die Begeisterung für diesen Beruf übertrug er auf seine Tochter, die schon früh gern ins Theater ging.
Aber erst einmal studierte Hilde Meyer Klavier am Konservatorium in München. Dort lernte sie den Schauspieler Kurt Stieler kennen, den sie 1902 heiratete. Sie folgte ihm auf seinen Theaterstationen nach Berlin und Leipzig. Die Ehe zerbrach 1922 und wurde 1926 geschieden.
Während ihrer Zeit in Berlin gehörte Hilde Stieler dem Kreis um den Publizisten Franz Pfemfert und der avantgardistischen Zeitschrift Die Aktion an. Sie schrieb expressionistische Gedichte, die u.a. in den Zeitschriften Das Reich, Die Schaubühne und Maß und Wert veröffentlicht wurden. Ihre Gedichtsammlung Der Regenbogen erschien 1918 als Band 17 der renommierten Reihe „Der rote Hahn“ im Verlag Die Aktion von Franz Pfemfert. Darin behandelte sie Themen wie Natur- und Gotteserfahrung, wobei sie häufig auf Frauenfiguren aus der Bibel Bezug nahm, wie z.B. Maria oder Maria Magdalena.
1929 erschien Stielers Roman Monika Molander. In diesem verarbeitete sie ihre Erfahrungen aus ihrer Zeit als Schauspielerin; um 1925 hatte sie sich als „Edelkomparsin“ beim Stummfilm in München versucht, worüber sie in der Zeitschrift Der Filmfreund berichtete. Der Roman ist eine traditionell erzählte Geschichte einer Tochter aus gutem Hause, die nach einer unglücklichen Beziehung zu einem Schauspieler ihre Bestimmung in der Ehe mit einem sehr viel älteren Musikprofessor findet.
Um 1922 lernte Stieler den Kunsthistoriker und Maler Erich Klossowski kennen, der zu dieser Zeit als Bühnenbildner in München arbeitete. Er war seit 1902 mit der Künstlerin Elisabeth Dorothea Spiro verheiratet, die sich als Künstlerin Baladine nannte; sie lebten seit 1917 getrennt, ließen sich aber nie scheiden. Mit ihm lebte Stieler bis 1949 zusammen. 1928 wanderten sie gemeinsam nach Frankreich aus, zunächst nach Paris, 1929 dann an die Côte d'Azur, wo sie – unterbrochen von einem längeren Aufenthalt in Berlin - an verschiedenen Orten lebten. Ab Ende 1932 ließen sie sich in Sanary-sur-mer nieder, der zeitweiligen „Hauptstadt der deutschen Literatur“, dem Ort, der später für viele ExilantInnen aus Deutschland während des Faschismus zum Zufluchtsort wurde. Dass sie von Ludwig Marcuse „die große Auskunftei von Sanary“ genannt wurde, macht deutlich, wie sehr sie Teil der dortigen Gemeinschaft war.
Aber anders als die meisten anderen Deutschen erlebte sie dort auch die Kriegsjahre und blieb auch danach dort wohnen. Im Mai 1940 wurde Stieler als Deutsche von den Franzosen u.a. zusammen mit Marta Feuchtwanger in Hyères interniert.
Stieler wurde von den Nationalsozialisten nicht ausgebürgert, da sie weder als jüdisch galt noch politisch aktiv war – ihr Vater war aufgrund einer Berufung an die Universität in Göttingen 1885 zum Christentum übergetreten. Sie trat allerdings auch nicht der Reichsschrifttumskammer bei und verlor somit jegliche Publikationsmöglichkeit in Deutschland. Ihre Texte und Artikel wurden hauptsächlich in der Schweiz veröffentlicht.
Stieler hatte um 1937 begonnen, sich der Malerei zu widmen und sich einen Namen als „naive Malerin“ gemacht. Der Kunsthändler Wilhelm Uhde förderte sie bis zu seinem Tod 1947. Sie war Mitglied in dem 1938 in Paris gegründeten Freien Künstlerbund, der als Reaktion auf die nationalsozialistische Propagandaschau Entartete Kunst gegründet worden war. Im November 1938 organisierte dieser eine Ausstellung deutscher Kunst in der Maison de la Culture in Paris, bei der auch Werke von Stieler gezeigt wurden. Künstlerischer Höhepunkt für sie war jedoch eine erfolgreiche Ausstellung im Januar 1953 in der renommierten Londoner Redfern Gallery.
Erst nach der Befreiung hätte Stieler die deutsche Nationalität zum Problem werden können, da Klossowski Hilfsleistungen für die Besatzer geleistet hatte. Daher heiratete sie 1949 den niederländischen ehemaligen Kartäusermönch Robert Marie Henri Wilt, mit dem sie bereits seit Jahren befreundet war. Die Ehe wurde zwar bald wieder geschieden, aber Stieler erhielt durch sie die niederländische Nationalität, die sie zeitlebens behielt.
Stieler blieb den Rest ihres Lebens in Sanary-sur-mer, wo sie ihre schriftstellerische Arbeit fortsetzte. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag auf der Rezension von Neuerscheinungen auf dem französischen Buchmarkt. Mit Autorinnen wie Colette und Marguerite Yourcenar war sie persönlich bekannt. Letztere hatte sie bei einem Besuch 1952 in Sanary kennengelernt und war danach brieflich mit ihr in Kontakt geblieben.
Verfasserin: Doris Hermanns
Links
Aviva Verlag über “Die Edelkomparsin”
Hilde Stieler in der Deutschen Nationalbibliothek
Literatur & Quellen
Werke von Hilde Stieler:
Der Regenbogen. Berlin 1918
Monika Molander. Stuttgart 1929
Die Edelkomparsin von Sanary. Berlin 2009
Literatur über Hilde Stieler:
Budke, Petra und Jutta Schulze: Schriftstellerinnen in Berlin 1871 bis 1945. Ein Lexikon zu Leben und Werk. Berlin 1995. Orlanda
Flügge, Manfred: Nur eine Freundin bedeutender Leute? Anmerkungen zu Hilde Stieler. In: Hilde Stieler: Die Edelkomparsin von Sanary. Übersetzt und herausgegeben von Manfred Flügge. Berlin 2009, AvivA Verlag
Sanary–Sur–Mer: Deutsche Literatur im Exil. Ausstellung 1.2.-8.3.96 Jüd. Kulturzentrum Augsburg; 17.3.-12.5.96 Heinrich–Heine–Institut Düsseldorf; 15.9.-24.11.96 Heinrich–und–Thomas–Mann–Zentrum Lübeck. Ausstellungskatalog. 1996. Stuttgart. Metzler.
Vollmer, Hartmut. Hg. 1993. “In roten Schuhen tanzt die Sonne sich zu Tod”: Lyrik expressionistischer Dichterinnen. Zürich. Arche.
Voswinckel, Ulrike und Frank Berninger (Hg.): Exil am Mittelmeer. Deutsche Schriftsteller in Südfrankreich von 1933-1941. München 2005, Allitera. Edition monacensia
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