Fembio Specials Exilantinnen (1933-1945) Hilde Marx
Fembio Special: Exilantinnen (1933-1945)
Hilde Marx
(Ehename: Hilde Feigenheimer, Pseudonym: Hilde Marx-Peters )
geboren am 1. November 1911 in Bayreuth
gestorben am 4. Oktober 1986 in New York
deutsch-US-amerikanische Lyrikerin, Schriftstellerin und Journalistin
110. Geburtstag am 1. November 2021
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Ihre zweite Gedichtsammlung wurde verbrannt und zwar „direkt hinter Thomas Mann, weil ich im Alphabet gleich hinter ihm kam. Das war einer der stolzesten Momente in meinem Leben“.
Die jüdische Dichterin Hilde Marx gehört zu den Autorinnen, deren schriftstellerische Karriere erst ganz am Anfang stand, als die Nationalsozialisten 1933 in Deutschland an die Macht kamen, und durch sie gleich verhindert wurde. Betroffen vom Antisemitismus war sie als Jüdin jedoch bereits vorher.
Aufgewachsen in Bayreuth, wo ihre Eltern gemeinsam das Textilkaufhaus Schriefer führten, erlebte sie schon zu ihrer Zeit am Humanistischen Gymnasium, was es hieß, Jüdin zu sein. Nicht nur von ihren MitschülerInnen – darunter alle vier Wagner-Enkel – wurde sie angespuckt und verspottet, sondern sie durfte auch weder in die Tanzstunde gehen noch Tennis spielen. Ihr literarisches Talent fiel jedoch zu dieser Zeit bereits auf: 1929 erhielt sie den Jean-Paul-Preis der Stadt Bayreuth, der an SchülerInnen für besondere Leistungen in der deutschen Sprache und Literatur verliehen wurde. Nachdem sie, als sie selber noch nicht schreiben konnte, ihre ersten Gedichte noch den Eltern diktierte, die ihr Talent förderten, konnte sie nun einige Gedichte im „Bayreuther Land“, der Heimatbeilage zum Bayreuther Tageblatt veröffentlichen.
Nach ihrem Abitur 1931 begann Hilde Marx in Berlin ihr Studium der Zeitungswissenschaften, Theater- und Kunstgeschichte. Nach fünf Semestern wurde sie jedoch zwangsexmatrikuliert, da Juden und Jüdinnen keine Universitäten mehr besuchen durften. Konnte sie erst noch für Zeitungen bei Ullstein, Mosse und dem Berliner Tageblatt veröffentlichen, war dies nach deren „Arisierung“ nicht mehr möglich. Ihr blieben nur noch jüdische Publikationen, wie die Monatsblätter des jüdischen Kulturbundes in Deutschland, die Jüdische Revue, das Jüdische Gemeindeblatt, sowie vor allem die C.V.-Zeitung. Blätter für Deutschtum und Judentum, eine jüdische Wochenzeitung, die noch bis 1938 erscheinen konnte. Marx veröffentlichte dort meist Gedichte, manchmal Feuilletons, selten Kurzgeschichten, aber auch Texte zu aktuellen Themen wie 1937 über Gesellschaftliche Probleme Palästinas.
Unter dem Namen Hilde Marx-Peters erschien ihre erste Gedichtsammlung Im Vers gefangen 1934 im Selbstverlag. Ihr zweiter Band Dreiklang. Worte vor Gott, von Liebe, vom Tod wurde ein Jahr später vom jüdischen Philo-Verlag veröffentlicht. Durch diesen, sowie den Ersten Literaturpreis der Jüdischen Gemeinde Berlin, mit dem sie im Mai 1935 geehrt wurde, wurde sie einer jüdischen Öffentlichkeit bekannt.
Neben ihrer journalistischen Arbeit schrieb Hilde Marx auch Kabaretttexte und reiste mit ihren Rezitationsabenden durch ganz Deutschland. Auch wenn sämtliche ihrer Veranstaltungen von der Gestapo überwacht wurden, so gelang es ihr doch in manchen unbewachten Momenten, ihre Einschätzungen über die Situation in Berlin weiterzugeben.
An Emigration dachte sie lange nicht, „ich dachte, einer muss ja aushalten“. Aber als ihr die Gestapo 1937 eine Haftstrafe im KZ androhte, weil sie ein Guthaben, eine kleine Erbschaft, aus dem tschechischen Pilsen nicht nach Deutschland überweisen lassen wollte, emigrierte sie nach Tschechien, in das Heimatland ihrer Mutter, wo sie wieder als Journalistin arbeitete. Von dort aus gelang es ihr ein Jahr später, in die USA auszureisen, da ein Geschäftsmann aus Chicago, der zufällig einmal einen Artikel von ihr gelesen hatte, den sie aber nicht weiter kannte, ihr zu einem Affidavit verhalf.
Im November 1938 traf sie in New York ein, Englisch lernte sie dort, indem sie ins Kino ging und sich Filme so oft ansah, bis sie sie anhand von Gesten und Blicken verstehen konnte. Sie arbeitete in verschiedenen Jobs, u.a. als Altenpflegerin, Verkäuferin und Kindermädchen. Auch wenn sie seit 1939 als freie Mitarbeiterin beim Aufbau, der wichtigsten Zeitung der in die USA geflüchteten deutschsprachigen Juden, Jüdinnen und anderen Flüchtlingen, mitarbeitete, reichte ihr Einkommen nicht aus, als sie ihre Eltern in die USA nachholen wollte. Daher entschied sie sich, ihr Hobby zu ihrem Beruf zu machen und erwarb ein Diplom als Masseurin, außerdem unterrichtete sie Gymnastik. Dadurch war sie finanziell soweit abgesichert, dass sie für ihre Eltern bürgen konnte, die sie noch kurz vor dem Ausreiseverbot 1941 aus Deutschland nachholen konnte.
Beim Massieren lernte Hilde Marx ein mehrstündiges Repertoire von Gedichten auswendig, denn auch in Amerika trat sie weiter als Vortragskünstlerin auf und zwar mit einer eigenen „One-Woman-Show“, in der sie Ernstes mit Heiterem verband, jüdische mit christlichen Traditionen. Dies war für sie eine Möglichkeit, als schöpferischer Mensch ein Echo zu erhalten, da sie neben Texten von klassischen deutschen Autoren auch eigene Gedichte vortrug. 1959 trat sie sogar im Haus von Eleanor Roosevelt auf. Aber nicht der äußere Erfolg war ihr wichtig, sondern das Gefühl, sich mitgeteilt zu haben und verstanden worden zu sein. 1951 erschien ein letzter Band mit Gedichten von 1938 bis 1951 unter dem Titel Bericht, in die ihre Erfahrungen als Exilantin mit eingeflossen sind. Sie wurde Mitglied des Auslands-PEN und war seit den 1960er Jahren Redakteurin des Aufbau, für den sie vornehmlich Theater- und Filmkritiken schrieb sowie Kurzbiografien jüdischer Emigranten. Daneben war sie auch für andere Zeitungen tätig, wie This Day aus St. Louis, das Chicago Jewish Forum, die Staatszeitung und Herold aus New York. Außerdem hielt sie zahlreiche Vorträge über kulturelle Themen.
1943 erhielt sie die amerikanische Staatsbürgerschaft und heiratete ihren Jugendfreund, den Arzt Dr. Erwin Feigenheimer, der bereits einige Jahre vor ihr in die USA gekommen war. Mit ihm hatte sie drei Töchter. Nach der Heirat gab sie ihren Beruf als Masseurin und Gymnastiklehrerin auf, schrieb aber weiterhin. So fragte sie beispielsweise im Aufbau 1948 Was ist das: Frieden? Nach Deutschland kehrte sie nur für kurze Besuche zurück. Nach einem Besuch ihrer Heimatstadt Bayreuth, bei dem sie in ihrer ehemaligen Schule eine Lesung mit nur wenig Publikum hatte, bezeichnete sie diesen anschließend in einem Dankesschreiben als „den schwersten Job, den ich je gemacht habe“. Eine Annäherung an die Stadt kam nicht mehr zustande. Eine letzte Veröffentlichung in der Bayreuther Lokalzeitung erschien unter dem Titel „Jetzt fühle ich mich als Emigrantin“.
(Text von 2017
Verfasserin: Doris Hermanns
Zitate
„Das Gefühl Heimat kenne ich nicht mehr. Heimat ist kein bestimmtes Land. Das habt ihr mir ausgetrieben. Heimat ist höchstens in mir. Ich bin weder stolze Amerikanerin noch gewesene stolze Deutsche, noch stolze Jüdin. Ich bin ein Mensch aller Welten.“
„Nationale Unterscheidungen gibt es nicht mehr für mich. Es gibt nur noch Menschen, gute und schlechte, überall und in allen Farben.“
„Ich weiß heute, dass es Frieden erst geben wird, wenn die Grenzen fallen und aller Nationalismus verschwindet und wenn niemand mehr Profit an Kriegen macht.“
(zitiert nach: Gabriele Kreis: Frauen im Exil. Dichtung und Wirklichkeit)
Literatur & Quellen
Literatur über Hilde Marx:
Backhaus-Lautenschläger, Christine: … Und standen ihre Frau. Das Schicksal deutschsprachiger Emigrantinnen in den USA nach 1933. Pfaffenweiler, Centaurus, 1991
Bald, Albrecht: Hilde Marx. In: Spalek, John M., Konrad Feilchenfeldt, Sandra H. Hawrylchak (Hg.): Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Band 3: USA. Teil 1. Bern, K.G. Saur Verlag, 2000. S. 344-370
Czoik, Peter: Hilde Marx: https://www.literaturportal-bayern.de/autorinnen-autoren?task=lpbauthor.default&pnd=116493771
Kreis, Gabriele: Frauen im Exil. Dichtung und Wirklichkeit. Darmstadt, Luchterhand Literaturverlag, 1988
Meierjohann, Hilke: Die jüdische Lyrikerin und Journalistin Hilde Marx: http://www.geschichtswerkstatt-bayreuth.de/frauen.htm
Soden, Kristine von: „Und draußen weht ein fremder Wind …“ Über die Meere ins Exil. Berlin, AvivA, 2016
Wall, Renate: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil 1933 bis 1945, Band 2. Freiburg i.Br., Kore, 1995
Ziegler, Edda: Verboten verfemt vertrieben. Schriftstellerinnen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. München, dtv, 2010
Hilde Marx in der Deutschen Nationalbibliothek
Werke von Hilde Marx:
Im Vers gefangen. 1934 (Selbstverlag)
Dreiklang: Worte von Gott, von Liebe, vom Tag. Berlin, Philo-Verlag, 1935
Bericht, in: Morgenröte : ein Lesebuch. Hrsg. von den Gründern des Aurora-Verlages. New York, Aurora-Verlag, 1947
Bericht: Gedichte 1938 – 1951. New York, 1951 (Selbstverlag)
Neuauflagen ihrer Werke:
https://hildemarx.wordpress.com/publikationen/lyrikbande/
Nachlass an der State University of New York at Albany:
http://meg.library.albany.edu:8080/archive/view?docId=ger066.xml
Ausstellung: http://www.hilde-marx.de/
Dreiklang: Berichte aus dem Leben der Hilde Marx ist ein Ausstellungs-, Publikations- und Kulturprojekt, das Werk und Leben der Dichterin zum Anlass nimmt, über die Gegenwart und die Zukunft nachzudenken
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