Fembio Specials Exilantinnen (1933-1945) Hermynia Zur Mühlen
Fembio Special: Exilantinnen (1933-1945)
Hermynia Zur Mühlen
(Geburtsname: Gräfin Hermine Isabelle Maria Folliot de Crenneville-Poutet. 1. Ehename: Hermynia von zur Mühlen, 2. Ehename: Hermynia Kleinova. Pseudonyme als Autorin: Maria Berg, Franziska Maria Rautenberg, Lawrence H. Desberry, Traugott Lehmann. Pseudonym als Übersetzerin: Franziska Maria Tenberg)
geboren am 12. Dezember 1883 in Wien, Österreich-Ungarn
gestorben am 20. März 1951 in Radlett/Hertfordshire, Großbritannien
österreichische, russische, tschechoslowakische Schriftstellerin und Übersetzerin
140. Geburtstag am 12. Dezember 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Von einer adligen Familie zum Kommunismus, von der „roten Gräfin“ zur „linken Katholikin“ - was Hermynia Zur Mühlen in all ihren Lebensphasen auszeichnete, war ihr Humanismus, ihr öffentliches Eintreten für Recht, Wahrheit und Gerechtigkeit, sowie ihre Solidarität mit anderen Menschen. Wie sie einen Schriftsteller in einem ihrer letzten Romane sagen lässt: „Ich glaube an die Gemeinschaft aller anständigen, aller guten Menschen.“ (Als der Fremde kam)
Kindheit
Als Hermine Isabelle Maria Folliot de Crenneville-Poutet wurde sie in Wien in den österreichisch-ungarischen Hochadel hineingeboren. Mit ihrer Mutter Isabella Luisa Alexandrina Maria hatte sie kein gutes Verhältnis, das zu ihrem Vater, Victor Graf Crenneville, einem österreichisch-ungarischen Gesandten, war etwas besser. Dennoch verbrachte sie den Großteil ihrer Kindheit bei ihrer Großmutter mütterlicherseits, Isabella Luisa Gräfin Wydenbruck, die aus England stammte, in Gmunden am Ufer des Traunsees im Salzkammergut. Deren liberale Einstellung sollte die Enkelin für den Rest ihres Lebens beeinflussen. Schon als Kind lernte sie das „Problem aller Probleme“ kennen: Reichtum und Armut und begann sich für soziale und politische Fragen zu interessieren. Bereits in jungen Jahren las sie liberale Zeitungen und wollte die Welt verbessern; hierzu gründete sie den „Anker-Verein“, der sogar eine Zeitlang eine Monatszeitschrift herausgab.
Ihre Großmutter las ihr häufig vor, aber keine Kinder- und Jugendbücher - die konnte sie schon als Kind nicht leiden – sondern Autoren wie Dickens, Thackeray, Swift und Tennyson. Sie konnte sich später an keine Zeit erinnern, in der Bücher für sie nicht das Wichtigste und Erfreulichste im Leben waren.
Ihre Eltern sah sie nur selten. Aber da ihr Vater als Diplomat in unterschiedlichen Orten eingesetzt wurde, lernte sie auf Reisen bereits früh einige Länder Europas, Vorderasiens und Nordafrikas kennen.
War sie bis dahin von Privatlehrerinnen zu Hause unterrichtet worden, so kam sie 1898 zum ersten Mal in eine Schule, genauer gesagt in ein „Pensionat für höhere Töchter“ in Dresden, wo sie zu einer Gruppe von vier „Intellektuellen“ gehörte. Von einer Mitschülerin lernte sie die Werke von Turgenjew kennen, die sie später neben dem Neuen Testament als wichtigste Lektüre für ihre Entwicklung bezeichnen sollte. Schon während ihrer Pensionatszeit entwickelte sie den Wunsch, nach Russland zu gehen und zusammen mit den dortigen „heldenhaften Menschen“ Revolution zu machen.
Ein großer Bruch in ihrem Leben entstand ein Jahr später durch den Tod ihrer Großmutter:
„Meine Jugend, alles, was sorgloses Geborgensein bedeutete, war vorüber. Vor mir stand eine feindselige Welt, standen fremde, übelgesinnte Menschen. Es gab kein Zuhause mehr. Nun mußte ich, sechzehnjährig, mit mir selbst und der Welt fertig werden.“
Um wenigstens den Ort, an dem sie mit ihrer Großmutter gelebt hatte, nicht verlassen zu müssen, ließ sie sich im Kloster in Gmunden als Volksschullehrerin ausbilden. Dort legte sie 1901 ihr Examen als Lehrerin ab. Da ihre Eltern die Ausübung dieses Berufes „nicht standesgemäß“ fanden, wurde ihr die Arbeit untersagt. Stattdessen musste sie Zeit mit ihren Eltern verbringen, im Sommer am Comer See, danach ging sie mit ihrem Vater nach Tanger, wo dieser als Gesandter arbeitete.
Anschließend waren sie in Genf, wo sie einige politische Emigranten vor allem aus Russland kennenlernte, bevor sie 1905 eine Zeitlang in einer Frankfurter Buchdruckerei arbeitete, um die Arbeitswelt kennenzulernen. „Diese eine Woche hat mich mehr gelehrt als viele dicke Bände über soziale Fragen“, denn „Ich war in praktischen Dingen unerfahren wie ein Kind, mein ganzes Leben lang war immer alles »von Natur aus« dagewesen, alles war für mich getan worden“.
Ehe in Estland
Um jeden Preis wollte sie weg von ihren Eltern. Als sie 1907 den jungen baltischen Gutsbesitzer Victor von zur Mühlen aus Livland kennenlernte und sich in ihn verliebte, sah sie ihre Chance gekommen. Inzwischen 24 Jahr alt und somit endlich volljährig, war sie nicht länger auf die Zustimmung ihrer Eltern angewiesen. Sie verlobte sich bereits nach drei Wochen mit ihm, und sie heirateten im Juni 1908 in Baden-Baden, von wo aus sie auf sein Gut in Eigstfor zogen. Es war ein weit abgelegener Ort, um nach Fellin zu gelangen, der nächstgelegenen kleinen Stadt, brauchten sie fünf Stunden. Schnell wurde deutlich, dass sie und ihr Mann sich in grundsätzlichen Lebensfragen zutiefst uneinig waren. Die ArbeiterInnen auf dem Gut spürten, dass die „ausländische Baronin“ auf ihrer Seite stand, auch wenn sie nicht verstanden, warum. Sie mochten sie und waren gut zu ihr.
„Ich wußte genau, daß mein ganzes Leben ein Verrat an der Sache war, an die ich glaubte, immer stärker glaubte, je klarer ich in meiner Umgebung die Ungerechtigkeit und Unterdrückung sah. Als anständiger Mensch mußte ich fortgehen, ein neues Leben beginnen, arbeiten, der Bewegung dienen.“
Sechs Jahre lebte sie dort, ein Leben, dass ihr sehr schwer fiel. Auf Dauer vertrug sie das dortige Klima nicht mehr. Oft war sie krank, und sie hatte mehrere Fehlgeburten, so dass ihr Arzt sie letztendlich nach Davos schickte, um ihre Lungenkrankheit auszukurieren. Ihr war bei ihrer Abreise 1913 bewusst, dass es ein Abschied für immer sein würde.
Zwischenzeit in Davos
Fünf Jahre sollte Hermynia Zur Mühlen (das „von“ ihres Namens hatte sie abgelegt) aufgrund ihrer schweren Lungentuberkulose im Sanatorium in Davos bleiben. Als sie entlassen wurde, galt sie dennoch nicht als geheilt, wirklich gesund sollte sie für den Rest ihres Lebens nicht mehr werden. Wichtige Ereignisse zu der Zeit waren der Erste Weltkrieg, sowie die Revolution in Russland – beides sollte sie sehr beschäftigen. Sie brach endgültig mit ihrer „alten Welt“ und wandte sich dem Kommunismus zu, wodurch sie sich nicht länger als Einzelne sah, die kämpfte, sondern als Teil eines großen Ganzen.
In Davos lernte sie den ebenfalls in Wien geborenen jüdischen Übersetzer Stefan Isidor Klein kennen, der an der gleichen Krankheit litt wie sie, wenn auch weniger schwer. Die beiden verband die Sympathie zum Kommunismus und der Sinn für ästhetische Werte. Er sollte für den Rest ihres Lebens ihr Partner bleiben.
Es stand fest für sie, dass sie nicht von der Arbeit anderer leben, sondern auf eigenen Füßen stehen wollte. Von Davos aus korrespondierte sie mit dem US-amerikanischen Schriftsteller Upton Sinclair. Sie übersetzte nicht nur seine Romane, sondern sorgte auch dafür, dass sie in Deutschland Verbreitung fanden.
Während ihrer Zeit in der Schweiz begann sie sowohl Essays als auch Erzählungen zu schreiben, so auch Gedanken zur Kinder- und Jugendliteratur. Aber auch der Krieg beschäftigte sie, die sich als unpatriotisch sah, weiterhin. Sie sah die Soldaten als arme Teufel, die in den Tod getrieben wurden, was sie als sinnlos und nutzlos empfand. Diese Ansicht taucht auch in ihren Werken mehrfach auf.
Frankfurt am Main
1919 zog Hermynia Zur Mühlen mit Stefan Klein nach Frankfurt am Main, wo sie der KPD beitrat und als Übersetzerin – vor allem für den Malik Verlag – arbeitete. Die zahlreichen Sprachen, die sie gelernt hatte, kamen ihr hierbei zugute. Die beiden waren mit ihren zwei Hunden bald in der Stadt bekannt. Mit großem Elan stürzte sich Hermynia Zur Mühlen in die Arbeit: Unermüdlich übersetzte sie ein Buch nach dem anderen, schrieb zahlreiche kommunistische und sozialkritische Feuilletons und begann ihre proletarischen Märchen zu schreiben, von denen 1921 ein erster Band unter dem Titel Was Peterchens Freunde erzählen mit Zeichnungen von George Grosz im Malik Verlag erschien. Weitere Bände folgten, die auch in mehrere Sprachen übersetzt wurden.
Ab 1922 veröffentlichte sie auch Romane. In einem beeindruckenden Tempo schrieb sie mehr und mehr Bücher: Romane, Erzählungen, Novellen. Allein unter dem Pseudonym Lawrence H. Desberry erschienen fünf Kriminalromane von ihr; sie wird als Übersetzerin genannt, war aber die Autorin. Ebenfalls unter einem Pseudonym – diesmal Traugott Lehmann – veröffentlichte sie Die weiße Pest. Ein Roman aus Deutschlands Gegenwart.
Auf Anregung der damals einflussreichen Frankfurter Zeitung schrieb sie ein „Lebensbuch“ unter dem Titel Ende und Anfang, in dem sie von ihrer Kindheit und Jugend in adeligen Kreisen in Österreich erzählt, aber auch von den Reisen durch Europa und Nordafrika. Erst als Fortsetzung in der Zeitung erschienen, wurde ihr Bericht 1929 als Buch vom renommierten S. Fischer Verlag publiziert. Weitere autobiografisch gefärbte Romane wie Das Riesenrad (1932) und Reise durch ein Leben (1933) folgten, in denen sie von Mädchen bzw. später jungen Frauen erzählt, die aus dem Adel stammen und ihren Weg in einer ihnen neuen Welt finden müssen. Wie auch ihre anderen Romane und einige ihrer Erzählungen waren sie eine Mischung aus Autobiografischem mit Zeithistorischem.
Die Jahre in Frankfurt waren eine sehr produktive Zeit für Hermynia Zur Mühlen. Aber schnell bekamen sie und Klein Ärger. Wegen ihres Umgangs mit AusländerInnen waren sie nirgends lange geduldet und mussten häufig umziehen. Außerdem wurden sie von der Polizei observiert, da sie nicht nur Mitglieder der KPD waren, sondern auch in „wilder Ehe“ lebten. 1926 wurde sie für ihre Erzählung Schupomann Karl Müller wegen Hochverrats angeklagt, das Verfahren musste jedoch eingestellt werden, da nicht genügend Beweise dafür vorlagen, dass die Autorin damit vorhatte, ein „hochverräterisches Unternehmen“ vorzubereiten.
Wegen des Stalinismus, den sie vehement ablehnte, wandte sie sich Anfang der 1930er vom Kommunismus ab, trat aus der KPD aus und bezeichnete sich seither als „linke Katholikin“.
Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 konnten Zur Mühlen und Klein, die sich darüber im Klaren waren, dass sie beide aufgrund ihrer antifaschistischen Haltung gefährdet waren (Klein außerdem auch als Jude), gerade noch rechtzeitig nach Wien fliehen.
Exil in Wien
Einfach war die Situation in Wien allerdings auch nicht für sie. Natürlich schrieb sie unermüdlich weiter, aber es gab deutlich weniger Möglichkeiten zur Veröffentlichung ihrer Texte. Und es waren andere Inhalte erwünscht: So sagte ihr ein Feuilletonredakteur, dass er mit ihren politischen Texten nichts anfangen könne, sie solle ihm Humoresken bringen, die die Leute zum Lachen bringen würden. Zum Lachen war Hermynia Zur Mühlen allerdings keineswegs zumute, sie wollte die österreichische Bevölkerung vor dem Nationalsozialismus warnen, wollte sie darüber aufklären, was in Deutschland vor sich ging. In nur drei Wochen schrieb sie den Roman Unsere Töchter, die Nazinen, der am Beispiel dreier Frauen und ihrer Töchter die politischen Veränderungen durch den aufkommenden Nationalsozialismus in einer Kleinstadt beschrieb. Dieser wurde 1934 als Fortsetzungsroman in der saarländischen Zeitung Deutsche Freiheit (das Saargebiet war damals noch autonom) veröffentlicht, 1935 als Buch bei Gsur in Wien.
Obwohl sie bereits im Exil war, wurde sie 1933 noch von ihrem deutschen Verleger Engelhorn gedrängt, dass sie die Mitarbeit an der Exil-Zeitschrift Neue deutsche Blätter einstellen solle, da sonst mit einem Boykott ihres Buches Das Riesenrad zu rechnen sei und sie keinen weiteren Roman mehr in deutschen Zeitungen unterbringen könne. Sie blieb jedoch standhaft in ihrer antifaschistischen Haltung und schrieb zurück:
„Da ich Ihre Ansicht, das Dritte Reich sei mit Deutschland und die »Führer« des Dritten Reiches seien mit dem deutschen Volk identisch, nicht teile, kann ich es weder mit meiner Überzeugung noch mit meinem Reinlichkeitsgefühl vereinbaren, dem unwürdigen Beispiel der von Ihnen angeführten vier Herren (Alfred Döblin, René Schickele, Stefan Zweig und Thomas Mann, DH) zu folgen, denen scheinbar mehr daran liegt, in den Zeitungen des Dritten Reiches, in dem sie nicht leben wollen, gedruckt und von den Buchhändlern des Dritten Reiches verkauft zu werden, als treu zu ihrer Vergangenheit und zu ihren Überzeugungen zu stehen.“ (in: Werke, Band 4)
Wie von ihr zu erwarten war, zog sie die Solidarität mit jenen vor, „die im Dritten Reich um ihrer Überzeugung willen verfolgt, in Konzentrationslager gesperrt oder »auf der Flucht« erschossen werden.“ Das Dritte Reich bezeichnete sie in diesem Brief als „zur Wirklichkeit gewordenes Gräuelmärchen“, dem man keinen besseren Dienst erweisen könne, als es zu bekämpfen. Zu leisen Tönen im Stillen neigte sie wahrlich nicht, und so forderte sie ihren Verleger auf, ihren Brief an das Börsenblatt sowie die Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums weiterzuleiten.
Exil in Bratislava
Durch den „Anschluss“ Österreichs im März 1938 sahen sich Zur Mühlen und Klein wiederum gezwungen, in ein anderes Exil auszuweichen. Die Autorin wusste, dass sie auf den Schwarzen Listen der Nationalsozialisten stand und nach ihr gefahndet wurde. Mit Entsetzen hatte sie wahrgenommen, wie die Nazis sich auch in ihrer Heimat breitmachten. Bratislava war für sie naheliegend, da es zum einen nicht weit entfernt war und Klein zum anderen einen Teil seiner Jugend dort verbracht hatte. Dort heirateten die beiden und erhielten dadurch die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft, ihre russische hatte sich für sie bereits in Wien als Problem herausgestellt.
Verzweifelt versuchte Zur Mühlen weiterhin ihre Werke zu veröffentlichen, was ihr aber kaum noch gelang. Und auch in der Tschechoslowakei zeichnete sich schnell ab, dass sie dort nicht bleiben könnten und so beschlossen sie, nach England zu fliehen, aber die Autorin bemühte sich vorher noch um ein Stipendium bei der Hilfsorganisation für deutschsprachige EmigrantInnen American Guild.
Großbritannien
Über Ungarn, Jugoslawien, Italien und Frankreich gelang den beiden die Flucht nach Großbritannien. Im Juni 1939 kamen sie in London an. Nach wie vor stand für Hermynia Zur Mühlen das Handeln im Vordergrund, d. h. ihr Schreiben, vor allem gegen die NS-Herrschaft.
Aber der Existenzkampf war auch in England sehr hart für sie. Nach Kriegsbeginn wurden die beiden, wie zahlreiche Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich, unabhängig von ihrer politischen Überzeugung, in Reigate Hill interniert. Sie hatten allerdings das Glück, bereits nach vier Wochen entlassen zu werden. Ein Arzt hatte der Autorin aufgrund ihrer angegriffenen Lungen ein Attest ausgestellt. Zudem galten sie mit ihrer tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft nicht als „enemy aliens“, also nicht als ausländische Feinde.
Unermüdlich schrieb Zur Mühlen weiter: Publizistik, Märchen, Romane, Geschichten, Übersetzungen, Beiträge für die österreichische Sendung der BBC entstanden auch in dieser Zeit. Nach wie vor setzte sie sich für Recht, Wahrheit und Gerechtigkeit ein, aber immer häufiger musste sie ihre Arbeit auch wegen Krankheiten unterbrechen.
Zu ihrem 60. Geburtstag 1943 richteten der tschechoslowakische und der österreichische PEN-Klub eine gemeinsame Feier aus. Wie sich Wilhelm Sternfeld erinnert:
„Auf Veranstaltungen des Internationalen PEN konnte man in den letzten Jahren zuweilen eine Dame beobachten, die die Aufmerksamkeit der anderen Besucher in besonderem Maße auf sich zog. (…) Ganz einerlei, ob sie mit einem Deutschen, einem Engländer, einem Franzosen, einem Italiener oder einem Angehörigen eines slawischen Volkes sich unterhielt – sie antwortete ihm in seiner Sprache und meist in einer so vollkommenen Weise, daß es schwer zu sagen war, welches eigentlich ihre eigene Muttersprache sei.“ (in: Altner: Hermynia Zur Mühlen)
Bei den Übersetzungen ihrer Werke ist nicht mehr festzustellen, in welcher Sprache sie ursprünglich verfasst wurden, es fehlen die Angaben zu den Übersetzungen, die sie selber davon angefertigt hat.
1948 zogen Zur Mühlen und Klein nach Radlett nördlich von London, wo sie in großer Armut und mit zunehmenden Gesundheitsproblemen lebten. Zu ihrem Lungenleiden waren jetzt auch noch Asthma, Gallenanfälle und Krebs hinzugekommen. Zur angedachten Rückkehr nach Wien kam es nicht mehr. Hermynia Zur Mühlen starb am 20. März 1951, begraben wurde sie unter ihrem letzten Ehenamen „Hermynia Kleinova“, kein Grabstein erinnert an sie.
Ihre Werke, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden, werden erst in den letzten Jahren wiederentdeckt, so erschien unter anderem 2019 eine umfangreiche Werkausgabe in vier Bänden beim Wiener Zsolnay Verlag.
Auf dem Bonner Marktplatz erinnert seit 2013 ein Bronzebuch an Hermynia Zur Mühlens Buch Ende und Anfang, das Teil des Mahnmals zum Gedenken an die Bücherverbrennungen von 1933 ist.
(Text von 2021)
Foto: Axel Kirch. “Das Mahnmal zur Bücherverbrennung auf dem Bonner Markt; In das Pflaster des Bonner Marktes sind insgesamt 60 sichtbare Buchrücken, sogenannte „Lesezeichen“, verteilt, die sich an der Rathaustreppe, dem Ort, an dem die Bücher am 10. Mai 1933 verbrannt wurden, verdichten. Zusätzlich wurde ein wetterfester Archiv-Behälter in Form einer Büchertruhe in den Platz eingelassen. Seine Inschrift benennt das Ereignis und weitere Autoren von verbrannten Büchern.”
Verfasserin: Doris Hermanns
Literatur & Quellen
Literatur über Hermynia Zur Mühlen:
Altner, Manfred: Hermynia Zur Mühlen. Eine Biographie. (1997) Bern, Lang
Blumensberger, Susanne und Jörg Thunecke (Hg.): Die rote Gräfin. Leben und Werk Hermynia Zur Mühlens während der Zwischenkriegszeit (1919-1933). (2019) Wien, Praesens
Brinker-Gabler, Gisela, Karola Ludwig und Angela Wöffen (1986): Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1800 – 1945. München, dtv
Dyck, Karla: Nie das Knie gebogen. Rebellion und Schreiben adliger Frauen von Sophie von La Roche bis Hermynia Zur Mühlen. (2018) Berlin, NoRa
Grünzweig, Walter und Susanne Schulz (Hg. und mit Nachwort von): Upton Sinclair, Wieland Herzfelde, Hermynia Zur Mühlen: Werter Genosse, die Maliks haben beschlossen … Briefe 1919-1950. (2001) Bonn, Weidle
King, Lynda J. “From the Crown to the Hammer and Sickle: The Life and Works of Austrian Interwar Writer Hermynia zur Mühlen”, in: Burkhard, Marianne & Jeanette Clausen. Hg. 1988. Women in German Yearbook 4: Feminist Studies and German Culture. Lanham; New York; London. Univ. Press of America. S. 125-154.
Patsch, Sylvia Maria: „Und alles ist hier fremd.“ Schreiben im Exil. (1988) In: Gisela Brinker-Gabler (Hg.): Deutsche Literatur von Frauen. Zweiter Band. 19. und 20. Jahrhundert. München, C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, S. 304ff
Patsch, Sylvia Maria: Österreichische Schriftsteller im Exil in Grossbritannien: ein Kapitel vergessene österreichische Literatur: Romane, Autobiographien, Tatsachenberichte auf englisch und deutsch. Brandstätter, 1985
Wall, Renate (1995): Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil 1933 bis 1945. Band 2. Freiburg i. Br., Kore
Wallace, Ailsa: Hermynia Zur Mühlen: The Guises of Socialist Fiction. (2009) New York
Weinzierl, Ulrich: Genossin Gräfin. Die kommunistische Katholikin Hermynia Zur Mühlen. (2019) In: Hermynia Zur Mühlen: Werke. Band 4: Geschichten und Feuilletons. Im Auftrag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Wüstenrot Stiftung ausgewählt, kommentiert und mit einem Porträt von Ulrich Weinzierl. Wien, Zsolnay
Hermynia Zur Mühlen in der Deutschen National Bibliothek
Hermynia Zur Mühlen in der Österreichischen National Bibliothek
Werke von Hermynia Zur Mühlen:
Was Peterchens Freunde erzählen. (1921) Mit Zeichnungen von George Grosz. Berlin, Malik, Märchen der Armen 1. Neuauflagen: 1946 Wien, Globus, 1921 Leipzig, Edition Leipzig
Märchen. (1922) Mit Illustrationen von Karl Holtz. Berlin, Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten. Neuauflage 1976 unter dem Titel Der kleine graue Hund und andere Märchen. Oberhausen, Asso-Verlag
Der Tempel. Roman. (1922) Berlin, Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten
Licht. Roman. (1922) Konstanz, O. Wöhrle
Der blaue Strahl. Roman. (1922) Unter dem Pseudonym Lawrence H. Desberry. Stuttgart, Wagner, Reihe „Die Spannung“
Ali, der Teppichweber. 5 Märchen. (1923) Mit Illustrationen von John Heartfield. Berlin, Malik, Märchen der Armen 3
Der Deutschvölkische. Erzählung. (1924) Berlin, Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten
Der rote Heiland. Novellen. (1924) Mit Illustrationen von Max Schwimmer. Leipzig, Verlag die Wölfe. Neuauflage 1989 Roland Jassmann Verlag Frankfurt am Main. Mit 11 Federzeichnungen von R. G. Jassmann
Schupomann Karl Müller. Erzählung. (1924) ) Berlin, Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten
Das Schloß der Wahrheit. (1924) Mit Illustrationen von Karl Holtz. Berlin, Verlag der Jugendinternationale. Neuauflage1983 Berlin, Tribüne
Ejus. Roman. (1925) Unter dem Pseudonym Lawrence H. Desberry. Jena, Neue Welt Verlag. Neuauflage 1955 unter Hermynia Zur Mühlen und dem Titel Insel der Verdammnis, Berlin, Das Neue Berlin
An den Ufern des Hudson. Roman. (1925) Unter dem Pseudonym Lawrence H. Desberry. Jena, Neue Welt Verlag
Kleine Leute. Erzählung. (1925) Berlin, Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten
Die weiße Pest. Ein Roman aus Deutschlands Gegenwart. (1926) Unter dem Pseudonym Traugott Lehmann. Berlin, Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten. Neuauflage 1987 unter Hermynia Zur Mühlen, herausgegeben und mit einem Nachwort von Manfred Altner, Verlag Tribüne Berlin
Lina. Erzählung aus dem Leben eines Dienstmädchens. (1926) Berlin, Internationaler Arbeiter-Verlag
Abenteuer in Florenz. Roman. (1926) Unter dem Pseudonym Lawrence H. Desberry. Wien, Agis
Der Muezzin. Ein Märchen. (1927) Mit Illustrationen von Rudolf Schlichter. Berlin, Verlag der Jugendinternationale
Said der Träumer. Ein Märchen. (1927) Mit Illustrationen von Rudolf Schlichter. Berlin, Verlag der Jugendinternationale.
Die Söhne der Aischa. Ein Märchen. (1927) Mit Illustrationen von Rudolf Schlichter. Berlin, Verlag der Jugendinternationale
Im Schatten des elektrischen Stuhls. Roman. (1929) Unter dem Pseudonym Lawrence H. Desberry. Baden-Baden, Merlin
Der Fememord in New York. Roman. (1929) Unter dem Pseudonym Lawrence H. Desberry. Jena, Neue Welt
Ende und Anfang. Ein Lebensbuch. (1929) S. Fischer, Berlin. Nachdruck in der Wiener Zeitschrift Die Frau. 1950 mit einem Nachtrag. Neuauflage 1976, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar und 2001 Sisyphus Verlag Klagenfurt
Es war einmal … und es wird sein. (1930) Illustrationen von Heinrich Vogeler. Berlin, Verlag der Jugendinternationale. Neuauflage 2001, Berlin, Schütze
Das Riesenrad. Roman. (1932) Stuttgart, J. Engelhorns Nachfahren
Reise durch ein Leben. Roman. (1933) Bern und Leipzig, Gotthelf-Verlag
Schmiede der Zukunft. Märchen. (1933) Mit Illustrationen von Heinrich Vogler. Berlin, Verlag der Jugendinternationale
Vierzehn Nothelfer. Fortsetzungsroman. (1933) In: Arbeiter-Zeitung, Wien
Nora hat eine famose Idee. Roman. (1933) Wien, Saturn. Zürich, Wien, Prag, Büchergilde Gutenberg 1938. Englisch: Guests in the House. (1947) London, Frederick Muller
Unsere Töchter die Nazinen. Fortsetzungsroman. In: Deutsche Freiheit, Saarbrücken. Gsur, Wien. Neuauflagen: 1983 Aufbau-Verlag Berlin und Weimar. 2000, Promedia, Wien
Ein Jahr im Schatten. Roman. (1935) Zürich, Humanitas und Zürich, Wien, Prag, Büchergilde Gutenberg
Fahrt ins Licht. 66 Stationen. Erzählungen. (1936) Wien, Leipzig, Ludwig Nath. Neuauflage 1999 Klagenfurt, Sisyphus
We Poor Shadows. Novel. (1943) London, Frederick Muller. Deutsch: Ewiges Schattenspiel. Fortsetzungsroman. In: Der Bund, Bern, 1938/9. Neuauflage 1996 Wien, Promedia. Mit einem Nachwort von Jörg Thunecke
Kleine Geschichten von großen Dichtern. Miniaturen. (1944) London, Free Austrian Books. Wien, Stern-Verlag 1945 und Wien, Globus, 1946. Mit Illustrationen von O. R. Schatz. Buchreihe „Jugend voran“
Little Allies: Fairy and Folk Tales of Fourteen Nations. (1945) Illustrations by Lucien L. Lowen. London, Alliance Press
Geschichten von heute und gestern: Stories for oral Discussion. (1946) ed. by William R. Gaede and Flora Buch Klug. New York, H. Holt. – Ten stories, adapted for school and college use, originally published in the author’s “Fahrt ins Licht”, Leipzig 1936
Come the Stranger. Roman. (1946) London, Frederick Muller. Deutsch: Als der Fremde kam. (1946) Wien, Globus. Neuauflagen: 1979 Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1994 Wien, Promedia, Nachwort: Karl-Marcus Gauß.
Eine Flasche Parfüm. Roman. (1947) Wien, Schönbrunn-Verlag. Neuauflage: 1948 Wien, O. Walter
Wie Said der Träumer zu Said dem Verräter wurde. (1971) Berlin, Oberbaumverlag, Das rote Kinderbuch 3
Die rote Fahne. Die Brillen. (1971) Mit Illustrationen von Brigitte Wengoborski. Berlin, Oberbaumverlag, Das rote Kinderbuch 1
Was die Streichholzschachtel erzählt. (2001) Berlin, Schütze
Nebenglück. Ausgewählte Erzählungen und Feuilletons aus dem Exil. (2002) Hg. von Deborah J. Vietor-Engländer, Eckart Früh und Ursula Seeber. Bern u. a., Lang
Vierzehn Nothelfer und andere Romane aus dem Exil. (2002) Hg. von Deborah J. Vietor-Engländer, Eckart Früh und Ursula Seeber. Bern u. a., Lang
Werke. (2019) Herausgegeben von Ulrich Weinzierl, mit einem Essay von Felicitas Hoppe. Im Auftrag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Wüstenrot Stiftung. Bibliothek Wüstenrot Stiftung. Zsolnay Verlag, Wien. Band 1: Erinnerungen und Romane. Band 2: Romane. Band 3: Erzählungen und Märchen. Band 4: Geschichten und Feuilletons.
„Es ist später, als du glaubst!“ Drei unbekannte Romane. (2020) Herausgegeben von Jörg Thunecke in Zusammenarbeit mit Susanne Blumesberger. Wien, Praesens
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